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10.08.02 / Lieber Kuckuck, sag mir doch

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. August 2002


Lieber Kuckuck, sag mir doch
von Christel Bethke

Na, gib noch eins dazu", brummt Wanda, die mit ihrem Rad in einen Feldweg einbiegt, den sie vor einiger Zeit entdeck hat und seitdem öfter ansteuert. Viermal hatte er gerufen, der Kuckuck. Das fand sie denn doch ein bißchen wenig - und tatsächlich, er gibt noch eins dazu. Er ruft nochmal.

Kinderzeit, Sommerzeit, Kinderreime und raten: Lieber Kuckuck, sag' mir doch, wieviel Jahre leb' ich noch, hatten sie beim Rufen des Kuckucks gefragt. Diese Vögel, die ihre Eier in fremde Nester legen und ihre Brut von Stiefeltern aufziehen lassen, mußten im Osten ein größeres Stimmvolumen besessen haben, denn damals - ja, wann war das überhaupt gewesen, denkt die alte Frau auf dem Rad und rechnet in Gedanken zurück. Mindestens sechzig Jahre muß das her sein. Sechzig! - waren die Kinder mit Leichtigkeit bis auf über hundert Jahre gekommen. Wahrscheinlich hatte es ganze Chöre von ihnen in den Wäldern und Büschen der Heimat gegeben. Da wo sie jetzt lebte, gab es nur selten einen Kuckuck zu hören und die waren äußerst sparsam mit ihren Rufen. Aber dieser, den sie jetzt hörte, hatte immerhin noch fünf Jahre orakelt. Nicht zu übel, wenn die Jahre noch in Gesundheit verlebt werden durften.

Wanda steigt vom Rad. Es ist der Weg, der sie stark an Ostpreußen erinnert. Die Straße von Bieberstein nach Hause. Der Weg ist in schlechtem Zustand. Der Winter hatte ihm zugesetzt und weil es hier an Chaussee-Kratzern mangelte, war er wellig und holperig. Aber nicht deshalb ist sie abgestiegen. Es ist die Sicht, die sich ihr bietet, die äußere und die innere. Auf der linken Seite ducken sich am Horizont hinter einer leichten Bodenerhebung ein paar rote Dächer, die sie an Jokehnen erinnern mit seinem Dorfteich und Anger. Auf der rechten Seite sind ein paar Pferdekoppeln. Seit zwei Wochen sind die kleinen Fohlen da, die mit ihren staksigen Beinen mutwillig und ungelenk ihre Mütter umkreisen. Hietscherchen hatten sie die als Kinder genannt, genau wie die ersten Kastanien, wenn sie braun glänzend aus ihren Schalen sprangen, gut in der Hand lagen und sich fest umschließen ließen.

Sie bleibt an einem Gatter stehen und beobachtet die glatten braunen Pferde. Einige Tiere äugen neugierig zu ihr her. Eigentlich hatte sie immer Angst vor ihnen gehabt. Heute noch. Freiwillig würde sie nicht über diese Koppel mit den Pferden gehen. Keine Traute! Unerklärlich.

Sie sieht in Richtung Jokehnen. Sie ist noch oft nach dem Kriege in der Heimat gewesen. Erinnerungen zweifelhaften Glücks. Dennoch ist die Verbundenheit an damals tief in ihr verwurzelt und beim Anblick einer Landschaft wie dieser kommt ihr das alte Leben in den Sinn. Die Menschen, denen sie als Kind anvertraut war, gingen wie Bauern über ihren Boden, säten, ernteten, hatten viel Mühe und aßen im wahrsten Sinne des Wortes ihr Brot im Schweiße ihres Angesichtes. Nichts wurde ihnen geschenkt. Fast biblisch, dieses Leben. Trotzdem waren sie zufrieden und hatten das anscheinend vermitteln können, weitergegeben an sie, Wanda.

Es ist warm geworden. Die Pferde ziehen sich in den Schatten einer Baumgruppe zurück. Mittagsstille. Irgendwo bläst einer die Hirtenflöte. Sie schiebt das Rad, bis der Weg in die Bundesstraße einmündet, blickt sich noch einmal aufmerksam um, bevor sie aufsteigt und horcht. Nichts zu machen, der Vogel hält wohl auch Mittags- ruhe.

Gert O. E. Sattler Bernsteinsuche

Komm, erleb mit off'nen Haaren

Sonne, Regen, Meer und Wind,

laß uns an die Ostsee fahren,

wenn die Urlaubszeit beginnt.

Unter Klippen laß uns wandern,

Bernstein suchen, hier und dort,

geh'n von einem Ort zum andren

bis zum Kap von Brüsterort.

Auf und ab bis Kraxtepellen

findet man des Bernsteins Gold,

das im Tang von grünen Wellen

heimlich in der Ostsee rollt.

Laß uns waten an den Stränden

so wie damals voller Glück,

Bernsteingold in Kinderhänden

ist Erinn'rung, Stück für Stück.