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27.04.02 / Von der Seine bis zur Elbe: Europas rechte Welle

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. April 2002


Von der Seine bis zur Elbe: Europas rechte Welle
Bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und Frankreich stürzt die Linke ab

Eines kann man Jacques Chirac, dem amtierenden und auch künftigen Staatspräsidenten Frankreichs, nicht nachsagen: daß er nicht während seines gesamten politischen Lebens immer gegen rechtsextreme Strömungen, insbesondere gegen Le Pen, gekämpft hätte. Das kommt ihm jetzt zugute. Es sammelt sich eine breite Mehrheit um ihn als Garanten der republikanisch-demokratischen Ordnung und gegen die Extremisten der Front National. Le Pen wird sich mit seinen Haß- und Hetzparolen gegen Chirac als koalitionsunfähig erweisen, die Stimmung zugunsten des Präsidenten anheizen, und dieser wird ein historisches Ergebnis von drei Viertel aller Stimmen einfahren.

Chirac wird diese Stimmung sicher für den dritten und vierten Wahlgang, die Parlamentswahlen im Juni, nutzen können. Auch das läßt sich voraussagen: Die Bürgerlichen werden am 16. Juni wieder die Mehrheit in der Nationalversammlung stellen. So wie das Mehrheitswahlrecht Jospin zum Verhängnis wurde - die Linke zersplitterte sich -, so wird es auch einem isolierten Le Pen den Weg in das Parlament versperren. Denn nur in ganz wenigen Wahlkreisen werden sich seine Kandidaten durchsetzen können. Die Bürgerlich-Konservativen aber wird Chirac im Feuer des Kampfes gegen Le Pen zusammenschmieden. Dafür gab er mit ernster, gravitätischer Stimme noch am Wahlabend den Auftakt.

Und dann wird EU-Europa bereits sieben Regierungen mit Mehrheiten in der Mitte und rechts von der Mitte zählen. Die Niederlande könnten noch vor den Franzosen hinzukommen, und damit wäre das Pendel Europas wieder im bürgerlichen Lot. Der Trend in Europa ist unverkennbar. Schon heute steht die Mehrheit der Bevölkerung im EU-Raum nicht mehr links. Spanien, Italien, Portugal, Dänemark, Österreich und jetzt Frankreich. Und am 22. September auch Deutschland?

Den Trend vorgegeben hat das Europa-Parlament vor knapp drei Jahren, in Straßburg stellen die Bürgerlichen seither die größte Fraktion. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß dieser frische Wind Deutschland nicht erfaßt. Hier gibt es keinen Le Pen, aber der Eindruck, daß die Rotgrünen auch hierzulande abgewirtschaftet haben, wird dichter.

Daß Ungarn links gewählt hat, widerspricht dem nicht. Die Länder im Osten Europas haben noch keine ausreichend profunde Demokratie-Erfahrung, ihre Parteien deshalb auch wenig Bindekraft. Heftige Ausschläge sind möglich, und es gewinnt, wer am wenigsten wehtut und am meisten verspricht. In dieser Disziplin sind die Linksparteien Meister. Systemwechsel und Reformen aber verlangen Einschnitte. Die Ungarn und davor schon die Polen haben das nicht vertragen. Das sieht im Westen etwas anders aus.

In der Politik ist Resignieren eine totale Dummheit, meinte ein Ahnherr der Rechten in Frankreich, Charles Maurras. Man kann sich freilich auch als Sozialdemokrat an diese Faustregel des politischen Lebens halten; aber kurios ist es schon, daß Schröder seine Hoffnung ausgerechnet auf Durchhalte-Parolen von der rechten Mitte setzt. Wenn er könnte, würde er den Kurs noch ändern und mit der FDP koalieren. Aber diese Chance ist vorbei. Der Trend gegen die Sozialdemokratie ist schon zu stark, wie sich in Sachsen-Anhalt auf drastische Weise zeigte. Es wird ihm mehr einfallen müssen, als seine Fahne in den Wind des Amtsbonus und einer demoskopisch ermittelten Popularität zu hängen. Aber wie immer Schröder sich demnächst - und sei es nur für die nächsten fünf Monate - verhält: Er wird es mit einem anderen, nicht mehr gelähmten Frankreich und auch mit einem anderen Europa zu tun haben. Jürgen Liminski