20.04.2024

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27.07.02 / Suche nach Normalität

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Juli 2002


Suche nach Normalität
Fortsetzung der spannenden Fluchterlebnisse einer Sechsjährigen

Bei manchen Büchern und Filmen, die einem besonders gefielen, wartet man ungeduldig auf eine Fortsetzung. So wird es dem Leser wohl auch nach der Lektüre von "Ganz allein - Die Kriegsgeschichte eines kleinen Mädchens" ergehen. Das Buch endet damit, daß die sechsjährige Sabrina nach ihrer gefahrvollen Flucht von ihren Verwandten aus Ostpreußen 1945 ins zerstörte Berlin kommt. Ängstlich hofft die Kleine, ihre Eltern in der zerbombten Stadt wieder zu finden, doch als sie in Richtung ihres Elternhauses kommt, bricht der erste Band ab.

Nun ist der zweite Teil erschienen und neugierig greift man nach dem Buch, um zu erfahren, was Sabrina noch alles widerfährt, doch zu Beginn der Lektüre stellt sich möglicherweise eine kleine Enttäuschung ein, da eben nicht über Sabrinas Schicksal sondern über ihren Vater berichtet wird. Erst im zweiten Kapitel kann der Leser dort anknüpfen, wo das letzte Kapitel des ersten Teils endete. Hier wird die Sechsjährige von einem amerikanischen Soldaten zu den Eltern gebracht, die überglücklich sind, wenigstens eines ihrer drei Kinder wiederzuhaben.

Von dem Moment an stromert der Leser gemeinsam mit dem Mädchen durch die ausgebombten Straßenzüge der Stadt, wo sie in den Ruinen stets auf der Suche nach Brauchbarem ist. Begleitet wird sie von dem zehn Jahre älteren Richard. Der Halbwüchsige begleitet das Kind bei seinen Streifzügen und gemeinsam erleben sie viele kleine Abenteuer.

Nachdem der Vater dank Sabrinas schneller Hilfe seine schlimmen Verletzungen nach einem Raubüberfall überstanden hat und anfängt, seine Firma aus Vorkriegszeiten wieder aufzubauen, stirbt die Mutter an den Folgen einer Vergewaltigung durch die Russen. Der Vater vertieft sich vor Schmerz in seine Arbeit; zwar schreitet der Aufbau der Firma in den Jahren nach dem Krieg voran, doch Vater und Tochter entfremden sich soweit, daß der Vater Sabrina sogar in ein Internat schicken will.

Der zweite Teil von "Ganz allein" ist auf jeden Fall ein unterhaltsames, spannend zu lesendes Buch, doch sollte man nicht alles, was dort geschieht für bare Münze nehmen. So manches Mal wird die Handlung doch ein wenig zu bunt, denn nicht nur das Sabrina makelos schön ist, mehrmals Menschen durch ihr schnelles, heldenhaftes Handeln rettet, lauter reiche Leute kennt, bei denen sie in Villen ihre Ferien verbringt, so wird sie auch noch von Mädchenhändlern nach Riad entführt.

Die Autorin beteuert allerdings, daß die Geschichte Sabrinas auf ihrem eigenem Schicksal basiere, wenn sie auch mit dichterischer Freiheit etwas ausgeschmückt worden sei, so sei der junge Araber Aschwaris in Wirklichkeit nicht so märchenhaft schön gewesen, wie es im Buch behauptet wird. Egal, wie viel nun von der Geschichte wahr ist oder nicht, Fakt ist, daß das Buch sehr unterhaltend ist, Sabrinas sich entwickelnde Liebe zu Richard das Herz anrührt und das Schicksal der selbstbewußten, intelligenten Heranwachsenden den Leser mitreißt. R. Bellano

Sabine Welsch-Lehmann: "Ganz allein - In den Trümmern von Berlin", K. Fischer Verlag, Aachen 2002, 134 Seiten, 11,20 Euro