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24.08.02 / Deutsch-amerikanischer "Atomkrieg"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Deutsch-amerikanischer "Atomkrieg"
Warum Washington den Münchner Forschungsreaktor attackiert
von Hans-Jürgen Mahlitz

Es kommt nicht allzuoft vor, daß sich Deutschlands Grüne über Post aus dem konservativ regierten Washington freuen. Der Brief, den das amerikanische Energieministerium jetzt an rote und grüne Bundestagsabgeordnete schickte, gehört zu diesen seltenen freudigen Ereignissen; er traf nämlich genau die Atomkraft-nein-danke-Stimmungslage.

Die Amerikaner wollen damit wieder einmal den Forschungsreaktor FRM II in Garching zu Fall bringen. Begründung: Die Münchner Kernphysiker wollen den Atommeiler mit hochangereichertem Uran betreiben, und das sei "atomwaffentauglich". Hochangereichert bedeutet, daß der Anteil des in der Natur äußerst seltenen radioaktiven Uran-Isotops U 235 künstlich erhöht wird, und zwar deutlich über den Anreicherungsgrad, wie er für den Brennstoff von Kernkraftwerken benötigt wird.

Washington greift bei seiner jüngsten Attacke bewußt die Stimmung nach dem Terrorschlag vom 11. September auf. Der in Garching vorgesehene Betriebsstoff könne leicht in die Hände von Terroristen fallen, und die seien dann in der Lage, mit relativ einfachen Mitteln Atombomben zu bauen. Diese Argumentation ist auch von deutschen Kernkraftgegnern immer wieder zu vernehmen. Bei näherem Hinsehen erweist sie sich aber als reichlich unlogisch. Denn dieselbe US-Regierung, die in Garching den Weltfrieden nuklear bedroht sieht, verbreitet zur Zeit die Behauptung, der Irak sei - dank intensiver, langjähriger Arbeit - nur noch rund drei Jahre vom angestrebten Ziel, der islamischen Atombombe, entfernt. Mit anderen Worten: Was der Diktator von Bagdad trotz aller ihm zu Gebote stehenden staatlichen Mittel in vielen Jahren nicht geschafft hat, soll ein Terrorist mit einem Einbruch in Garching und dem Kauf eines Physikbuchs im Hinterhof-Labor locker zustande bringen - eine merkwürdige Logik!

Natürlich denkt niemand daran, mit dem FRM II Deutschland zur Nuklearmacht zu machen. Das wissen auch die Amerikaner. Aber sie wissen eben auch, welchen Zwecken der Forschungsreaktor dienen soll: Mit einem Neutronenstrom wollen die Forscher neue Werkstoffe und neue Medikamente untersuchen, und als Neutronenquelle nimmt man das hochangereicherte Uran, allerdings nicht in reiner Form, sondern als Siliziumverbindung. Auch aus diesem Grunde wäre eine militärische Verwendung technisch gar nicht möglich.

Materialforschung und medizinische Entwicklung, das sind zwei Gebiete, auf denen Deutschland traditionell zur Weltspitze zählt - neben den USA. So drängt sich der Verdacht auf, daß die angebliche Gefahr einer weiteren Verbreitung nuklearer Waffen ebenso vorgeschoben ist wie die Angst vor der Atombombe in Terroristenhand. In Wirklichkeit geht es wohl nur um die Aufteilung milliardenschwerer globaler Märkte, um die Ausschaltung lästiger Konkurrenz. Ob die Grünen - in aller Regel ja bekennende "Globalisierungsgegner" - sich darüber auch freuen?

Der Zeitpunkt der amerikanischen Intervention gegen den deutschen Forschungsreaktor ist übrigens auch nicht ganz "zufällig". Das Genehmigungsverfahren steht kurz vor dem Abschluß, und Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat bereits verlauten lassen, daß er einer Betriebsgenehmigung wohl nicht ausweichen könne, falls die vom Freistaat Bayern eingereichten Unterlagen in Ordnung seien (wovon man wohl ausgehen darf).

In Washington nimmt man nun an, daß der grüne Öko-Minister die Genehmigungsunterlagen zumindest kritischer prüfen dürfte als ein eventueller bürgerlicher Nachfolger nach dem 22. September. Die Briefaktion mit der massiven Forderung, den Anreicherungsgrad des in Garching verwendeten Urans deutlich herabzusetzen (womit der FRM II als Neutronenquelle nicht mehr wie geplant taugen würde), scheint also aus US-Sicht der letzte Versuch zu sein, diesen transatlantischen "Atomkrieg" siegreich zu beenden. Vielleicht, so die Hoffnung der Amerikaner, findet der grüne Minister ja doch noch das berühmte "Haar in der Suppe", mit dem er ein Nein zur Betriebsgenehmigung begründen kann. In diesem Falle wäre die Freude bei Jürgen Trittin und den Seinen dann wohl nicht nur "klammheimlich".