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27.04.02 / Eine Tradition im neuen Gewand - Ein alter schlesischer Heiratsmarkt damals und heute

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. April 2002


"Drum prüfe, wer sich ewig bindet"
Eine Tradition im neuen Gewand - Ein alter schlesischer Heiratsmarkt damals und heute
von Ruth Geede

Es ist schön, wenn alte Bräuche wieder aufleben. Vor allem dann, wenn sie in ihrem Ursprungsland nicht mehr begangen werden können. Wie der schlesische "Gorkau-Rosenthaler Heiratsmarkt".

Ursprünglich war dieses Fest auch so zweckbestimmt, denn es sollte gerade der ländlichen Jugend ein zwangloses Kennenlernen ermöglichen. Nach dem Krieg ließen 1946 ausgewiesene Schlesier in der Lüneburger Heide den Heiratsmarkt wieder neu erstehen, wobei nicht nur an ein Treffen der vertriebenen Landsleute gedacht wurde, sondern an ein Volksfest mit alten Bräuchen, an dem alle teilnehmen konnten. Nach über 30jähriger Pause feiert der Heiratsmarkt jetzt seine fröhliche Urständ: Am ersten Maiwochenende gibt es in Dahlenburg wieder einen Heiratsmarkt, diesmal als zweitägiges Frühlingsfest mit reichem Musikprogramm und Vergnügungen aller Art, das auf dem mitgewanderten schlesischen Brauch basiert.

Vor allem soll die Jugend am 4. und 5. Mai von weit her in den niedersächsischen Flecken Dahlenburg - unweit der Elbe zwischen Lüneburg und Dannenberg - gelegen, strömen. Was sie auch bereits 1951 tat, als 8000 Menschen das Dahlenburger Schützenhaus stürmten, die sogar mit Sonderzügen aus Hamburg und Hannover gekommen waren.

Auch ich war damals dabei. Notgedrungen sozusagen - als Berichterstatterin für die Tagespresse. Wobei ich aus der Not nur zu gerne eine Tugend machte, denn das Fest versprach jede Menge Spaß und Spiel. Und die hielt es dann auch.

Die Schlesier hatten das Fest voll in der Hand, sie erschienen zum Teil in ihren Trachten und hatten Spezialitäten aufgefahren, von Schlesischem Himmelreich und Krakauern angefangen bis zu Schirdewan und Kroatzbeere. Schlesische Musikanten spielten auf, und der "Standesbeamte" in Frack und Zylinder fragte wie in seinem heimischen Gorkau: "Wullt ihr Huxt mach'n?" Die also Befragten hatten sich aufgrund der roten Pappherzen, die man aus einer Trommel ziehen konnte, zusammengefunden.

Meines hatte die Nummer 486 und war rosa, und dazu gab es irgendwo ein rotes Herz mit der gleichen Nummer. Das hing an einer männlichen Brust, die zu einem kräftigen Mannsbild mit dem Namen Neumann Kolle gehörte, und der Rotbeherzte war auch gleich bereit, mit mir "Huxt" zu machen. Wohlgemerkt: Nur auf dem Papier! Der Standesbeamte stellte uns für 30 Pfennig eine Heiratsurkunde aus - ohne Gelöbnis, ohne feierliches Versprechen -, denn der Mann im Frack erläuterte. "Keiner braucht hier ja zu sagen, nur den Namen tragt hier ein!" Na ja, nach dem Hochzeitswalzer hatte mein so eben angetrauter Marktmann eine alte Braut aus Strehlen entdeckt, schrie entzückt "Mien Kleenes ..." und ward nicht mehr gesehen.

In der Tauschzentrale, die sinnigerweise im "Erste-Hilfe"-Zelt untergebracht war, hätte ich dann mein verlassenes rosa Herz in ein anderes mit neuer Nummer umtauschen können, aber ich mußte schließlich meiner Pflicht als Berichterstatterin nachkommen. Was ich notierte, war ein fröhliches Festgeschehen im Stil der damaligen Zeit - harmlos heiter, mit der Freude am Wiedersehen und Wiederfinden.

Schüchterne konnten ihre Hemmungen überwinden und kamen so zu einem Tanzpartner. Manche Barriere zwischen Einheimischen und Vertriebenen brach - auch viele Ostpreußen hatte so wie ich hier in der Ostheide eine Bleibe gefunden. Und moralische Bedenken brauchte niemand zu haben, die Frischvermählten trennten sich bereits bei Verlassen des Festplatzes, denn die Urkunde galt nur für "hier und heute". Tatsächlich sollen sich auf den Heiratsmärkten jener Jahre aber auch Paare für das Leben gefunden haben.

Die suchten jetzt die Veranstalter des Heiratsmarktes 2002, und vielleicht werden an der Veranstaltung auch alte Ehepaare teilnehmen, deren echte Herzen damals zueinanderfanden. Das zweitägige Programm sieht allerdings keinen schlesischen Standesbeamten vor, sondern Animateure, die partnersuchende Teilnehmer auf einer "Spaßhochzeit" zusammenbringen. Auf der Brautschau wird es aber noch schlesische Hochzeitsbräuche mit Hochzeitsbitter geben, wie auch beide Tage mit einer Hochzeitsmesse beginnen, so daß noch ein Teil alten Brauchtums spürbar wird. Und noch etwas wird anders sein: Diesmal werden auch Besucher vom östlichen Ufer der Elbe kommen, die damals schon Grenzfluß zwischen russisch und englisch besetzter Zone war. Es gab keine Brücke, keine Fähre mehr zum anderen Ufer, das als Amt Neuhaus zur Provinz Hannover gehört hatte und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zum Land Niedersachsen kam. Wie Dahlenburg gehört heute Neuhaus zum Landkreis Lüneburg.

Der Heiratsmarkt will Unterhaltung am laufenden Band mit der großen Hochzeitsparty im Schützenhaus als Höhepunkt bieten. Soviel zum Programm, das von dem Veranstalter angefordert werden kann. Flecken Dahlenburg, Am Markt 17, 21368 Dahlenburg, Telefon: (0 58 51) 8 60, Internet: www.dahlenburg.de