25.04.2024

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Suchen und finden
08.06.02 / Die ostpreußische Familie extra

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juni 2002


Die ostpreußische Familie extra
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied und Freunde unserer Ostpreußischen Familie,

heute wieder eine Extra-Familie, die eigentlich schon längst überfällig ist, aber einige Unklarheiten mußten noch beseitigt werden, ehe wir jetzt auf die große Suche gehen können. Es ist wieder ein geballtes Bündel Hoffnung, denn die meisten Schreiben beginnen: "Nur die Ostpreußische Familie kann noch helfen, denn wir sind immer wieder erstaunt und überrascht über die Ergebnisse und Erfolge der Suchfragen." Ach, wenn sich doch wenigstens einige Wünsche wieder erfüllen würden!

Und besonders für zwei Frauen aus Litauen, die ganz unterschiedliche Wünsche haben. Die eine - Litauerin von Geburt - sucht einen Deutschen, der als Sechsjähriger nach Litauen kam, später ausgewiesen wurde und von dem sie nur den Vornamen weiß. Die andere, ein Königsberger Kind, sucht Angehörige oder Bekannte ihrer Familie.

Beginnen wir gleich mit der Letzteren. Sie heißt Frieda Kirai und wurde etwa 1937 in Königsberg geboren. Ihr Vater Friedrich Kirai war Eisenbahner, Geburtsort und Datum unbekannt. Die Mutter muß etwa 1914 geboren sein. Frieda Kirai kann sich noch an einen Onkel Hans erinnern, der auf dem Königsberger Schlachthof arbeitete. Er war gehbehindert, die Schäden am rechten Bein stammten wahrscheinlich von einer Verwundung aus dem Ersten Weltkrieg. Das siebenjährige Mädchen ging zusammen mit der Großmutter auf die Flucht, die irgendwo in Polen verstarb. Nach Kriegsende nahm eine unbekannte Frau die Enkelin der Verstorbenen nach Litauen mit, wo sie heute noch lebt, nun unter dem Namen Galina Kiraite. Über ihren Lebenslauf schreibt sie nichts, nur, daß sie endlich wieder ihre richtige Familie finden möchte. Wo und wann die Eltern vermißt oder verstorben sind, ist unbekannt. Aber sie hofft, daß sich andere Angehörige, ehemalige Nachbarn oder Freunde der Familie Kirai aus Königsberg melden. Damit würde der heute in Marijampole wohnenden 65jährigen ein Lebenswunsch erfüllt werden. (Zuschriften an ihren Sohn Arturas Kiras, V. Kreves pr. 111a-21 in 3041 Kaunas, Litauen.)

Nun zu dem Suchwunsch der Litauerin, der mir von Brigitta Kasten übermittelt wurde. Justina Akromiene lebt ebenfalls in Marijampole. Sie sucht einen Deutschen, der als sechsjähriger Junge von ihren Schwiegereltern Pranzischka und Juozas Akromai aufgenommen wurde, als er bettelnd mit zwei anderen Kindern durch Litauen zog. Er wurde Rüdgis genannt, wahrscheinlich lautet sein richtiger Name Rüdiger. Die Familie Akromai, die damals im Dorf Turiskiai an der Krosna Mühle wohnte, hatte selber drei Kinder: Algirdas, Stase (Stefanie) und Kestutis. Rüdgis lebte dort sechs Jahre, arbeitete kurzfristig bei einem anderen Bauern, kehrte aber zu der Familie Akromai zurück, denn dort wurde er - vor allem von der Mutter - sehr geliebt. Dann begannen die Russen, die deutschen Kinder zu suchen, um sie auszuweisen. Rüdgis wurde nach Marijampole gebracht, aber Tochter Stase hat ihn einen Tag später dort nicht mehr gefunden, er war bereits abtransportiert. Tatsächlich ist Rüdgis nach Deutschland gekommen, denn er hat sich mit einem Brief bei der litauischen Familie gemeldet, aber leider nicht seine Adresse angegeben. Immer haben die Pflegeeltern gehofft, noch einmal ein Lebenszeichen von dem ihnen ans Herz gewachsenen Jungen zu bekommen, leider vergeblich. Inzwischen sind sie verstorben, auch der älteste Sohn Algirdas, aber Stase und Kestutis leben noch. Sie und Justina bitten uns nun, nach Rüdgis zu suchen. Sie möchten so gerne etwas von ihm hören. Bleibt nur zu hoffen, daß er diesen Suchwunsch liest oder Leser wissen, wo der Gesuchte lebt. (Meldungen bitte an Brigitte Kasten, Bachstraße 10 in 30989 Gehrden.)

"Eigentlich war bei uns schon längst der Zeitpunkt erreicht, wo man sich sagt, daß es sowieso wenig Sinn hat, noch weitere Nachforschungen zu betreiben", schreibt Peter Prothmann aus Halberstadt. Und man kann ihn auch verstehen, denn er hatte nach der Wende - bis dahin war es ja nicht möglich! - alle in Frage kommenden Institutionen angeschrieben, leider ohne Erfolg. Aber nun schöpft er einen Funken Hoffnung, denn eine Ostpreußin, die durch unsere Familie schon einmal Erfolg gehabt hat, riet ihm, sich an uns zu wenden.

Der Vater: Josef Prothmann, geboren am 17. 7. 1907 in Hirschfeld, wird seit Januar 1945 vermißt. Er war zu dieser Zeit Sanitäter im Reservelazarett am Langsee in Allenstein. Seine Einheit war die Sanitätsstaffel 11 der Allensteiner 11. Infanteriedivision. Wurde das Lazarett vor der Kapitulation der Allensteiner Garnison am 22. Januar 1945 verlegt und wohin? Können ehemalige Kameraden oder Verwundete darüber Auskunft geben? Vielleicht weiß noch jemand vom "Kameradenkreis der Angehörigen der ehemaligen 11. Infanteriedivision" etwas zu berichten?

Der Schwiegervater: Erich Hömpler, geboren am 10.10.1908 in Königsberg, gilt seit dem 26.3.1945 als vermißt. Kurz zuvor war sein Standort Fliegertechnische Schule 6, 4. Kompanie in 13a Bayreuth 1. Der letzte Feldpostbrief kam aus Eschwege mit Datum vom 26. 3. 1945 und dem Absender Feldwerft.-Ersatz. Abteilung, 1. Kompanie, 16. Eschwege. In ihm stand unter anderem: "Man sagt, von hier kommt alles zur Infanterie!" Alle Nachforschungen über seinen Verbleib - auch über die WAST, die Militärarchive Berlin und Freiburg, die Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle Aachen und den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - blieben erfolglos. Das Ehepaar Peter (geboren 1938 in Braunsberg) und Leonore (geboren 1939 in Allenstein) Prothmann wäre in beiden Fällen über jeden noch so kleinen Hinweis dankbar (Peter Prothmann, Gartenstadt 28 in 38820 Halberstadt).

Es ist schon manchmal unfaßbar, wieviel tragische und ungelöste Schicksale ein einziger Brief enthält. Es geht um die Familie von Erwin Feige, geboren 1935 in Tilsit. Frieda und Franz Saparautzki aus Großwingen, Kreis Elchniederung, Eltern seiner Mutter Elly, flüchteten Hals über Kopf Anfang Januar 1945 mit einem Pferdefuhrwerk und wurden bei Elbing von den Russen gefangen genommen. Zu dem Treck gehörten seine Urgroßmutter Kebbedies, die noch unverheirateten Schwestern seiner Mutter Liesbeth, Lucie und Ruth Saparautzki und deren verheiratete Schwester Grete Wisbar mit ihrem zweijährigen Töchterchen Brita. Oma Kebedies soll sich selber das Leben genommen haben, Liesbeth wurde von den Russen nach Tscheljabinsk im Ural verschleppt, die damals 13jährige Lucie wurde mehrmals vergewaltigt und blieb dann verschwunden. Überlebt haben nur Ruth und die damals zweijährige Brita, nun verheiratet in Heiligenhafen. Auch im Namen von Ruth, die heute Dötter heißt und in Schierling lebt, möchte Herr Feige unsere ostpreußische Familie fragen, ob es noch Zeitzeugen gibt, die auch zu dem Treck aus Großwingen, Kellminen und Auerfließ gehörten, mit dem sie Richtung Elbing flohen und wohl auch zurück in die Heimatorte kehrten? In Zusammenhang mit Liesbeth sind einige konkrete Namen zu nennen: Sie erwähnte in einem Brief, den sie im September 1946 aus einem sibirischen Lager mit 350 Frauen und 300 Männern schrieb, die Mitgefangenen Martha und Gertrud Abromeit aus Finkenhof bei Gerhardswalde, Kreis Elchniederung, und Herta Bulusuß (oder ähnlich) aus Demmen. Vielleicht gelingt es wirklich, die Schicksale der Angehörigen von Herrn Feige zu erhellen, wie er hofft. (Erwin Feige, Am Karbel 52 in 09116 Chemnitz.)

Die Suche nach Vermißten ist dann besonders schwierig, wenn es sich um Frauen handelt, die damals noch Kinder oder Mädchen waren und heute einen anderen Namen tragen. Da nützt auch keine Suche im Internet, in das sich jeden Sonnabend Marion Enkelmann aus Zwickau einklickt, um unsere Ostpreußische Familie zu lesen und mitzuhelfen, Fragen zu klären. Nun wendet sie sich selber an uns und bittet um Mitsuche. Die führt in das Heimatdorf ihrer Großmutter Seehausen (Schorschinehlen), Kreis Ebenrode. Dort lebten die Urgroßeltern Friedrich Asmus und Wilhelmine, geb. Kurbjuhn, mit ihren Kindern Franz, Fritz und Minna. Wilhelmine verstarb 1914, Friedrich Asmus soll nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft in den 20er Jahren eine sehr viel jüngere Frau, eine Kellnerin, geheiratet haben und aus Seehausen fortgezogen sein. Aus dieser Ehe stammen mehrere Töchter - und diese oder ihre Nachkommen sucht Frau Enkelmann jetzt. Außerdem sucht sie noch eine andere Familie aus Seehausen, die dort bis zur Flucht wohnte. Es handelt sich um Fritz Kurbjuhn und seine Ehefrau Anna, geb. Steinleger. Sie sollen fünf Kinder - ebenfalls Mädchen - gehabt haben. Beide Familien, Asmus und Kurbjuhn, müßten auf Gut Puspern gearbeitet haben, zu dem das Vorwerk Seehausen gehörte. (Marion Enkelmann, Bertolt-Brecht-Straße 12 in 08060 Zwickau.)

Auch beim nächsten Suchwunsch spielt die Namensfrage eine Rolle. Ingrid Thonert, geb. Schwarz, möchte endlich ihre ostpreußischen Verwandten finden. Ihr Vater Hermann Schwarz wurde 1900 in Skurpien, Standesamt Borchersdorf, geboren. Seit August 1944 wird er in Lettland vermißt. Er hatte einen Bruder Fritz Schwarz, der, ebenfalls in Skurpien geboren, mit seiner Familie in Osterode lebte. Dort war Fritz Schwarz Leiter des Schlachthofes. In dieser Funktion wurde er bei Kriegsende ermordet. Seine Witwe Ottilie Schwarz soll mit ihren sechs Kindern erst im Winter 1946/47 die Heimat verlassen und im Westen eine neue Bleibe gefunden haben. Frau Thonert sind nur die Namen von zwei Töchtern bekannt: Die älteste, Erna, soll später den Ehenamen Babst getragen haben, eine weitere Tochter hieß Edeltraud. Vielleicht helfen diese wenigen Angaben, Angehörige der Familie Schwarz zu finden. (Ingrid Thonert, Bertolt-Brecht-Straße 20/1208 in 18106 Rostock.)

Erika Worm meint, sie sei zwar "nur" eine angeheiratete Ostpreußin, da sie aber 54 Jahre mit einem Rastenburger verheiratet war, ist sie mehr als das. Denn sie blieb nach seinem Tode eine treue Leserin des Ostpreußenblattes ("weil es die beste Zeitung ist, die derzeit existiert"), und konnte auch schon bei einem Suchwunsch sehr erfolgreich helfen. Jetzt vermittelt sie uns die Bitte der Schwester ihrer Freundin, die eine ehemalige DRK-Schwester vom Marinelazarett Pillau sucht. Dort war auch die Suchende, Mathilde Ott, geb. Linde, tätig, die wegen einer Schwangerschaft schon vor Kriegsende in ihre thüringische Heimat zurückging. Ihre Kollegin, die damalige Labor- und Röntgenschwester Ilse Weiß, geb. Schikoronski, blieb in Pillau. Sie stammte von einem großen ostpreußischen Bauernhof und war mit einem etwa 15 Jahre älteren Marine-Baurat verheiratet. Frau Otto hofft, daß Frau Weiß noch lebt, sie müßte heute 81 Jahre alt sein. Vielleicht kann auch jemand etwas über ihr Schicksal aussagen. (Mathilde Ott, Straße des Fortschritts in 04565 Regis-Breitingen.)

Vermittler eines Suchwunsches ist auch unser Leser Herbert Wiegratz, der helfen will, daß ein geborener Tilsiter seine Geschwister findet. Das wird nicht leicht sein, denn Siegfried Wenzloweit kann so gut wie keine Angaben zu seinen drei Schwestern und dem älteren Bruder machen, denn er war als Jüngster erst knapp fünf Jahre alt, als sie getrennt wurden. Der kleine Siegfried befand sich Anfang 1945 in einem Kindergarten in Tilsit, als er bei einem Bombenangriff zusammen mit anderen Kindern verschüttet wurde. Sie wurden aus den Trümmern befreit und von sowjetischen Soldaten in ein Tilsiter Lazarett gebracht. Danach war Siegfried Wenzloweit bei einer Frau Falk in Pflege und ist mit dieser Anfang 1945 nach Thüringen gekommen. Dort war das Kind in mehreren Heimen, zuletzt in Stadtroda. Herr Wenzloweit hat nie die Hoffnung aufgegeben, seine Geschwister zu finden. Vielleicht geschieht ja hier ein spätes Wunder. (Zuschriften bitte an Siegfried Wenzloweit, Pausaer Straße 80 in 07937 Zeulenroda, oder an Herbert Wiegratz, Altenburger Straße 37 in 36304 Alsfeld.)

Immer wieder berühren mich Briefe, in denen nach dem leiblichen Vater gesucht wird - nicht aus vermeintlichen Erbschaftsgründen, sondern um etwas über ihn zu erfahren oder um wenigstens ein Bild von ihm zu bekommen. Denn oft hat die Mutter ihrem Kind die Auskunft verweigert, auch wenn der Vater bekannt war und sich um Tochter oder Sohn kümmern wollte. Wie im Fall von Ingeborg Fricke, geb. Dombrowski, geboren 1926 in Danzig-Landfuhr, deren Mutter sich stets über den leiblichen Vater ausschwieg. Alles, was die Tochter weiß, erfuhr sie von ihrer Tante: Daß der Vater den Namen Mertens trug, Zahnarzt in Danzig war, zwei Söhne hatte und mit seiner Familie nach Berlin-Weißeneck verzog. Der Vater wollte immer für seine Tochter sorgen, aber die Mutter lehnte ab. Als sie heiratete, wurde Ingeborg vom Stiefvater adoptiert und hieß nun Blumenau. Da sie keine Geschwister bekam, sehnte sie sich umso mehr nach ihren Halbbrüdern, aber es kam nie eine Verbindung zustande. Diese dürften nun auch schon in hohem Alter sein, aber die heute 76jährige wäre so glück-lich, etwas von ihren leiblichen Verwandten zu erfahren. (Ingeborg Fricke, Kirunastraße 19, 24109 Kiel.)

"Ich suche Kontakt zu Menschen, die einen Gustav Frenzel aus Deutsch-Wilten kannten und vielleicht sogar ein Foto haben. Er ist der Urgroßvater meiner Kinder, und wir wissen leider so wenig von ihm", so teilt uns Klaudia Rossow per Internet mit. Ihre Schwiegermutter Ursula wurde 1930 als Tochter von Lina Hinz und Gustav Frenzel geboren. Der Vater heiratete aber nicht die Mutter seiner Tochter, sondern eine andere Frau, die ihm zwei Monate nach Ursulas Geburt ebenfalls ein Kind gebar. Mit ihr soll Gustav Frenzel, der als Oberfeldwebel 1943 in Rußland fiel, sieben Kinder gehabt haben. Vielleicht besitzt noch einer dieser Nachkommen ein Bild von Gustav Frenzel, das sich die heute 72jährige so sehr wünscht, denn sie hat noch nie ein Foto ihres Vaters gesehen. Schwiegertochter Klaudia möchte ihr gerne diesen Wunsch erfüllen. Vielleicht klappt es über unsere Ostpreußische Familie? (Klaudia Rossow, Ostlandstraße 38 in 46325 Borken.)

Das war heute wieder eine Extra-Familie mit großen Suchfragen - in der nächsten berichte ich dann, was sich in und durch unsere Ostpreußische Familie alles getan hat. Denn dafür langt unsere Wochenspalte nicht - Landslied, Ihr werdet euch wundern.

Eure

Ruth Geede

Im zerstörten Königsberg verlieren sich die Spuren vieler Familien: Die brennende Stadt nach dem Angriff britischer Bomber im August 1944 Foto aus dem Buch "Ostpreußen in 1440 Bildern"