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22.06.02 / Ehrhards Thesen - kein Auslaufmodel  Anthologie der »Stimme der Mehrheit «über soziale Marktwirtschaft und Globalisierung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juni 2002

 
Erhards Thesen – kein Auslaufmodell 
Anthologie der »Stimme der Mehrheit «über soziale Marktwirtschaft und Globalisierung

Die „soziale Marktwirtschaft “ gilt – unabhängig vom Inhalt dieses Begriffs – heute als allgemein akzeptierte Wirtschaftsform und Garantie des deutschen Wohlstands. In Vergessenheit geraten ist zum Teil die freiheitliche Basis gerade dieses Modells, das von Ludwig Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg gegen erheblichen, zum Teil sozial motivierten Widerstand durchgesetzt wurde. Ludwig Erhard war Direktor der Verwaltung für Wirtschaft im Wirtschaftsrat der westlichen Besatzungszonen. Es gab seinerzeit die weit verbreitete Auffassung, dass Freiheit gegenüber dem „sozialen Frieden“ und einer daran orientierten „Gerechtigkeit “ nachrangig sei. Erhard wurde vorgeworfen, er treibe die Menschen in die Verzweiflung. Millionen würden auf Dauer vom Wettbewerb ausgeschlossen. Das seit der Französischen Revolution bestehende Problem, wie Freiheit und Gleichheit (aus deren sozialem Aspekt sich der Begriff von der „sozialen Gerechtigkeit “ ableitet) zueinander stehen, wurde durch Erhards Gegner praktisch durch eine Absage an die Freiheit gelöst. Der damalige wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Gerhard Heinrich Kreyßig, äußerte sich wie folgt: „Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Wirtschaft nur in Gang gesetzt werden könnte durch eine systematische Planung und durch eine ebenso systematische Lenkung aller notwendigen Bedarfsgüter in Deutschland.“ Erhard vertrat die Ansicht, dass Freiheit in einem Staatswesen nur unter strenger Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verwirklicht werden könne. Der einzelne Bürger müsse die Stärke haben, sich aus eigener Kraft bewähren zu können Aufgabe des Staates sei, ihn dazu in die Lage zu ver setzen. Nicht der all für sorgende Wohlfahrtsstaat entspricht diesem Ideal, sondern ein Gemeinwesen, welches sich so wenig als möglich um die Angelegenheiten seiner Bürger kümmert. Hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzpolitik schloss Erhard hieraus, dass der Staat den Bürgern so viel von ihrem Verdienst lassen müsse, dass sie ihre Existenz, ihr Schicksal und das ihrer Familien selbst zu gestalten in der Lage sind. Als die beste Sicherheit für ein künftiges Gelingen des demokratischen Projektes im Nachkriegsdeutschland galt für Erhard, wenn der einzelne Mensch zu dem Bewusstsein und der Gewissheit gelangt, dass er auf Grund seiner Arbeit sein Schicksal selbst gestalten kann. Einen Wohlfahrtsstaat, der den Bürgern alles abverlangt, um es ihnen dann „zurückzugewähren “, erschien ihm als Groteske.   Für Erhard waren Konsumfreiheit und Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung unabdingbar miteinander verknüpft. Dagegen zu verstoßen verstand er als ein Attentat auf unsere Gesellschaftsordnung. Demokratie und freie Wirtschaft gehören logisch ebenso zusammen wie Diktatur und Staatswirtschaft. Von dieser inhaltlichen Basis aus setzte er durch, was später als „soziale Marktwirtschaft “zumindest dem Worte nach allgemeiner Konsens in der Bundesrepublik Deutschland werden sollte. Die Situation heute unterscheidet sich erheblich von der der Nachkriegszeit. Seit langem hat kein Krieg mehr Tod und Zerstörung gebracht. Die Zeiten, in denen ein Unrechtsregime das Schicksal der Menschen bestimmte, sind vorbei. Dennoch steht unsere Gesellschaft vor enormen Herausforderungen. Geradezu symbolisch dafür stehen die hohe Arbeitslosigkeit sowie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Unternehmen. Wir müssen unsere Probleme bewältigen, soll unser Land eine Zukunft als freiheitliche Demokratie haben. Mit diesem Themenkreis setzt sich ein von Arnd Klein-Zirbes und Stefan Winckler herausgegebener Sammelband auseinander. Auf dessen inhaltliche Zielrichtung weist sein Titel hin: „Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft “. Roland Koch weist in seinem Vorwort darauf hin, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen diejenigen am meisten belohnen müssen, die am meisten und am wirtschaftlichsten arbeiten. Nur auf diese Weise könne die Arbeitslosigkeit verringert werden. Hans-Jürgen Mahlitz setzt sich mit der Globalisierung und ihren Folgen auseinander. Er weist darauf hin, dass global agierende kapitalstarke Großkonzerne Regierungen unter Druck zu setzen vermögen, sodass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ihrem Sinne gestaltet werden. Verlierer sind mittelständische Unternehmen, denen ein Bestehen im Wettbewerb vergleichsweise schwer gemacht wird. Für den Arbeitsmarkt ist dies eine Katastrophe, schaffen doch mittelständische Unternehmen den weitaus größten Teil der Arbeitsplätze in Deutschland. Dies bedeutet sicherlich nicht, den globalen Wettbewerb verhindern zu müssen. Aber es muss ein fairer Wettbewerb sein. Kann man Großkonzerne nicht stärker in die Pflicht nehmen, so bliebe als Option noch die Möglichkeit, die kleinen und mittleren Unternehmen durch konsequente Deregulierung und Steuersenkungen zu entlasten. Dass ein solches Vorhaben bei Intellektuellen, Medien und Bürokratie auf erheblichen Widerstand stieße, verdeutlichen die Beiträge von Roland Baader, Stefan Winckler und Joachim Schäfer. Es bleibt nicht bei einer kritischen Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Zustandes, im dritten Teil des Bandes stellen die Autoren beachtenswerte Überlegungen über die Zukunftssicherung an. Raimo Benger stellt das hessische Modell zur Entbürokratisierung der Verwaltung vor. Die Regierung Koch konnte bereits nach zwei Jahren drei Ziele umsetzen: Reduzierung der Staatsquote, Senkung des Personalkostenanteils sowie eine Beschränkung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung. Wenn solche Ziele auch auf Bundesebene und in anderen Ländern um gesetzt werden würden, käme dies der Wirtschaft und dadurch mittelbar dem Arbeitsmarkt sehr zugute. Unter den Autoren sind viele, die den Wiederaufbau in der Bundesrepublik sehr bewusst mit erlebten: Wilfried Böhm, die Professoren Klaus Hornung, Hans-Helmuth Knütter und Eberhard Hamer. Persönlichkeiten also, die sich bei der Leserschaft des Ostpreußenblattes schon lange einer hohen Wertschätzung erfreuen. Aber dieser Band wird auch durch die Generation der 89er mitgeprägt. Diese 30 bis 35jähri gen wie Arnd Klein-Zirbes, Karl Lincke, Sebastian Prinz, Andreas Schneider, Ronald Schroeder oder Stefan Winckler haben jenseits der anmaßenden 68er Generation und dem „Weiter so!“ der achtziger Jahre ihre politischen Werte und Einstellungen entwickelt. Sie vertreten die freiheitlichen und christlichen Grundzüge der sozialen Marktwirtschaft. Die Lesbarkeit der Beiträge leidet nirgendwo an verschlungenen Sätzen oder mit Fremdworten und Fußnoten vernageltem „Wissenschaftsdeutsch“. Dem Buch ist eine weite Verbreitung zu wünschen. Roland A. Richter

Arnd Klein-Zirbes und Stefan Winckler (Hrsg.):„Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft “. Aton Verlag,Unna,15,50 Euro.