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04.05.02 / Scharpings unendliche Geschichte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Mai 2002


Scharpings unendliche Geschichte
Warum der Minister zurücktreten sollte
von Gerd-H. Komossa

Hat er oder hat er nicht? Das ist jetzt die Frage, die der Deutsche Bundestag und die Öffentlichkeit Verteidigungsminister Scharping stellen. Hat er über den Parlamentsbeschluß hinaus dem Gremium der NATO Zusagen gemacht, die vom Bundestag nicht gedeckt sind? Georg Leber ist vor mehr als 20 Jahren wegen eines geringeren Fehlers, den er im Bundestag gemacht hatte, ohne zu zögern zurückgetreten. Er hatte damals ein Wort in seinem Redetext nicht ausgesprochen. Es ging damals um den Einsatz von Lauschmitteln gegen den Kommunistischen Bund Westdeutschland. Leber hatte gesagt, dies sei "der einzige Fall", wo er der Wahrheit getreu hätte sagen müssen "der einzige Fall dieser Art". Aber Rudolf Scharping sieht immer noch keinen Anlaß, sich auf seine Lieblingsinsel Mallorca zurück-zuziehen. Ganz schön stur, meinen seine Soldaten.

Worum geht es? Die Frage der Beschaffung eines Langstreckenflugzeuges, das wir für die Erfüllung des Bundeswehrauftrages, Deutschland zu verteidigen, nicht dringend benötigen, wenngleich die Beschaffung Sinn macht bei der Bereitschaft der Bundesregierung, sich an allen Konfliktherden der Welt von Indonesien bis zum Krisengebiet Nahost zu beteiligen, muß geklärt werden.

Das Verwirrspiel läuft seit Anfang Dezember. Schadenersatz zahlen oder nicht, dies ist die Frage. Der Bundestag hat festgestellt, daß die für die Beschaffung der 73 Langstreckentransportflugzeuge benötigten Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stehen. Die bereitgestellten Mittel in Höhe von nur 5,1 Milliarden Euro decken die Kosten von nur 40 Maschinen Airbus 400 M, die der Haushaltsausschuß im März entsperrt hatte. Das Verteidigungsministerium hatte in der Sitzung der acht Airbuspartner erklärt, daß die ursprüngliche Zusage von 5,1 Milliarden Euro jeden möglichen Schadenersatz ab-decke, der aus den finanziellen Verpflichtungen des Vertrages resultiere. Rudolf Scharping unterstützte diese Auffassung in einem Brief an den französischen Minister Alain Richard.

Scharping hatte - ebenfalls im März - dem Haushaltsausschuß aber versichert, daß Deutschland den Partnern keinen Schaden- ersatz garantiert habe. Die Vertragspartner hingegen hatten vereinbart, daß jedes Land Schadenersatz zahlen muß, falls es weniger Maschinen kauft als zugesagt. Und Scharpings Staatssekretärin Brigitte Schulte bestätigte wiederum, daß die Abnahme von 73 Maschinen garantiert wurde und eine Schadenersatzklausel bei Nichteinhaltung des Vertrages international üblich sei.

Was also ist die Wahrheit? Zur Stunde kann wohl diese Frage im Berliner Bendlerblock niemand beantworten. Die Antwort aber kam über den Umweg Paris. Dort wurde am 25. April durch einen Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärt, die Vertragspartner würden für Deutschland einen sogenannten "Indirekten Schadenersatz" festlegen. Wenn Deutschland statt der zugesagten 73 Maschinen nur 40 abnehmen würde, dann könne Deutschland für den festgelegten Preis nur etwa 20 Maschinen des Transportflugzeuges erhalten. Die Vertragspartner sei8en nicht bereit, zusätzliche Kosten zu übernehmen, die durch die deutsche Haltung entstehen.

Bei diesem kompletten Verwirrspiel scheint nur eines klar zu sein: Der Vertrag der acht Partner zum Airbus 400 M, den Rudolf Scharping unterzeichnet hat, steht im Widerspruch zur Beschlußlage des Deutschen Bundestages. Wie schon gesagt, andere Minister als Rudolf Scharping sind aus geringerem Anlaß zurückgetreten. Aber das war eben vor mehr als 20 Jahren.