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08.06.02 / "Der Antisemitismus-Vorwurf ist besonders nützlich"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juni 2002


"Der Antisemitismus-Vorwurf ist besonders nützlich"
Die Affäre der Freien Demokraten in Deutschland vom Nachbarland Österreich aus betrachtet
von R. G. Kerschhofer

Wie wirken die FDP-Turbulenzen im Ausland? Die Meinungs-Mafia kann zufrieden sein: Denn in weiterer Ferne fühlt man sich bestätigt in der aus Kriegs-Propaganda, Hollywood-Kitsch und Holocaust-Industrie abgeleiteten Gleichung "deutsch = Nazi". Wo die FDP bekannt ist, trägt sie jetzt das Etikett "Antisemitismus". Und selbst in Österreich können wohl nur wenige sagen, was der Auslöser war, oder gar, wer was sagte und warum das antisemitisch zu sein hat. Fakten und Argumente sind also durchaus entbehrlich, solange man sich auf Unwissen und Halbwissen stützen kann.

Besonders deutlich zeigt sich das an dem manipulativen Unterfangen, FDP und FPÖ gleichzusetzen - zu beider Schaden. Tatsächlich läßt sich neben der Namensähnlichkeit auch eine funktionale Parallele feststellen - allerdings nur, wenn man die bisherige FDP mit der FPÖ vor Haider vergleicht: Zwei wohlgelittene Fünf-Prozent-Parteien, die als Mehrheitsbeschaffer dienen und deren Spitzen sich mit Ministerpfründen abfinden lassen. Während aber die FDP nach beiden Seiten ihre Gunst verschenkte, unterstützte die FPÖ nur die SPÖ, nämlich informell 1970-71 die Minderheitsregierung Kreisky, und 1983-1987 (nach Kreisky) auch als Koalitionspartner der SPÖ.

Die FPÖ hatte neben dem liberalen immer auch einen nationalen Flügel. Ihren rasanten Aufstieg verdankt sie jedoch dem Einbruch in traditionelle Wählerschichten der SPÖ - daher die maßlosen Anfeindungen! Woher Westerwelle seine 18 FDP-Prozente holen will, spielt eigentlich keine Rolle: Allein die Ankündigung ist Grund genug für Sperrfeuer, und hätte sich nicht die Affäre Karsli an-

geboten, wäre eben eine andere Mücke zum Elefanten gemacht worden.

Kreisky, Jude von Geburt, hatte kein Problem damit, vier vormalige NSDAP-Mitglieder zu Ministern - und Arafat hoffähig zu machen. Wer aber als Nicht-Marxist nationale Anklänge weckt oder gar mit Arabern Kontakt hat, wird automatisch zum Nazi und Antisemiten. Der Antisemitismus-Vorwurf ist besonders "nützlich", weil - wie bei Hexenprozessen - der Gegenbeweis unzulässig bleibt. Und ein erfolgreich aufgebautes Feindbild, mit dem sich alle abspeisen lassen, um nicht selber auf dem Scheiterhaufen zu landen, werden die Unversöhnlichen niemals aufgeben.

Haider scheint das erst in jüngster Zeit voll begriffen zu haben, denn seine zahlreichen und vielfältigen Versuche, mit der "Ostküste" - oder wie immer man dies politisch korrekt umschreiben soll - ins Reine zu kommen, sind absolut fruchtlos geblieben. Andere FPÖ-Politiker wollen nach wie vor nicht wahrhaben, daß Wohlverhalten nicht belohnt, sondern nur ausgenutzt wird. Und auch die ÖVP gibt sich mancher Selbsttäuschung hin: Denn der oft demonstrative Philosemitismus vermag nichts daran zu ändern, daß gegen ChristlichSoziale bei Bedarf jederzeit der "christliche Antisemitismus" aus der Mottenkiste geholt werden kann.

Falls es den alten Transatlantikern in der FDP nicht gelingen sollte, die Partei aufs allseits genehme Fünf-Prozent-Format zurückzuliberalisieren und der Union den Koalitionspartner zu nehmen, werden Westerwelle und Co. - aber auch Stoiber - noch ihre Wunder erleben. Da nützt es gar nichts, wenn Möllemann Haider einen "politischen Rattenfänger" nennt und damit wortwörtlich das SPÖ-Vokabular benutzt. Die wechselseitige Abgrenzerei aller Rechten wird von anderen nur mit Hohn quittiert. Und Westerwelles Israel-Besuch war noch überflüssiger als der von Joschka Fischer: Denn Fischer konnte immerhin dadurch, daß er von Sharons Politik abzulenken half, auch von der eigenen Vergangenheit ablenken und ein Ehrendoktorat kassieren.

Der Fall Karsli selber ist in mehrfacher Hinsicht lehrreich: Sicher darf jeder die Gesinnung wechseln. Wer aber samt Mandat die Partei wechselt, ist ein Überläufer - und wie heißt es so treffend: Die Welt liebt den Verrat, doch nicht den Verräter! Auch soll es schon Trojanische Pferde gegeben haben. Und außerdem wird offenkundig, daß mit Einbürgerungen auch Kriege und Bürgerkriege importiert sowie Loyalitäten relativiert werden.

Die Reaktionen auf Karsli und Möllemann lassen zudem interessante Fragen aufkommen: Kann ein Araber Antisemit sein? Kann ein Jude den Antisemitismus anheizen? Dürfen Nazi-Methoden (etwa das Eintätowieren von Häftlingsnummern) nur dann so bezeichnet werden, wenn sie in Nazi-KZs erfolgten? Kann Kritik an einer ausländischen Regierung Antisemitismus sein? Können Funktionäre einer Religionsgemeinschaft solche Kritik verdammen, ohne durch ihre Fernseh-Allgegenwart samt eigener Claque die Vorwürfe Karslis zu bestätigen? Und wie steht es da mit Loyalitäten? Und warum erntet ein CDU-Führungsmitglied am SPD-Parteitag so viel Beifall?

Entscheidend aber: Dürfen solche Fragen ehrlich beantwortet werden?