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25.05.02 / Hinterpommern: "Schwarze Hochzeit"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Mai 2002


Hinterpommern: "Schwarze Hochzeit"
Eindrücke aus einem kaschubischen Museumsdorf
von Friedrich Nolopp

Am ersten Maisonntag strömten zahlreiche Besucher in das kaschubische Museumsdorf Klucken (Kluki) am Leba-See im hintersten Hinterpommern.

In den ärmlichen Dörfern dieser dünn besiedelten Gegend haben einst, so berichten polnische Reiseleiter, die Familien von Zitzewitz und von Puttkammer geherrscht. Schon in den umliegenden Siedlungen sagten sich seit jeher Hase und Igel gute Nacht, erst recht in Klucken: im Westen und Süden von Sumpf und Moor umgeben und im Nordosten vom Leba-See kam schon vor 200 oder 300 Jahren kaum ein Fremder hierher. Wegen der schlechten Wege blieb alles eben so, wie es schon immer war.

Heute ist der Ort von einem Jägerzaun begrenzt, dahinter beginnen morastige Wiesen und kleine Wälder. Wer vom Wege abkommt, hat gute Chancen im Sumpf zu versinken. Dort tummeln sich die Frösche, über die sich wiederum die vielen Störche freuen.

Die Menschen bleiben lieber in den engen Grenzen des 1963 gegründeten Museumsdorfes und sehen dort zum Beispiel zwei kräftigen Männern bei der Arbeit zu. Diese graben nach Torf und haben auf einer Fläche von fünf mal fünf Metern den Rasen abgetragen und an einer Stelle ein Loch von etwa einem Meter Tiefe gebuddelt.

"Der Torf liegt hier überall fast direkt unterm Rasen", erklärt der eine von ihnen und setzt sein Winkeleisen an. Er stößt das Metall in das feuchte Erdreich und hebt mühelos ein Torfstück in der Form eines Ziegelsteines empor. Sein oben stehender Kollege packt mit beiden Händen zu und befördert den Torf auf eine hölzerne Schubkarre. Wenige Meter weiter hat er schon mehrere Dutzend solcher sogenannter "Torf-Ziegel" zum Trocknen auf den Rasen gelegt.

In diesem entlegenen Winkel Pommerns hatte man schon früher kein Geld, dafür viel Zeit. Warum also etwas für Kohle oder Holz ausgeben, wenn man sich selber mit Torf als Heizmaterial versorgen konnte? Das Torfstechen begann Anfang Mai und dauerte üblicherweise etwas mehr als zwei Wochen, oft waren es 16 Tage.

Jeder Arbeitstag endete für die Helfer mit einem Fest und einer Mahlzeit beim Bauern. Zum Ausklang des Torfstechens gab es ein großes Fest mit Tanz und Musik: die "Schwarze Hochzeit". Ein Begriff, der zugleich für die vorangegangene Plackerei verwendet wurde.

Die Kenner unterscheiden verschiedene Sorten Torf, wobei der "Teertorf" nach Meinung der Einheimischen zweifelsfrei der hochwertigste ist. Die Dicke der Lagen variiert zwischen einem und zehn Metern, zum Abbau verwendet man Hacken, Spaten und einen speziellen Metall-Winkel, mit dem man den Torf in Ziegelform quasi herausschneiden kann.

Auf dem rund zehn Hektar großen Freilichtmuseum Klucken befinden sich heute etwa 20 Objekte, darunter sieben Bauernhöfe, ebenso viele kleine Viehställe, zwei Scheunen, ein Bootslager und Fischergeräte sowie eine Fischerhütte und eine Räucherkate.

Der eine Teil der Bauernhäuser zeigt das Leben in der Zeit zwischen 1800 und 1930, der zweite ist schon vom Standard der Jahre 1930 bis 1960 geprägt - das heißt der Fußboden ist fest und gerade, die Deckenbalken sind unsichtbar gemacht, und Wecker, Nähmaschine und Radio künden von den technischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts.

Wer aber waren die Bewohner der Hütten? - Der polnische Reiseführer ist sich sicher: Eigentlich seien die hier heimischen Kaschuben Polen, die durch die "Germanisierung" die deutsche Sprache und Kultur angenommen hätten.

In der offiziellen Museumsbroschüre wird es so dargestellt: Im Mittelalter bildeten die Kaschuben die "Übergangsbande zwischen den polnischen und westpommerschen Dialekten". Die ins Land strömenden deutschen Siedler verdrängten sie immer weiter nach Osten. Zuerst wurden die Städte "germanisiert", später die Dörfer.

Die Reformation führte zu einer Spaltung der Kaschuben in einen protestantischen Teil - die späteren sogenannten "Slovinzen" - und einen größeren katholischen. Im 19. Jahrhundert wurden die deutsche Schule und Kirche ein "zusätzlicher Faktor der Germanisation (sic!)". Im Gegenzug sei der Gebrauch des Polnischen von der Kirche verboten worden. Trotz des Widerstandes der Slovinzen und des Beharrens auf ihrem Dialekt verschwand dieser Anfang des 20. Jahrhunderts, so die Museumsbroschüre.

Fest steht: In den Kluckener Häusern der Familien Klick, Kirk, Czirr und Ruch finden sich deutsche Aufschriften wie "Feinster Speise-Essig" und "Weizen" oder auch Bibelzitate auf Deutsch. Dagegen gibt es keine sichtbaren Hinweise auf den Gebrauch einer anderen Sprache. Urkunden über den Dienst in der preußischen Armee oder der kaiserlichen Marine zeugen zudem von der Loyalität der Dörfler zu ihrem Staat. Diese Loyalität war es auch, die nach dem Zweiten Weltkrieg für die in diesem Teil Pommerns lebenden Kaschuben schwere Folgen haben sollte.

So hängt in einem Kluckener Haus eine Urkunde des Stolper "Rates der Repatrianten" von 1947, in der Wilhelm Klick aufgefordert wird, sein Haus zu räumen und an einen Umsiedler aus Wilna zu übergeben. Rund 70 Prozent der von heute auf morgen hierher verfrachteten polnischen Zuzügler kamen aus dem Litauischen. Die Museumsbroschüre spricht von einem "Zusammenstoß der Kulturen" in Klucken nach 1945: "Gerade in diesem Gebiet (...) war das Zusammenleben manchmal, der Geschichte wegen, nicht nur schwierig, sondern auch peinlich."

Zwar wurden "bloß" einige alteingesessene Familien aus ihren Häusern geworfen, doch praktisch alle anderen verließen angesichts der "peinlichen" Drangsalierungen durch die Polen in den Nachkriegsjahren unfreiwillig die Heimat gen Westen. Bald waren - ausgedrückt in der dümmlich nationalistischen Sprache der Reiseführer - alle Slovinzen "verzogen"; in ihren reetgedeckten Häusern wohnten nun polnische "Pioniere".

Die meisten Besucher des Dorfes werden sich kaum Gedanken über die Widersprüche und historischen Verwerfungen machen, die hinter solch schönfärberischen Umschreibungen der Vertreibung stecken.

An diesem Maitag hören sie lieber den Musikanten zu, die mit angeblich kaschubischen Weisen, der "Erzählung vom masurischen Reiter" und polnischen Trink- und Spottliedern zum Tanz aufspielen. - Ob sich die Familien Klick und Jost wohl in diesen Liedern wiedererkannt hätten? Man darf es bezweifeln.

Museum Wsi Slowinskiej w Klukach (Museum des slovinzischen Dorfes Klucken) , PL 76-214 Smoldzino, Tel. und Fax 0048 - 59 - 846 30 20. Das Museum ist in der Saison (15.5-15.9.) täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, montags von 9 bis 16 Uhr; die "Schwarze Hochzeit" findet immer Anfang Mai statt, meist am ersten Sonntag.