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27.04.02 / Schlesien: "O Täler weit, o Höhen"

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. April 2002


Schlesien: "O Täler weit, o Höhen"
Eichendorff-Ehrung im Hultschiner Ländchen
von Martin Schmidt

Am 13. April erstattete Gabriele von Altrock auf der Jahresversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) wieder einmal Bericht über die Aktivitäten des von ihr gegründeten "Arbeitskreises Schlesien". Dabei fielen beiläufig zwei Namen, deren Zusammenhang eine ausführlichere Behandlung verdient: Joseph von Eichendorff und Deutsch-Krawarn.

Natürlich: Der große schlesischen Dichter ist hierzulande trotz Bildungsnotstand noch immer ein Begriff. Seine Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" ist nicht von ungefähr das wohl am häufigsten gelesene Werk der deutschen Romantik.

Ähnlich bekannt sind seine wunderbaren Gedichte, von denen etliche als gekonnte Vertonungen in unseren - zunehmend gefährdeten - Volksliedschatz eingingen. Man denke nur an "Wem Gott will rechte Gunst erweisen", "O Täler weit, o Höhen", "In einem kühlen Grunde" oder "Nach Süden nun sich lenken".

Doch die genaue Beziehung zwischen Deutsch-Krawarn (Kravare), dem Hauptort des heute tschechischen Hultschiner Ländchens, und dem Lebensweg Eichendorffs dürfte auch den meisten der knapp 40 Schlesienenthusiasten im IGFM-Tagungsort Königstein unbekannt gewesen sein. Anders als das Schloß Lubowitz bei Ratibor, wo der Dichter am 10. März 1788 geboren wurde, oder das ebenfalls oberschlesische Neisse, wo er am 26. Dezember 1857 verstarb und seine letzte Ruhe auf dem dortigen Jerusalemer Friedhof fand.

Dabei kommt Krawarn keine unwesentliche biographische Bedeutung zu: Immerhin über fünf Generationen hinweg zählte es zum Besitz der Familie Eichendorff. Johann Rudolph von Eichendorff hatte zwischen 1721 und 1728 sogar das dortige Barockschloß erbauen lassen.

Erst der Vater des berühmten Literaten, Adolph von Eichendorff, mußte es verkaufen. Sein Sohn kam trotzdem des öfteren aus dem etwa 30 Kilometer entfernten Lubowitz zur Jagd nach Krawarn geritten.

Seit 1996 erstrahlt das im Staatsbesitz befindliche frühere Eichendorff- Schloß nach gelungener Restaurierung wieder in altem Glanz. Es beherbergt Büros, ein Museum sowie ein Restaurant. Nicht zuletzt ist es Treffpunkt für den örtlichen Deutschen Freundschaftskreis (DFK).

Dieser ist sehr rührig und hat sich in Gestalt seines Aktivisten Horst Kostritza um die Erforschung der wechselvollen Regionalgeschichte verdient gemacht.

Das Hultschiner Ländchen war 1742 von den Habsburgern zu Preußen gekommen, ab 1816 gehörte es zum preußischen Regierungsbezirk Oppeln, 1920 wurde es ohne Befragung der knapp 55 000 Einwohner als Folge des Versailler Vertrages an die Tschechoslowakei abgetreten, gelangte 1938 noch einmal für wenige Jahre an Deutschland, ehe es 1945 wieder die Tschechoslowakei an sich riß.

Die mehreren hundert Krawarner DFK-Mitglieder hängen bis heute eng an Deutschland und der deutschen Kultur wie viele andere Deutschstämmige im Hultschiner Ländchen auch. Nach Angaben des jungen DFK-Vorsitzenden Josef Melecky beläuft sich deren Zahl auf rund 40 000 der 60 000 Einwohner des Gebietes.

Noch prägender für diese Menschen ist allerdings der katholische Glaube, der einen derart zentralen Platz im Lebensalltag einnimmt, wie es sich heutige Bundesdeutsche schwer vorstellen können. Sicherlich ist es auch diese tiefe Religiosität, die den Zugang zum Werke Eichendorffs erleichtert.

Ja, Joseph von Eichendorff erfreut sich in Deutsch-Krawarn und Umgebung ungebrochener Wertschätzung. Um so erfreuter war man dort, als am 10. März dieses Jahres - dem 214. Geburtstag des Dichters - im Schloßhof in Anwesenheit eines Pfarrers eine Büste des natur- und heimatbewußten Romantikers enthüllt wurde.

Gestiftet wurde das Denkmal unter Mitwirkung Frau von Altrocks durch die Erika-Simon-Stiftung (Rinteln/Niedersachsen). Hergestellt hatte es die Gießerei Art-Odlew in Oppeln - und zwar gleich in zweifacher Ausfertigung. Das andere Exemplar soll in Neisse am Platze des kriegszerstörten Sterbehauses von Eichendorff aufgestellt werden, wo die ursprüngliche Büste 1945 von den Polen entfernt wurde.

Auf verschlungenen Pfaden "überlebte" dieses Original die Nachkriegszeit und konnte nun als Vorlage für den Neuguß dienen. Die Wiederaufstellung am historischen Ort, der bereits durch die Umbenennung der anliegenden Straße in "Eichendorffstraße" hervorgehoben ist, war für den 4. Mai geplant, muß aber nach Angaben der Zeitschrift Schlesien heute wahrscheinlich verschoben werden.

Die dritte, wenngleich weniger geschmackvolle Eichendorff-Büste im heutigen Schlesien steht vor dem im Frühjahr 2000 eröffneten deutschen Bildungszentrum in Lubowitz.

Doch sowohl das Neisser als auch das Lubowitzer Dichterdenkmal dürften keine solch bewegende Vorgeschichte haben wie jenes in Deutsch-Krawarn. In ihrer Festrede im Rittersaal des Schlosses schilderte Gabriele von Altrock diese mit folgenden Worten: "Im Herbst 2001, als ich zum wiederholten Male im schönen Krawarn sein konnte, war es mir ein Anliegen, Herrn Kostritza für seinen unermüdlichen Einsatz für den DFK und die Mitarbeit an der Heimatzeitung Minor zu danken.

Auf die unter vier Augen gestellte Frage, womit ihm persönlich eine kleine Freude zu machen sei, wurde er verlegen und schwieg. Wortlose Bescheidenheit. Der Dichter hat auch darin Spuren hinterlassen.

Nach einigem Drängen erklärte er schließlich, bevor er sterbe, habe er nur noch einen Herzenswunsch. Wieder Stillschweigen. ‚Und der wäre...?' ‚Unerfüllbar', war die lakonische Antwort. ‚Wirklich? Bitte, heraus mit der Sprache!' Langes Zögern. ‚Ich brauche nichts, wirklich nicht, aber wenn ich das noch erleben könnte, meinen Traum, eine Büste von unserem Dichter vor dem Schloß!"

Als am selben Tag der ins Hultschiner Ländchen mitgereiste Stiftungspatron Gerhard Simon von dem Wunsch erfuhr, sagte er ebenso lakonisch: "Kriegen Sie!" - und der Traum wurde Wirklichkeit.

Zur Hilfs- und Aufbauarbeit des IGFM-"Arbeitskreises Schlesien" siehe auch OB 15/2001, S. 6; Kontakt: Gabriele von Altrock, Hochfeldstr. 15, 60437 Frankfurt a. M., Tel./Fax: 06101-41601

 

Ein Traum wird wahr: Einweihungsfeier der Eichendorff-Büste im Schloßhof von Deutsch-Krawarn (Kravare) Foto: Scholtz-Knobloch