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08.06.02 / Persönlichkeiten geehrt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juni 2002


Persönlichkeiten geehrt
Menzel in der Adressenkunst des 19. Jahrhunderts

Werke von Adolph von Menzel (1815-1905) sind vom 12. Mai bis 7. Juli in der Galerie im Forum Alte Werft im niedersächsischen Papenburg zu sehen. Sie stammen aus dem Essener Folkwang Museum und umfassen 100 Blätter eines Graphikzyklus des großen Realisten aus Breslau. Kenner schätzen den Künstler vor allem als Darsteller preußischer Geschichte, aber auch als Schilderer des Großstadtlebens und des bürgerlichen Alltags seiner Zeit. Mit seinen auch kritischen Beobachtungen gilt er als Wegbereiter der Moderne. Daß Menzel, der Realist, sich auch mit der Darstellung von Allegorien, also der bildlichen Darstellung eines abstrakten Begriffs, beschäftigte, wird viele erstaunen. In einem im Verlag Dietrich Reimer, Berlin, erschienenen Buch untersucht Christina Grummt die Allegorie in der Adressenkunst des 19. Jahrunderts und stellt die von Adolph von Menzel in Aquarell und Deckfarben ausgeführten Adressen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen: Adolph Menzel - Zwischen Kunst und Konvention (383 Seiten mit 100 sw Abb., brosch., 49,90 E).

Die Adressenkunst ist heute längst in Vergessenheit geraten. Im 19. Jahrhundert waren es vor allem Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die zu besonderen Anlässen, etwa einem Geburtstag oder Jubiläum, mit einer Glück-wunschadresse geehrt wurden. "Bemerkenswert an einer Adresse als Kunstwerk", so Christina Grummt, "ist ihr persönlicher Charakter, der auf zweierlei Wei-se sichtbar wird. Zum einen ist die Adresse aufgrund ihrer erfolgten Übergabe an den Adressaten durch eine Deputation ein ,persönlich überreichtes Schriftstück'. Zum anderen gehört die Adresse zu den wenigen künstlerisch gestalteten Arbeiten, die ausschließlich für eine Person angefertigt wurden." In einer Adresse finden sich somit auch viele persönliche Details aus dem Leben des Geehrten, die der Künstler erst einmal kennen muß. Besonderes Einfühlunsgvermögen ist da zweifellos gefragt. Darüber hinaus ist im Nebeneinander von Wort und Bild auch besonderes Geschick erforderlich.

Wenn auch die Adressen Menzels weitgehend unbekannt sind, so kann man sie hin und wieder dennoch auf Ausstellungen sehen. Der Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für Otto von Bismarck, den Menzel 1872 gestaltete, ist sogar in der ständigen Ausstellung des Bismarck-Museums in Friedrichsruh bei Hamburg zu bewundern. Auch hier hat Menzel die Schriften in den wichtigen Teilen selbst ausgeführt. Gold verlieh der Adresse schließlich einen besonders feierlichen Charakter. Der Katalog führt 10 Adressen Menzels auf - nur ein Bruchteil der von ihm geschaffenen Blätter. Das Verdienst der Autorin liegt jedoch zweifellos einmal darin, diese Kunstgattung in das Bewußtsein der Kunstfreunde geführt und zum anderen das hohe Niveau Menzelscher Adressenkunst gezeigt zu haben. o-n