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06.07.02 / Großmachtpolitik: Die neue Breschnew-Doktrin

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Juli 2002


Großmachtpolitik: Die neue Breschnew-Doktrin
Der Westen mißachtet das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Nein, Breschnew ist nicht auferstanden, nicht einmal die Sowjetunion. Doch "mutatis mutandis" - also bei Ersetzung austauschbarer Länder- und Personennamen durch neue - läßt sich erkennen, daß die Maxime von der "begrenzten Souveränität" wieder vielerorts zur Anwendung gelangt: Eine Hegemonialmacht bestimmt, wer anderswo die Regierung stellen darf und welchen Handlungsspielraum diese besitzt - ohne Rücksicht auf lokale Erfordernisse und Interessen.

Jüngstes Beispiel ist das vage Versprechen von Präsident Bush, der den Palästinensern für irgendwann in der Zukunft einen provisorischen Staat zubilligt - doch ohne Arafat, denn sonst gibt's kein Geld. Bush folgt damit exakt den "Wünschen" von Sharon, mit denen sich seltsamerweise auch die Europäer anzufreunden scheinen: Arafat soll fallengelassen werden. Nun, es mag schon sein, daß die organisatorischen Leistungen Arafats viele enttäuscht haben, auch die Palästinenser selber. Die Frage ist allerdings, ob es ein anderer besser gemacht hätte, ja es überhaupt hätte besser machen können angesichts der gegebenen Verhältnisse.

Eines muß hier festgestellt werden: Ein Volk ohne wirtschaftliche Existenzgrundlage ist auf Geldgeber angewiesen, und all diese verschiedenen Spender finanzieren jeweils ihre eigenen Gruppen und Grüppchen. Wer auch immer die Integrationsfigur Arafat ersetzt, wird also unausweichlich als Söldling der USA und Israels dastehen - ein wohlkalkulierter Plan zur Auslösung eines palästinensischen Bürgerkriegs.

In Afghanistan wurde bereits ein Präsident nach Maß installiert. Hamid Karsai mag zwar ein netter Mensch sein, zumindest vom Aussehen her, und vielleicht hat er auch Fähigkeiten, die über die eines Kriegsherren und Klan-Chefs hinausgehen. Aber seine Macht reicht nicht über das Schußfeld der nunmehr formell unter türkischem Oberkommando stehenden Interventionskräfte hinaus, und es ist mehr als zweifelhaft, ob die aus dem Westen erhaltenen Bestechungsgelder ausreichen, daß er sie zur allgemeinen Zufriedenheit "gerecht" weiterverteilen kann. Für die Unzufriedenen wird er somit unweigerlich zum Handlanger der Ausländer - und zum Blitzableiter. Alles schon gehabt.

Wir brauchen gar nicht in die Ferne zu schweifen: Es ist erst zwei Jahre her, daß "man" - wer immer das sein mochte - die Regierungsbildung in Österreich bestimmen wollte. Daß sich die USA damals nicht sonderlich exponierten, lag nur an den anstehenden österreichischen Waffenkäufen, die nicht präjudiziert werden sollten. (Nachdem die Österreicher nun doch keine F-16 kaufen, sondern den Eurofighter, wird es mit der Schonung wohl vorbei sein.) Erreicht wurde immerhin, daß die österreichische Regierungsmannschaft einen beträchtlichen Teil ihrer Energie mit der Abwehr außenpolitischer Kindereien vergeuden mußte und sich daher bei manchen innerösterreichischen Maßnahmen vermeidbare Blößen gab. Ein willkommener Ansatzpunkt für weitere Agitation.

In ähnlich unverschämter Weise wird derzeit sowohl von den USA als auch von der EU versucht, die slowakischen Wahlen im September zu beeinflussen: Kein EU- und kein Nato-Beitritt, wenn der aussichtsreichste Kandidat, der frühere Ministerpräsident Meciar, mit seiner Partei wieder an die Macht kommen sollte! Was man Meciar konkret vorwirft, wird allerdings verschwiegen - es ist dies die gleiche, allen Rechtsprinzipien Hohn sprechende Methode, derzufolge ein Kurt Waldheim nach wie vor auf der US-"Watch-List" steht, während Kannibalenhäuptlinge als Staatsgäste jederzeit willkommen sind.

Natürlich ist klar, was man Meciar übelnimmt: Man macht ihn für das Auseinanderbrechen der Entente-Mißgeburt Tschechoslowakei verantwortlich und ignoriert geflissentlich, wer den Unmut der Slowaken über die tschechische Bevormundung wirklich zum Überkochen brachte - nämlich Fürst Karl Schwarzenberg, der rechtzeitig entdeckte, daß er eigentlich Tscheche sei, Kanzler von Präsident Vaclav Havel wurde und prompt den enteigneten Familienbesitz zurückerhielt.

Welcher Kontrast dazu beim EU-Kandidaten Ungarn: Ministerpräsident Medyessy, der Wendekommunist und "Banker", mußte zugeben, Oberleutnant der ungarischen Stasi gewesen zu sein, doch wo blieb da der Aufschrei im Westen? Die sogenannten "Freien Demokraten", seine Koalitionspartner, reagierten zwar zunächst kritisch auf das Bekanntwerden, doch wurden sie rasch wieder zurückgepfiffen. Womit sich bestätigt, daß sie die Partei der Auslands-"Ungarn" sind.

Es bedarf keiner großen Phantasie, daß sich durch die Interventionen sowohl in Ungarn als auch in der Slowakei nationalistische und zugleich antisemitische Strömungen verstärken werden. Aber wen wird man als Schuldigen brandmarken? R.G. Kerschhofer