19.04.2024

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20.04.02 / Wehrpflicht - Pro und Contra

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. April 2002


Wehrpflicht - Pro und Contra

Die Wehrpflicht hat in Deutschland eine lange und zumindest am Anfang auch gute Tradition, die bis zu den preußischen Heeresreformern zurück-reicht. Von ihren Vätern war sie allerdings für die Landesverteidigung bestimmt - und so ist dieser Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten auch nur zu rechtfertigen - und nicht für eine Interventionsarmee, die out of area an der Seite einer verbündeten Führungsmacht deren Friedensordnung durchzusetzen versucht. So wurde sie in Preußen denn auch erst in den Befreiungskriegen eingeführt, als es darum ging, das nationale Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen. Nicht im Traum wäre es den Reformern um Scharnhorst eingefallen, Wehrpflichtige zu fordern, als es 1812 darum ging, Frankreich, der damaligen Führungsmacht, 20.000 Mann für deren Rußlandfeldzug zu stellen.

Nun heißt es, in out of area-Einsätzen würden nur freiwillige Wehrpflichtige eingesetzt werden. Doch wo steht geschrieben, daß die morgen noch reichen. Die Bundeswehr hat nämlich die fatale Eigenschaft, in vieles hineinzugehen aber nur aus wenigem wieder herauszukommen, so daß die Bedürfnisse kumulieren.

Nachdem die Franzosen in den besagten Befreiungskriegen schlechte Erfahrungen mit der deutschen Wehrpflicht gemacht hatten, setzten sie in Versailles eine Berufsarmee für Deutschland durch. Gerne wird von den Befürwortern der Beibehaltung einer Wehrpflicht darauf verwiesen, daß diese Armee undemokratisch gewesen sei. Aber waren die Streitkräfte im Kaiserreich, war die Wehrmacht, die NVA, die zweifellos alle Wehrpflichtarmeen waren, demokratischer? Kann man von einem gezogenen Rekruten, der über einen Mannschaftsdienstgrad in der Regel nicht hinauskommen wird, erwarten, daß er das ihm übergeordnete Unteroffiziers- und Offizierskorps aus Zeit- und Berufssoldaten demokratisiert? Ließe sich angesichts der hierarchischen Strukturen beim Militär nicht vielmehr statt einer Demokratisierung der Bundeswehr eine Militarisierung der Gesellschaft durch die "Schule der Nation" vermuten?

Bei der Beibehaltung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik stellt sich zudem die Frage nach der Wehrgerechtigkeit, denn hierzu würde eine Wehrpflicht für Bundesbürger beiderlei

Geschlechts gehören, da die Beendigung der traditionellen Aufgabenteilung zwischen beiden ja zu den erklärten gesellschaftspolitischen Zielen gehört. Es wird zwar noch gerne mit den 1,3 Kindern argumentiert, welche die Durchschnittsfrau gebärt, doch schaffen dafür sowohl Natur als auch Staat bereits einen Ausgleich, denn die Durchschnittsfrau darf länger leben und früher in Rente gehen als der Durchschnittsmann. Zudem wird in der Bundesrepublik keine Frau von Staats wegen gezwungen, Mutter zu werden; sollte da nicht auch kein Mann vom Staate gezwungen werden, Soldat zu werden?

Bleibt das Argument, der Wehrdienstleistende sei als potentieller Nachwuchsoffizier und der Zivildienstleistende als billige Arbeitskraft im Sozialbereich unverzichtbar. Kann ein liberaler Staat einen Zwangsdienst damit rechtfertigen, daß in dem einen Bereich Interesse an qualifiziertem Nachwuchs besteht und in dem anderen das Geld für eine leistungsgerechte Entlohnung gespart werden soll?

Gerne wird der deutschen Jugend in den Schulen und Hochschulen erzählt, daß ihre Vorväter einen "deutschen Sonderweg" beschritten hätten und dieser sei verhängnisvoll. Vielleicht sollte das Land in dieser Frage nun tatsächlich auf einen Sonderweg verzichten. Eine Berufsarmee gibt es in Großbritannien seit 1960, in Luxemburg seit 1967, in den USA seit 1973, in Belgien seit 1995, in den Niederlanden seit 1996, in Frankreich seit 2001 und in Spanien seit 2002. M. Ruoff