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17.08.02 / Völkerverbindende Rede des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, in Allenstein

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. August 2002


"Die Zeit der Konfrontation ist vorüber"
Völkerverbindende Rede des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, in Allenstein

Die Landsmannschaft Ostpreußen ist zum wiederholten Male Gastgeberin für ein Sommerfest der deutschen Volksgruppe im südlichen Ostpreußen. Es ist ziemlich genau auf den Tag zehn Jahre her, daß wir ein erstes Sommerfest für unsere heimatverbliebenen Landsleute durchführten. Es fand damals in Osterode statt. Auch damals habe ich zu Ihnen gesprochen. 1992 begannen wir einen schwierigen Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen. Das Mißtrauen war groß. Einige Gruppen gaben uns zu verstehen, daß wir aus der Bundesrepublik nicht unbedingt willkommen waren. Entsprechende Parolen an den Häuserwänden machten das deutlich. Gleichwohl wurde es ein gelungenes Sommerfest.

Erinnern Sie sich noch? Wir feierten einen ökumenischen Gottesdienst. Der evangelische Geistliche war Superintendent i. R. George. Er war der letzte deutsche Geistliche im Königsberger Dom vor der großen Katastrophe von 1945. Für mich war es eine große Freude, daß meine drei ältesten Söhne, damals 18, 16 und 15 Jahre alt, uns den Choral "Nun danket alle Gott" im Rahmen des Gottesdienstes mit ihren Trompeten zu Gehör bringen konnten.

Heute, zehn Jahre später, können wir zufrieden feststellen: Der deutsch-polnische Normalisierungsprozeß ist weit vorangekommen. Die anwesenden polnischen Ehrengäste belegen dies.

Aber vor allem auch die Tatsache, daß die deutsche Minderheit in Ostpreußen, Pommern und Schlesien heute eine anerkannte Volksgruppe ist, die mit zwei eigenen Abgeordneten im Warschauer Parlament vertreten ist, macht deutlich: Die Zeit des Kalten Krieges ist vorbei.

Die Zeit der verbalen Konfrontation, ja des Hasses und des Mißtrauens, gehört der Vergangenheit an. Die Existenz der Deutschen im Nachkriegspolen wird nicht mehr geleugnet, wie das bis zur Wende 1989 geschehen ist. Sie, liebe Landsleute, die Sie in der Heimat geblieben sind, Sie haben im heutigen Polen Minderheitenrechte, wie sie in demokratischen Staaten üblich sind. Welch ein positives Ergebnis können wir nun bald zwölf Jahre nach Abschluß des polnisch-deutschen Vertragswerkes registrieren.

Sicher ist es so - dies soll nicht verschwiegen werden: Unterhalb der zwischen unseren Staaten abgeschlossenen Verträge haben wir Forderungen, Wünsche und Hoffnungen, die noch der Realisierung durch Polen bedürfen.

Sie betreffen die deutsche Volksgruppe und auch Landsleute aus Deutschland, die in ihre angestammte Heimat zurückkehren wollen. Auf dem Kommunalpolitischen Kongreß der LO im Ok-tober 2001 in Elbing haben wir das auch thematisiert.

Aber unsere noch unerfüllten Erwartungen sind kein Hindernis für das partnerschaftliche Miteinander von Polen und Deutschen. Manche Dinge brauchen Zeit.

Polen erwartet von uns uneingeschränkte Unterstützung für seinen bevorstehenden EU-Beitritt. Wir leisten diese Unterstützung.

Aber mit dem formalen EU-Beitritt ist es nicht getan. Im Hinblick auf unsere gemeinsame Zukunft in Europa braucht Polen unsere Hilfe bei der Anpassung seiner Agrarwirtschaft an die Strukturen der EU. Dies wird ein schmerzhafter Prozeß werden, denn heute noch sind 20 Prozent der Polen im Agrarsektor tätig. In der Bundesrepublik sind es weniger als drei Prozent.

Dieser Anpassungsprozeß muß unbedingt sozial verträglich gestaltet werden. Der ganze Prozeß der EU-Osterweiterung steht und fällt mit der Lösung dieses Problems.

In der 900jährigen polnisch-deutschen Geschichte waren die Zeiten, in denen unsere Völker harmonisch nebeneinander und miteinander gelebt haben, Gott sei Dank sehr viel länger als die Zeiten der Konfrontation.

An diese guten gemeinsamen Zeiten wollen wir anknüpfen. Die Struktur dazu haben wir gelegt, die nachwachsende Generation wird darauf aufbauen.

Sehr wünschenswert wäre es, wenn mehr junge Menschen in unseren Staaten Polnisch beziehungsweise Deutsch lernen würden. Dafür sollten sich Politik, Kirchen und Verbände einsetzen und ein entsprechendes Angebot bereit halten.

Auch in Zukunft wird es gelegentlich Interessengegensätze zwischen unseren Ländern geben. Im Geist des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages wird man diese Gegensätze mit einem fairen Kompromiß überwinden können. Wir als Landsmannschaft Ostpreußen und auch Sie - die deutsche Volksgruppe in Ostpreußen - wollen beim Auftreten von Differenzen unsere guten Dienste zur Lösung der Probleme anbieten. Wir wollen mehr und mehr die Fähigkeit erwerben, die Sichtweise des anderen zu verstehen, ohne die eigene Meinung aufzugeben.

Mit den Sprechern der anderen ostdeutschen Landsmannschaften war ich in der vorigen Woche in Warschau. Ich habe bei den Gesprächen mit Abgeordneten des polnischen Parlaments erstaunlich viel Verständnis für unsere Auffassung gefunden.

Unsere Auffassung habe ich mit der Feststellung auf den Punkt gebracht, daß nicht alles, was den Deutschen nach 1945 im heutigen Polen widerfahren ist, durch das stalinistische System zu erklären ist, das Polen von 1945 bis 1989 erdulden mußte. Deshalb erwarten wir, die früheren Bewohner dieses Landes, daß Polen uns entgegenkommt bei Fragen, die mit dem EU-Beitritt diskutiert werden.

Als Stichworte nenne ich Rückkehrrecht und Eigentumserwerb. Einer Angst machenden Restitution hat die LO nie das Wort geredet.

Einzelne Abgeordnete, mit denen wir sprachen, zeigten für unsere Position weniger Verständnis, sondern versuchten, in sehr freundschaftlicher Art und Weise uns von ihrer Sichtweise zu überzeugen.

Da war es dann für uns sehr hilfreich, daß wir die polnischen Gesprächspartner auf die Äußerung ihres Staatspräsidenten hinweisen konnten, der ja von einer erforderli-chen Geste an die deutschen Heimatvertriebenen gesprochen hat.

Ein Höhepunkt unseres Warschau-Besuches war der Empfang beim Primas von Polen. Wir berichteten ihm von unseren humanitären Aktivitäten im Ermland und in Masuren, insbesondere über die Sozialstationen.

Herr Kardinal Glemp ermutigte uns, auf dem bisherigen Weg fortzuschreiten. Er gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß die jungen Menschen ein stabiles Band der Freundschaft und der Partnerschaft zwischen unseren Ländern knüpfen werden.

Das Kopernikus-Haus in dieser Stadt belegt, daß schöne Erfolge zu verzeichnen sind, wenn Polen und Deutsche an einem Strang ziehen. In einer gemeinsamen Anstrengung der AGDM, der Stadtgemeinschaft Allenstein, der Deutsch-Polnischen Stiftung und mit Unterstützung des Freistaates Bayern, der Landsmannschaft Ostpreußen und der Kreisgemeinschaft Allenstein-Land gelang es, das Kopernikus-Haus zu erwerben und herzurichten. Der Erfolg wäre uns nicht gelungen, wenn die Verantwortlichen der Stadt Allenstein nicht durch wohlwollende Unterstützung des Projekts mitgeholfen hätten.

Das Kopernikus-Haus soll Treffpunkt für die deutsche Volksgruppe im Großraum Allenstein sein. Darüber hinaus will es eine Stätte der Begegnung zwischen Polen und Deutschen sowie ein gastlicher Treff zwischen Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland und den heimatverbliebenen Landsleuten sein.

Wenn die Verantwortlichen der AGDM es wünschen, wird auch die Landsmannschaft Ostpreußen von Zeit zu Zeit ein Programm für das Kopernikus-Haus anbieten. Dies können Ausstellungen, Seminare, Werkwochen oder Vorträge sein.

Vor wenigen Wochen haben die Kreisgemeinschaft Allenstein-Land und der heutige Landkreis Allenstein einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag rechtfertigt die Aussage: Polen und Deutsche pflegen im Ermland und Masuren einen Umgang, der durch Respekt und den Willen zur Zusammenarbeit gekennzeichnet ist.

Dafür danke ich meinen heimatverbliebenen Landsleuten, dafür danke ich den polnischen Kommunalpolitikern und allen Menschen, die guten Willens sind. Wir sind es, die den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag mit Leben füllen.

Die Landsmannschaft Ostpreußen will Interessenvertreter für dieses Land und seine Menschen in Deutschland sein. Daß wir dabei das Wohl unserer Landsleute im Auge haben, ohne den Blick für das Gesamte zu verlieren, ist eine Selbstverständlichkeit. Unsere Hilfe, soweit wir sie leisten können, soll dem Land dienen. Mit dem Betrieb der Sozialstationen, an denen wir erheblich beteiligt sind, dienen wir allen Hilfsbedürftigen im Lande.

Hier und heute beim Sommerfest der deutschen Volksgruppe vollzieht sich polnisch-deutsches Zusammenleben und Zusammenwirken zum Wohle der Menschen und zur Festigung der Partnerschaft zwischen unseren Ländern.

Die deutsche Volksgruppe im Ermland und in Masuren hat daran Anteil. Sie hat die ihr obliegende Mittlerrolle (Brückenfunktion) angenommen. Dafür sei ihr gedankt.

Ich wiederhole: Wir alle, die wir hier sind, Polen und Deutsche, erfüllen den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag mit Leben. Wir bauen das gemeinsame Europa. Darauf können wir ein wenig stolz sein. n

Dies ist eine gekürzte Fassung der Rede des Sprechers.

 

Treffpunkt der Heimatverbliebenen: Das Kopernikushaus ist Sitz der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM)