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23.03.02 / Elbing 1901-1945: Aufschwung und jäher Fall Ausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. März 2002


Elbing 1901-1945: Aufschwung und jäher Fall Ausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf
von Hans-Jürgen Schuch

Die 1237 gegründete Ordens- und Hansestadt Elbing hat eine reiche und wechselvolle Geschichte. Dies gilt insbesondere für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Wie turbulent es in dieser Zeit in der westpreußischen Stadt zuging, läßt sich bis zum 30. März täglich außer sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf nachvollziehen (Bismarckstr. 90; Nähe Hauptbahnhof).

Anhand von Ölgemälden, Zeichnungen, Fotos, Kreiskarten, Modellen usw. dokumentiert die im Rahmen der Westpreußischen Kulturtage gezeigte Ausstellung "Elbing 1901-1945" die Entwicklung der Stadt bis zu ihrer Entdeutschung durch die Vertreibung.

Die Schau der Truso-Vereinigung e. V. wird genauso gezeigt, wie sie vom 20. Juni bis 30. September 2001 im Stadtmuseum Elbing zu sehen war. Damals besichtigten über 6000 Menschen die zweisprachige Präsentation und erfuhren viel Neues zur Lokalgeschichte.

So wird den Austellungsbesuchern rasch klar, wie grundlegend das 19. Jahrhundert die Wirtschaftsstruktur Elbings veränderte: Aus einer Handelsstadt wurde eine überwiegend von der Industrie geprägte Kommune.

Diese Entwicklung setzte sich nach 1900 in einem noch schnelleren Tempo fort. Die Schiffahrt verlor an Bedeutung, während der Schiffbau immer wichtiger wurde. Außerdem stellte die Elbinger Industrie u. a. Landmaschinen, Lokomotiven und sogar Autos her. In mehreren Fabriken wurde Blech verarbeitet, und das im Volksmund "Stuhlfabrik" genannte Werk am Elbingfluß war bekannt für seine Sperrholzherstellung und als Zulieferer für die Flugzeugindustrie.

Überregionale Bedeutung kamen der Brauerei Englisch Brunnen und dem Unternehmen Loeser & Wolff zu, der damals größten Zigarrenfabrik Europas, in der mehrere tausend Frauen arbeiteten.

In der Elbinger Industrie wurden bald weit mehr Menschen beschäftigt, als es vor Ort Arbeitnehmer gab. Diese Situation schlug sich in der Bevölkerungsentwicklung nieder: Immer mehr Menschen zog es in die Stadt zwischen Drausen-See und Frischem Haff.

1901 zählte Elbing 53 000 Einwohner, 1930 waren es schon 70 500, und Anfang Januar 1945 wurden - ohne Kriegsgefangene und Soldaten - 100 000 Bürger festgestellt. Also hatte sich die Einwohnerzahl in gut vier Jahrzehnten fast verdoppelt.

In die von der Düsseldorfer Ausstellung erfaßte Zeitspanne fallen zwei Weltkriege mit rund zehn Jahren Krieg, die Ära des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und schließlich die Zeit ab 1933 unter dem Nationalsozialismus.

Die durch den Versailler Frieden schwer getroffene Stadt, aus deren Kreisgebiet 26 Ortschaften an die Freie Stadt Danzig verloren gingen, zählte damals keineswegs zu den reichen Städten, dennoch wurde ungeheuer viel geleistet.

Zahlreiche Wohnungen, ja ganze neue Stadtteile entstanden, ebenso öffentliche Bauten wie die Erweiterung des Rathauses von 1930 oder das neue Gebäude der Hochschule für Lehrerbildung von 1929. Schon zu Beginn des Jahrhunderts waren weitere Kirchen hinzugekommen, und St. Nikolai erhielt wieder einen Turm, der mit 97 Metern alle anderen Kirchtürme Westpreußens überragte.

Elbing war sowohl eine Stadt der Schulen und der Gotteshäuser als auch eine Stadt des Sports und der Soldaten. Auf all diese verschiedenen Einflüsse weist die Ausstellung beispielhaft hin - bis zum vernichtenden Szenario von 1945, das von heute auf morgen alles veränderte. Bei den schweren Kämpfen um Elbing wurde das ganze Zentrum - Altstadt wie Neustadt - zu etwa 95 Prozent zerstört.

Am Schluß der Schau steht sinnbildhaft ein Foto des bei den Elbingern beliebten Schnelldampfers "Möwe", der auch bei den Rettungsaktionen über die Ostsee im Einsatz war. Von diesem Schiff ist der originale Bugschmuck mit dem Wappen der Stadt zu sehen.

Dann folgt ein Luftbild vom Februar 1945 nach dem Ende der Kämpfe, auf dem schaurige Ruinen zu erkennen sind. Von da ab war das unter polnischer Verwaltung gekommene Elbing lange eine weitgehend verlassene und vergessene Stadt. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten hat sich das geändert.

Am Rande wuchsen Neubausiedlungen aus dem Boden, und seit etwa 1984 wird auch das Gebiet der einstigen Altstadt wieder bebaut. Rekonstruktionen nach traditionellen Vorbildern entstanden u. a. am nördlichen Teil des Alten Marktes (siehe Foto). Dieser Prozeß der Anknüpfung an die Historie wird noch lange dauern, doch die Fortschritte sind deutlich erkennbar.

Das um einige Gemeinden vergrößerte Elbing zählt heute rund 130 000 Einwohner. Die Stadtregierung ist bemüht, Wirtschaft und Industrie zu beleben - ein schwieriges Unterfangen bei einer Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent.

Erstmals in der Lokalgeschichte werden seit 1945 keine Schiffe mehr gebaut. Im letzten Jahr wurde wenigstens eine neue Werft als Tochter der Gdingener Werft eröffnet. Dort werden Schiffsteile gefertigt, auf dem Wasserweg zur Nogat und dann über die Ostsee zur Montage nach Gdingen gebracht.

Seit 2000 gibt es wieder einen Landkreis Elbing, zu dem fast der gesamte frühere Landkreis Pr. Holland sowie Teile des Landkreises Marienburg gehören. - All dies sind Signale eines Aufbruchs, der hoffnungsvoll stimmt.

Elbing heute und in den 50er Jahren: Nachdem die zu 95 Prozent kriegszerstörte Innenstadt jahrzehntelang einer Trümmerwüste glich, wurden in den letzten zwei Jahrzehnten umfassende Wiederaufbaumaßnahmen begonnen Fotos: Wassermann (re.)/Schuch (li.)