28.03.2024

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08.06.02 / Der gekörte Ziegenbock

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juni 2002


Der gekörte Ziegenbock
von Charlotte Gardeick

Der Bürgermeister Saunus in Schakuhnen hatte im Viehstall einen gekörten weißen Ziegenbock, der Max genannt wurde. Einige Bewohner des Dorfes hielten Ziegen als nützliche Haustiere. So auch meine Großeltern väterlicherseits in Perkuhnen. Sie hatten auf ihrem kleinen Anwesen zwei Ziegen. Die Milch wurde zu Butter und Käse verarbeitet. Ab und zu mußten die zwei Ziegen für Nachwuchs sorgen. Sie wurden zu Max gebracht, der diesen Besuch zu schätzen wußte.

Hinter dem Hausgarten, auf der Wiese, war Max im Sommer an einer langen Kette ange-pflockt. Da hatte er den ganzen Tag reichlich zu fressen. Immer an der Kette, das gefiel ihm nicht so. Oft hatte er sich vom Halsband befreit und streifte durch das Dorf. Für die Kinder war er im Dorf der Kinderschreck. Wenn die Schule aus war, wurde erstmal geschaut, ob Max irgendwo in Sicht war. Mich hat er einmal erwischt. Ich bekam seine Hörner so heftig zu spüren, daß die Tränen kullerten. Mir fehlte die Kraft, ihn abzuwehren. Ein Mann kam zufällig des Weges und befreite mich von Max. Er packte ihn bei den Hörnern, und mit einigen Hieben wurde er vertrieben. Als Erinnerung an diese Begegnung mit Max behielt ich ein paar blaue Flecken.

Nach der Schule ging ich oft erst zu den Großeltern und dann den kurzen Weg zum Elternhaus. Die Großeltern besaßen einen kleinen Bauernhof am Ende des Dorfes, an der Chaussee nach Schudereiten. Max war mal wieder unterwegs und hatte mich auf dem Weg dahin entdeckt. Ich sah ihn immer näher kommen und lief, so schnell ich konnte. Glück-lich landete ich in der Veranda und ging ins Haus. Max aber war auch schon angekommen. Er war neugierig, stellte seine Vorderbeine auf das Fenstersims des Küchenfensters. So erhoffte er sich, mich zu sehen. Ich konnte ihn aus sicherer Entfernung durch den kleinen Spalt der Küchentür gut beobachten. Meine Angst war nun vorbei. Der Großvater kam und hat ihn schließlich vom Hof getrieben.