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03.08.02 / "Homo-Ehe": Relativiertes Grundgesetz

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. August 2002


"Homo-Ehe": Relativiertes Grundgesetz
Karlsruhe und die Union lassen den Einbruch in die Verfassung zu
von Jürgen Liminski

Nach dem Spruch des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts und der Auseinandersetzung zwischen der Stoiber-Truppe und den katholischen Bischöfen, allen voran Kardinal Meisner, ist die Festung Ehe politisch sturmreif geschossen. Die Rotgrünen freuen sich - klammheimlich, versteht sich - und die Union kann sagen: Wir waren dabei gewesen.

Zunächst der Richterspruch aus Karlsruhe. Er ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen erklärt er eine Lebensform für verfassungsgemäß, die dem totalen Individualismus von heute entspricht und wenig übrig hat für das Gemeinwohl. Der Beitrag gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zur Bestandserhaltung der Sozialsysteme, sprich Kinder als spätere Beitragszahler zum Beispiel, ist naturgemäß gleich null. Das zeigt, daß der gesellschaftliche Pluralismus mit der Relativierung aller Werte mittlerweile beim Grundgesetz angekommen ist. In puncto Lebensstil kann jeder tun was ihm beliebt, und es tut ja auch jeder.

Das allein ist noch kein Angriff auf die herkömmliche Ehe. Hier haben die Richter recht. Denn natürlich lassen sich die beiden Lebensformen auseinanderhalten und die Personenkreise sind naturgemäß sehr verschieden. Wenn es aber an die Verteilung staatlicher Fördergelder geht, etwa bei der Hinterbliebenenrente, gibt es nur einen Kuchen. Und je mehr Berechtigte davon ein Stück bekommen, um so kleiner werden diese Stücke. Insofern bedeutet die Anerkennung des rotgrünen Gesetzes indirekt doch eine Schmälerung des besonderen Schutzes für Ehe und Familie - oder aber der Kuchen wird größer, was angesichts der knappen Kassen zurzeit nicht in Aussicht steht.

Die Richter haben also mit ihrem Argument, Gleichgeschlechtliche und Ehepaare seien unterschiedliche Personenkreise, das formale Kunststück fertig gebracht, aus dem gesellschaftlichen Geben und Nehmen ein Geben und Geben zu machen. Wie sie, beziehungsweise die künftigen Regierungen, die Steuerausfälle wettmachen und woher sie die beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche bezahlen wollen, die aus dem Gesetz erwachsen, haben sie nicht bedacht oder bedenken wollen. Statt dessen sind sie dem Zeitgeist nachgelaufen, eine Haltung, über die Kierkegaard schreibt, es sei "zweifellos das Bequemste und Sicherste, so wie die anderen zu meinen, zu denken, zu sprechen". Wobei die anderen vorwiegend in den Medien zu finden sind. Sie haben sich auf die Stufe des "tönenden Passivum" (Nietzsche) begeben, das nicht mehr die Eigenständigkeit und Freiheit des Menschen im Blick hat, also Orientierung vermittelnde Grundsätze, sondern die Konformität des Menschen mit dem vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens.

Die Richter sind nicht dumm. Es kann ihnen nicht entgangen sein, daß sie mit der Aufwertung homosexueller Partnerschaften ein Gesetz sanktionieren, das auf der Sexualität der Begünstigten beruht und somit andere Gruppen vernachlässigt, ja, wie die FAZ richtig kommentiert, "eine neue Gruppe von Unterprivilegierten hervorbringt: Die Restfamilie. Die alleinstehende Frau, die ihre betagte Mutter pflegt, zwei verwitwete Brüder, die sich zur gemeinsamen Haushaltsführung zusammentun - sie werden vergeblich um den Schutz des Gesetzgebers für ihre Partnerschaft nachsuchen. Es wird ihnen nichts nützen, daß auch sie einander beistehen wollen. Weil sie nicht miteinander verheiratet sind und eine Sexualpartnerschaft für sie nicht infrage kommt, bleiben sie ausgeschlossen. Geht es noch widersinniger? Eine Gesellschaft, die solche Gesetze hinnimmt, hat ihre Zukunft im Grunde schon abgeschrieben". Der Eindruck drängt sich auf, daß den Richtern einfach der Mut fehlte, der Logik und der Natur zum Recht zu verhelfen. Ihr relativistisches Denken hat das Grundgesetz relativiert.

Besonderer Schutz heißt, eine Gruppe vor anderen zu begünstigen. Diese Besonderheit entfällt künftig. Schlimmer noch: Es wird daraus eine Diskriminierung jener, die nicht sexuell miteinander leben. Es gehört zu den Errungen-schaften des liberalen Rechtsstaats, die Ausübung der Sexualität im privaten Raum zu belassen. Damit ist es vorbei. Nun schaut Vater Staat sozusagen legal durchs Schlüsselloch. Denn ohne Sexualität gibt es keine Vergünstigung. Mit Menschlichkeit und Zivilisation hat das nichts mehr zu tun. Der Spruch der Karlsruher Richter ist ein Schritt in Richtung Diktatur bestimmter Minderheiten. Es ist damit zu rechnen, daß die jubelnden Homosexuellen, vor allem bei der FDP und bei den Grünen, jetzt mit Verve das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare (nicht für die zwei verwitweten Onkel oder Tanten für eventuell verwaiste Nichten oder Neffen) durchsetzen wollen. Darunter leiden werden die Kinder. Hier schlägt ein individualistischer Lebensstil in einen intergenerationellen Schaden um. In den Niederlanden ist das bereits der Fall. Ganze Folgegenerationen werden darunter leiden. Für den Philosophen Josef Seifert handelt es sich um einen "Abschied von der Kultur- und Sittengeschichte der Menschheit". Wir werden damit konfrontiert werden, schreibt in diesem Sinn auch der Verhaltensforscher und Sozialwissenschaftler Gerhardt Amendt, "daß in die menschheitsgeschichtlich tradierten Eltern-Kind-Beziehungen umwälzend eingegriffen wird." Er stellt in diesem Sinn das Ansinnen des schwulen Grünen-Politikers Volker Beck, das Kindesschutzalter herabzusetzen, um pädophilen Wünschen zu genügen, auf eine Stufe mit der Nachsicht für den Vater, der seine Tochter in die Geheimnisse des Sexuallebens einführen will, um ihr schlechte Erfahrungen mit anderen Männern zu ersparen. Beck sieht die Liberalisierung der Homosexualität als einen ersten Schritt zur Durchsetzung entsprechender pädophiler Wünsche. Diese absehbaren gesellschaftlichen Dekadenzerscheinungen und finanziellen Folgen hätten die Richter sehen können. Es war oft genug darüber gesprochen und geschrieben worden.

Nicht zuletzt von Papst und Bischöfen. Die deutsche Bischofskonferenz verkündete schon nach ihrer Frühjahrstagung 2000 knapp und bündig: "Homosexuelle Beziehungen lehnt die Kirche unmißverständlich ab". Und kurz nachdem das Parlament im amerikanischen Bundesstaat Vermont ein dem deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz sehr ähnliches Vorhaben beschlossen hatte, verurteilte der Präfekt des Päpstlichen Rates für die Familie, Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, dies als einen "schweren und zum wiederholten Male verübten Angriff gegen die auf der Ehe gründende Familie, welche Liebes- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist, aus der auf natürliche Weise neues Leben hervorgeht". Und weiter, tiefer pflügend: "Die ganze Gesellschaft ist fest auf der ehelichen Vereinigung gegründet, die ein notwendiges Gut ist. Diese anthropologische, grundlegende Wahrheit zu leugnen, würde zur Zerstörung des sozialen Gefüges führen". Denn die Gleichsetzung der homosexuellen mit rein ehelichen Verbindungen bedeute eine Verneinung des tiefen Verlangens der Völker nach ihrer innersten Identität. Deshalb dürften "Gesetzgeber und ganz besonders katholische Abgeordnete diese Art Gesetzgebung nicht mit ihrer Stimme unterstützen, denn sie läuft dem Gemeinwohl und der Wahrheit über den Menschen zuwider". Offensichtlich sind die fünf Richter in Karlsruhe, die das Gesetz für verfassungskonform erklärten, und auch etliche deutsche Politiker, nicht nur rotgrüne, ganz anderer Ansicht.

Immerhin verdanken wir dem Spruch aus Karlsruhe aber auch die Erinnerung an das, was eine Ehe ist: "Die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft". Es ist bezeichnend, daß - folgt man der wissenschaftlichen Literatur - "die Erzeugung solidarischen Verhaltens" immer wieder als ein Grund für den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie genannt wird. Es sei eine Leistung, die in der Familie "in einer auf andere Weise nicht erreichbaren Effektivität und Qualität" erbracht werde. Nur: Das sind inhaltliche, qualitative Kriterien. Gelten sie noch für die Richter in Karlsruhe? Der Einbruch in das geistige Haus der Verfassung ist seit dem 17. Juli offenbar.

Das Problem, das sich nun für die Politik mit dem Urteilsspruch auftut, ist der qualitative Abstand zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Relativierung aller Werte für recht und billig und somit gesellschaftlich bestimmende Menschenbilder für obsolet erklärt, wird es auf Dauer schwierig, einen qualitativen Abstand einzuhalten. Solidarität und Gemeinwohl sind qualitative Begriffe. Der Abstand ist, wenn man relativistisch argumentiert, nur noch materiell zu erkennen, sprich das Ehegattensplitting muß erhalten oder sogar ausgebaut werden, auch wenn die Ehe kinderlos bleibt, was ja schon bei einem Fünftel der Haushalte der Fall ist. Oder aber der Gesetzgeber macht ernst mit den vorigen Urteilen aus Karlsruhe und setzt sie in bare Münze um, statt die aus der Ehe hervorgehende Familie mit Almosen abzuspeisen. Was, wie gesagt, der Politik zu teuer ist.

Die Union aber, die im Fall Reiche die Ehe zur reinen Privatsache erklärt hat, muß der Spruch aus Karlsruhe zum Nachdenken anregen. Sollte sie tatsächlich im September gewinnen, wird man sehen, was ihr der besondere Schutz von Ehe und Familie wirklich noch wert ist. Allzu viel sollte man nicht erwarten.

 

Das Karlsruher Urteil über das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 17. Juli ist auf harte Kritik gestoßen. Die Begründung läßt offen, worin eigentlich noch der Abstand zur grundgesetzlich geschützten Ehe besteht. Auch die Diskussion über die Ehe in der Folge der Berufung der ledigen Mutter Katherina Reiche in das Kompetenzteam von Kanzlerkandidat Stoiber zeigt auf, daß die Institution Ehe gesellschaftlich und politisch droht, ins Abseits geschoben zu werden. In dieser Situation kommt den Ermahnungen der Kirche, den Stellenwert von Ehe und Familie in der Gesellschaft nicht zu vermindern, geradezu prophetische Bedeutung zu.

 

Es gehört zu den Errungenschaften des liberalen Rechtsstaates, die Ausübung der Sexualität im privaten Raum zu lassen. Damit ist es vorbei. Nun schaut Vater Staat sozusagen legal durchs Schlüsselloch: Zwei Frauen auf einem Berliner Standesamt Foto: keystone