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20.04.02 / Nahost - "Politik der leeren Hände"

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. April 2002


Nahost - "Politik der leeren Hände"
US-Außenminister Powell unter Druck: Er muß Sharon und Arafat Erfolge abtrotzen

Von Macchiavelli haben wir gelernt, daß es nicht darauf ankommt, ob der Fürst fromm ist, sondern daß er fromm erscheint. Mit anderen Worten: Die Machtfrage, und das gilt vor allem für den Nahen Osten und den islamischen Raum, ist auch eine Frage der Darstellung, insbesondere mit Blick auf die religiöse Integrität. In einem religiös so dichten Raum wie dem islamisch geprägten gehört das wesentlich zur Legitimation der Machthaber. Damit gehen die Terroristen hausieren, sie nennen es Märtyrertum, wenn sie junge Menschen mit Sprenggürteln um den Leib auf Märkte oder in Busse und Diskotheken schicken.

Auf Demokratien, konkret auf Israel, übertragen heißt das: Die religiöse Legitimierung muß durch Recht, nämlich Menschenrecht, ersetzt werden. Da stellen sich dann allerdings Fragen nach der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens. Kann man Zerstörungen und hundertfachen Tod von Zivilisten in Kauf nehmen, weil sich im selben Lager potentielle Terroristen befinden?

Die Antwort richtet sich für Machtpolitiker nach der politischen Priorität. Die Europäer, die als Beobachter etwas abseits stehen, halten die Fahne der Menschenrechte hoch. Für Israel und die USA steht der Kampf gegen den Terror ganz vorn. Auch für US-Außenminister Powell. Er konnte Arafat erst treffen, als dieser dem Terror erneut abgeschworen hatte. Wie lange der Schwur reicht und ob das nicht nur ein Zugeständnis war, um den von der israelischen Armee bedrängten "Märtyrer-Brigaden" eine Verschnaufpause zu verschaffen, wird man noch sehen. Aber selbst die nach dem ersten dreistündigen Treffen der Öffentlichkeit gebotene Diplomatenfloskel ("nützlich und konstruktiv") enthält einen Funken Hoffnung. Es war nicht umsonst. Und eins hat Powell auch im Gespräch mit Sharon erreicht: Man redet wieder von einer Nahost-Konferenz, also von einer politischen Perspektive und nicht mehr nur vom Ende des Tötens. Auch darin liegt ein Funke Hoffnung.

Mehr allerdings auch nicht. Es ist nach wie vor höchst unwahrscheinlich, daß es je zu einem Treffen zwischen Arafat und Sharon kommt, und auch, daß Sharon die Truppen völlig abzieht oder in der jetzigen Situation Siedlungen abbauen lässt (ganz unmöglich ist letzteres nicht, er war als Verteidigungsminister zuständig, als 1979 die Siedler im Sinai mit staatlicher Gewalt abgezogen wurden). Wenn man aber genauer hinsieht, steht Powell in der Sache, also bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts, noch mit leeren Händen da. Das ist auch ein persönliches Risiko für ihn. Denn in Washington warten manche Scharfmacher nur darauf, daß Powell scheitert, um Sharon völlig freie Hand zu geben. So kann, paradoxerweise, der Funke Hoffnung auch ein großes Feuer entzünden, wenn ihm nicht bald Taten auch von israelischer Seite zur Lösung des Konflikts folgen.

Hier liegt auch der Kern des Dilemmas für Powell. Es ergibt keinen Sinn, noch weiter Druck auf den Palästinenser-Präsidenten auszuüben. Arafat ist in Jerusalem und Washington gewiß nicht mehr glaubwürdig, aber für viele Palästinenser schon. Diese erwarten, daß er Israel und Amerika mehr als ein nützliches Gespräch abtrotzt. Wenn Powell nicht mehr bieten kann als seinen guten Willen, dann ist auch er am Ende der nahöstlichen Sackgasse angelangt. Er wird auch Sharon etwas abtrotzen müssen, wenn er nicht mit leeren Händen nach Washington zurückkehren will. Und das darf dann nicht nur so erscheinen, sonst geht der Krieg weiter - mit unabschätzbaren Eskalationsmöglichkeiten auch jenseits des Konfliktfeldes, siehe Tunesien. lim