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01.06.02 / Frankreich erwartet bürgerlichen Wahlsieg

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juni 2002


Frankreich erwartet bürgerlichen Wahlsieg
8.400 Kandidaten bewerben sich um 577 Sitze in der französischen Nationalversammlung
von Pierre Campguilhem

Am 9. dieses Monats findet in Frankreich der erste Gang der Parlamentswahlen statt. Eine Woche später, am 16. Juni, werden die Stichwahlen folgen. Nachdem schon beim ersten Gang zu den Präsidentschaftswahlen am 21. April 16 Kandidaten angetreten waren, bleibt die politische französische Landschaft auch weiterhin von einem hohen Maß an Zersplitterung gekennzeichnet. So bewerben sich nach Angaben des französischen Innenministeriums 8.400 Kandidaten für 577 Sitze. Das Wahl-

recht sieht vor, daß am zweiten Wahlgang nur die Kandidaten teilnehmen dürfen, die beim ersten Wahlgang von mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten des Wahlkreises gewählt worden sind. Das bedeutet, daß in rund 200 Wahlbezirken drei Kandidaten zur Stichwahl stehen dürften, denn es wird geschätzt, daß in knapp 200 Bezirken der jeweilige Kandidat der "Front National" den erforderlichen Stimmenanteil erhält. Nicht aus- zuschließen ist auch, daß die Trotzkisten sich in rund 20 Wahlbezirken im Norden und Osten Frankreichs beim zweiten Wahlgang zur Wahl stellen könnten. Das würde die traditionelle Linke in Schwierigkeit bringen.

Obgleich die französischen Linken alles tun, um eine neue Kohabitation herbeizuführen, und nach Angaben des Auslandssenders "Radio France International" 30 Prozent der Wahlberechtigten beim Redaktionsschluß noch nicht wußten, für welche Partei sie stimmen werden, wagt der konservative "Figaro" die Vermutung, daß die Bürgerlichen nach dem zweiten Wahlgang über eine absolute Mehrheit im Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung, verfügen werden. Grundsätzlich sind die Bürgerlichen bei dieser Wahl in zwei Lager gespalten. Die meisten Anwärter ringen unter der Fahne der "Union pour la Majorité Présidentielle" (Verein für die Mehrheit des Staatspräsidenten); die anderen unter jener der "Union pour la Démocratie Francaise". Unter diesen beiden Benennungen verbergen sich die Lager der Chiracianer und der Giscardisten, obschon der Altstaatspräsident Giscard d'Estaing unlängst angekündigt hat, er verzichte auf eine erneute Wahl in die Nationalversammlung, wobei sicherlich europapolitische Gründe eine maßgebliche Rolle spielen.

Im bürgerlichen Lager haben die Politstrategen nicht verhindern können, daß in 100 Bezirken Chiracianer und Zentristen von Francois Bayrou in offenen Kampf geraten werden. Unter solchen Umständen ist es nicht erstaunlich, daß diese Wahl die Franzosen stark interessiert, obwohl die staatlichen Radiosender lieber von den Vorbereitungen zur Fußballweltmeisterschaft als von den Ungewißheiten an der Seine ihren Zuhörern berichten. Das Demoskopie-Institut IPSOS schätzt, daß mehr als achtzig Prozent der Wahlberechtigten an diesen Parlamentswahlen in-teressiert sind.

Der Linken ist es nach langwierigen Verhandlungen gelungen, in 170 Wahlbezirken eine gewisse Einheit zu bekunden, so daß ihr Erfolg alleine schon deshalb zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Nach Presseberichten hat der Präsident der Französischen Republik, Jacques Chirac, die Minister der Regierung Raffarin angewiesen, sich konziliant zu geben und keine waghalsigen Initiativen zu unternehmen. Gegenwärtig setzen die Bürgerlichen alles daran, die bevorstehenden Parlamentswahlen zu gewinnen.

Dem Vorteil, daß - zumindest laut IPSOS - die Rechten auf den Feldern Wirtschaft und innere Sicherheit als glaubwürdiger denn die Linken gelten, steht das Handikap gegenüber, daß gemäß derselben Meinungsumfrage die Linke den Bürgern fähiger erscheint, die sozialen Unterschiede zu vermindern. Alles in allem glaubt eine Mehrheit der von IPSOS Befragten, die Bürgerlichen dürften die Wahl gewinnen.

Ob der Sieger vom 16. Juni fähig sein wird, in Frankreich neue Arbeitskämpfe zu vermeiden, ist eine ganz andere Frage. Gegenwärtig sehen die Wirtschaftszahlen jedenfalls nicht gut aus. So dürften die Investitionen in die Industrie im laufenden Jahr nied-riger ausfallen als im letzten.