18.04.2024

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04.05.02 / Ein vorbildlicher Ehemann

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Mai 2002


Ein vorbildlicher Ehemann
von Willi Wegner

Wir saßen in Harrys Arbeitszimmer. Harry Palmer - ein alter Freund von früher. Wir hatten uns lange nicht gesehen. Jetzt saßen wir da, tranken Wein und rauchten Zigarren.

Plötzlich klingelte es. Harry Palmer entschuldigte sich und ging öffnen. Als er wieder hereinkam, sage er: "Es war die Eierfrau. Ich habe zwei Dutzend genommen. Dann braucht meine Frau sie nicht auf dem Markt zu kaufen."

"Wo ist denn deine Frau?" fragte ich. "Sie schläft", erwiderte Harry. "Sie liegt nebenan auf der Couch und schläft. Sie hat heute morgen sehr anstrengend gearbeitet, ich möchte sie jetzt noch nicht wecken. Du versteht das hoffentlich, nicht wahr?" - "Natürlich", sagte ich. "Laß sie nur schlafen." - "Himmel", fuhr Harry auf, "das Radio! Augenblick, bitte! Ich hatte vorhin, damit sie leichter einschläft, etwas leise Musik eingestellt." Er blickte auf seine Armbanduhr. "Nun bringen sie sicher inzwischen den Wirtschaftsfunk. Ich gehe eben mal hinüber und stelle den Apparat ab."

Als Harry wieder zurück war, fragte ich: "Was ist eigentlich aus der kleinen Blonden geworden, weißt du ...? Sie trug immer diese aufreizenden Pullis ..." - "Ach, sei nicht böse", unterbrach mich Harry, "ich hatte das ganz vergessen, ich wollte ja noch den Friseur anrufen." Er nahm den Hörer vom Telefon und wählte eine Nummer. "Ja", sagte er, "hier Palmer! Ich hörte vorhin von meiner Frau, daß sie morgen zur Dauerwelle kommen will. Welche Zeit ist wohl am angebrachtesten? Ich meine, daß sie nicht so lange zu warten braucht. Ja, schönen Dank auch! - Siehst du", wandte sich Harry wieder an mich, "das wäre auch erledigt."

"Du warst früher ein ziemlich großer Windhund", sagte ich. "Du hast dich sehr verändert. Ich habe dich ganz anders in Erinnerung." - "Wenn man liebt", entgegnete Harry Palmer, "ändert man sich grundlegend. Man legt die alten Lebensgewohnheiten ab und nimmt völlig neue an." - "Ja, da magst du recht haben", sagte ich. "Du bist kaum wiederzuerkennen." Mein alter Freund von damals entschuldigte sich erneut, ging für zwei Minuten hinaus, und als er mir wieder gegenübersaß, sagte er: "Ich habe nur eben die Erbsen für morgen eingeweicht. Komm, reich mir dein Glas herüber, wir trinken noch ein Schlückchen auf unser Wiedersehen - und auf die Frauen!"

"Du bist in der Tat einer der fürsorglichsten, vorbildlichsten Ehemänner, die ich kenne", sagte ich. "Und ich kenne eine ganze Anzahl Ehemänner." - "Vorsicht", meinte Harry, "daß die Zigarrenasche nicht auf den Teppich fällt!" - "Ich verstehe!" lachte ich. "Deine Frau hat das kostbare Stück gerade erst geklopft!" - "Wieso meine Frau?" sagte Harry Palmer. "Ich habe ihn geklopft!" - "Natürlich, ich vergaß!"

Ganz plötzlich sprang Harry auf, öffnete das Fenster, lehnte sich hinaus und rief: "He, ihr Rasselbande da unten, macht gefälligst euren Lärm woanders! Warum spielt ihr mit eurem blödsinnigen Ball unbedingt hier vorm Fenster? Dabei kann ja kein Mensch schlafen!" - "Deine Frau muß sehr glücklich sein", sagte ich. "Wie mir scheint, hat sie wirklich den vorbildlichsten Ehemann bekommen, den es in der Welt gibt!"

Später lernte ich Harry Palmers Frau kennen. Eine ausgesprochen aparte, gepflegte Erscheinung. Die Blonde mit den Pullis, die ich noch in Erinnerung hatte, war es allerdings nicht. Wir saßen sehr nett beisammen, und irgendwann sage ich zur Frau des Hauses: "Wirklich - man kann Sie zu Ihrem Gatten nur beglückwünschen!"

"Mag schon sein", meinte Frau Palmer. "Alles in allem ist er ein feiner Kerl! Wenn er nur nicht immer seine Nase in alles stecken würde!"