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11.05.02 / Gedanken über die Dankbarkeit

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Mai 2002


Vitamin für die Seele
Gedanken über die Dankbarkeit
von Eva Hönick

Die Dankbarkeit ist heute Mangelware geworden, nachdem die Anspruchsmentalität der Menschen so sehr ins Kraut geschossen ist. Was sieht der heutige Mensch nicht alles als selbstverständlich an, nicht nur Aufmerksamkeiten lieber Mitmenschen und freundliche Dienstleistungen anderer, auch die Angebote des technischen Fortschritts und des ganzen modernen Lebens.

Der Mensch von heute hat es nicht mehr nötig, dankbar zu sein, er bezahlt ja für alles! Dieser Hochmut führt zu einer inneren Leere, in der man weder Dank empfinden und zeigen noch Dank annehmen mag. Gefühle haben heute keine Konjunktur. Und wie der Herzinfarkt eine moderne Krankheit ist, so könnte man wohl auch manchmal von einem "Gefühlsinfarkt" sprechen.

Dabei ist Dankbarkeit wie ein Vitamin für die Seele, eine Arznei gegen Traurigkeit. Sie macht die Welt schöner und glücklicher. Ohne sie ist das Leben kalt. Ein dankbares Gefühl für eine freundliche Geste, für eine kleine Hilfeleistung, für irgendeine Annehmlichkeit oder die Schönheit der Natur, die uns in einem blühenden Baum oder einer Vollmondnacht entgegenkommt, macht das Herz warm und weit.

Jeder Mensch hat Dankschulden. Im allgemeinen ist Dankbarkeit ein flüchtiger Stoff. Für manchen aber wird sie zur drückenden Last, die er nicht abzutragen weiß, wenn er in Sachen Dankbarkeit vielleicht überfordert worden ist und lieber schenken möchte und Dank empfangen als selber danken zu müssen. Es gibt auch Menschen, die grundsätzlich undankbar sind; gerade sie vertrauen meist felsenfest auf die Dankbarkeit anderer.

Traurig ist es, wenn man an Gräbern steht und zu spät seine Dankschulden erkennt, am Grabe alter Menschen, am Grabe der Mutter. Gerade die Guttaten der Mutter werden so selbstverständlich hingenommen. Um so mehr freut sie ein Dankeswort, eine kleine unerwartete Aufmerksamkeit.

Wenn man dankbar ist, soll man es auch sagen; denn Dankbarkeit ist eine Tugend, die ausgesprochen werden will. Was uns fehlt, das sehen wir meist sehr genau. Aber was uns täglich an kleinen Freuden geschenkt wird, daran gehen wir achtlos und undankbar vorbei.

Um so überraschender und vorbildlich die Einstellung eines alten Mannes, die ich einmal irgendwo las: "Dank denen, die Verständnis zeigen für meinen stolpernden Fuß und meine lahmende Hand. Dank denen, die begreifen, daß mein Ohr sich anstrengen muß, um alles aufzunehmen, was man zu mir spricht. Dank denen, die zu wissen scheinen, daß mein Auge trübe und meine Gedanken träge geworden sind. Dank denen, die mit freundlichem Lächeln verweilen, um ein wenig mit mir zu plaudern.

Dank denen, die niemals sagen: diese Geschichte haben Sie mir heute schon zweimal erzählt. Dank denen, die es verstehen, Erinnerungen an frühere Zeiten in mir wachzurufen. Dank denen, die mich erfahren lassen, daß ich geliebt, geachtet und nicht alleingelassen bin. Dank denen, die in ihrer Güte die Tage erleichtern, die mir noch bleiben auf dem Wege in die Ewigkeit."