19.04.2024

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20.07.02 / Eine heitere Betrachtung über die Emanzipation

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Juli 2002


Die befreite Frau
Eine heitere Betrachtung über die Emanzipation
von Gabriele Lins

Wenn sich mein Friseur mal wieder an meinen Haaren austobt, blättere ich interessiert in den bunten Wochenzeitungen, die dort liegen, und kann nicht anders, als diese überschlanken, todschicken und selbstsicher scheinenden Frauen darin zu bewundern. Und dann denke ich ein wenig neidisch: Das sind freie und unabhängige Menschen, die ihr Leben genießen.

Und eines Tages möchte ich plötzlich anders sein als die Hausfrau, Mutter und Großmutter, die ich nun einmal bin, ganz anders. Ein Heimchen am Herd - nein danke! Ich will schick sein und wie die Frauen aus den Zeitschriften bewundert und geliebt werden. Ich habe sie satt, meine langweiligen kurzen Fransenhaare und meine geblümten Kittelschürzen, auch den Kochdunst, das Staubsaugen und das Bügeln verabscheue ich jetzt, und die ganze Langeweile und Eintönigkeit meines Hausfrauendaseins geht mir auf einmal gegen den Strich. Tagelang grüble ich darüber nach, wie meine Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling vor sich gehen soll. - Heute nun soll es sein: Ich mache Ernst!

Zuerst fahre ich mir mit dem Rasierapparat meines Mannes durch die Frisur und lege mir einen hauseigenen Bahnenschnitt zu. Danach kaufe ich mir eine moderne Brille, und obwohl ich die Welt durch die winzigen Gläser nur noch zur Hälfte wahrnehme, finde ich mich flippig mit dem Nichts auf meiner Nase. Ganz hinten in meinem Kleiderschrank fällt mir das Kleid aus der Teenyzeit meiner ältesten Tochter, Marke Blumenkind, in die Hände. Ich angele es hervor und ziehe es über. Paßt! Das ist es! Den Rock raffe ich ein bißchen, damit die Mottenlöcher nicht so auffallen.

Keiner anderen Frau schaut man nun so nach wie mir. Ich bin einfach nicht zu übersehen!

Die Hausarbeit erledige ich von nun an mit links, d. h. nach dem Motto "Gar nicht um kümmern!" Dafür setze ich mich öfter in ein kuscheliges Café und schreibe hehre Texte in der Art: "Nächtlich am Busento lispeln ..." Ich bin tatsächlich die begabteste Frau meiner Zeit, und Alice Schwarzer - würde sie mich kennen - wäre von mir begeistert.

"Unsere Olle ist von der Rolle!" höre ich meinen Sohn seiner neuen Freundin zuflüstern, die storchenbeinig durch unseren Garten stöckelt. Tja, selbst die Junge kann mir in puncto Charme das Wasser nicht reichen! "Mama ist völlig übergeschnappt!" tönt meine älteste Tochter ihrem Mann ins Ohr, und die Jüngste erzählte ihrem derzeitigen Partner gestern lautstark, ihre Mutter mache wohl eine späte Phase der Pubertät durch, die sie früher nicht ausgelebt habe.

Allein mein Mann ist sprachlos, wahrscheinlich vor Schreck.

Unsere Nachbarn - das war mir von vornherein klar - flüstern hinter meinem Rücken, ich gehöre doch wohl in die Klapse, und den Satz "Je oller, je doller" können sie sich auch nicht verkneifen. Mir ist das gleich, ich bin ja so cool!

Mit nie gekanntem Selbstbewußtsein verschicke ich nun sämtliche von mir verfaßten Texte in der Art "Nächtlich am Busento lispeln ..." an kleine und große Verlage.

Und plötzlich reißen sich die Medien förmlich um meine Ideen. Ich bin plötzlich wer! Ist das ein Gefühl!

Aber dann ... Ein Sonnenstrahl, der sich vorwitzig durch die Ritzen unserer Jalousie gestohlen hat, weckt mich unbarmherzig auf und im Bad zerrinnt dann der Traum, eine Berühmtheit zu sein, vollends mit dem ablaufenden Zahnpastawasser. Was ist da bloß aus den Tiefen meiner Seele nach oben gelangt?

Ich schaue in den Spiegel, zwinkere mir zu und finde meine Welt durchaus in Ordnung. Meine Frisur ist gerade richtig, die Kittelschütze von früher habe ich ja längst entsorgt, meine Arbeits- jeans sitzen bequem und das dreiviertellange dunkle Shirt macht meine etwas mollige Gestalt um ein Kilo schlanker. Und als meine Enkel, die bei mir übernachtet haben, mit roten Apfelbäckchen und wachen Augen vor mir stehen und im Chor ihren Kakao verlangen, lege ich meinen blöden Traum endgültig ad acta.

Ich frage mich nur: Sind diese ‚befreiten' Frauen in ihrer vielgepriesenen Unabhängigkeit eigentlich glücklich? Haben sie auch nur eine schwache Ahnung davon, wie man sich fühlt, wenn einem so ein nasser Kuß ins Gesicht geklatscht wird mit den Worten: "Oma, ich hab dich ganz doll lieb!"? Natürlich haben viele dieser Frauen auch Kinder und Enkel, nur finden sie meist nicht die Zeit, mit ihnen zu lachen.

Ich aber weiß, wofür ich lebe, und gerade deshalb bin ich frei, so frei glücklich zu sein.