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24.08.02 / Rußland plant konkret Fährverbindung Königsberg - St. Petersburg: Seeweg statt Korridor

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Rußland plant konkret Fährverbindung Königsberg - St. Petersburg: Seeweg statt Korridor
Visumpflichtige Transitstrecken durch EU-Staaten zweitrangig

Während Parlamentarier und eigens eingerichtete Expertengruppen der Europäischen Union und Rußlands gemeinsam an einer Lösung des Problems der verkehrsmäßigen Anbindung der russischen Exklave Königsberg an das russische Kernland bei der bevorstehenden Osterweiterung der EU arbeiten, grübelt die russische Regierung über eigene Varianten nach. Konkret ist die Unterbrechung der "Transportblockade" über See in Sicht.

Schon vor einigen Jahren wurden Pläne über eine neue Fährverbindung St. Petersburg - Königsberg - Kiel ausgearbeitet, welche die russische Exklave nicht nur mit Rußland, sondern auch mit der Bundesrepublik Deutschland verbinden sollte. Nun wurde bekannt, daß eine Autofähr-Verbindung von Königsberg nach St. Petersburg schon im Jahre 2004 in Betrieb genommen werden soll. Bedient werden wird sie - selbst das steht schon fest - von den Schiffen "Rus'" und "Baltijsk", beide Baujahr 1986, die je 412 Passagiere und 120 Pkw aufnehmen können. Sie erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 20 Knoten und benötigen für die Fahrt etwa 32 Stunden. Bei Pillau ist der Bau eines neuen Tiefwasserhafens geplant.

Die Fährverbindung könnte das Problem eines visumfreien Korridors durch Litauen zweitrangig machen, erklärte der Stellvertreter des Verkehrsministers Rußlands, Wladimir Jakunin, gegenüber der Zeitung "Rossiskaja Bisnesgaseta". Er versicherte, daß dieses Thema von der Regierung mit Vorrang behandelt werde. Das Verkehrsministerium baut inzwischen Bahnstrecken zum künftigen Handelshafen Ust-Luga, etwa 130 Kilometer von St. Petersburg entfernt.

Gerüchten zufolge soll Sergej Pasko, führendes Mitglied der "Baltischen Republikanischen Partei", die staatliche Souveränität des Königsberger Gebietes gefordert haben. Er habe den Vertretern der Russischen Föderation Gewissenlosigkeit vorgeworfen, wenn sie die innenpolitischen Probleme Rußlands als außenpolitische ausgäben und somit versuchten, sie auf die Schultern der EU zu laden.

Pasko habe erklärt, so wird berichtet, daß das Problem ganz einfach zu lösen sei, würde man sich an die Verfassung halten: Da Rußland kein einheitlicher Staat, sondern eine Föderation sei, könnten folgerichtig die Königsberger dieses Prinzip auch anwenden, indem sie einen Gesetzeszusatz erließen, der nur für Bürger des Gebiets visumfreie Reisen vorsieht. Damit könnte nach Meinung Paskos auch die EU leben, und auch die Bewohner Rußlands könnten dieser Regelung zustimmen, weil sie die Exklave ohne Visum über den Luft- oder den Seeweg weiterhin erreichen könnten.

Putins Sonderbeauftragter für Königsberg, Dimitrij Rogosin, vertritt dagegen die offizielle Position Rußlands, das bislang auf einem visumfreien Transit durch Litauen beharrt. Nach einer Inspektion des Grenzübergangs Tilsit räumte er allerdings ein, daß Rußland nur eine visumfreie Durchfahrt durch Litauen für Bürger mit neuen Pässen oder Inhabern von Auslandspässen fordern solle, weil bei den neuen Dokumenten eine Identifikation einfacher sei. Noch im September wolle Rußland Litauen ein Paket mit politischen und technischen Vorschlägen für die Lösung der Probleme der Exklave vorlegen.

Rogosin überraschte den litauischen Außenminister Antanas Valenis mit der Ankündigung, Rußland wolle künftig nur noch Verhandlungen mit den Unterzeichnern des Schengen-Abkommens - allen voran Frankreich und Deutschland - über die Anpassung der europäischen Visaregelungen an die russischen Notwendigkeiten führen. Da Litauen die Visumregelung über sein Territorium nicht selbst entscheide, sondern sich dem Willen der EU beuge, habe Rußland die Absicht, Litauen bei den Verhandlungen über die Zukunft Königsbergs auszuschließen.

Den Vorschlag Litauens, den Bewohnern des Königsberger Gebiets Visa auf Magnetkarten mit einer Gültigkeitsdauer von drei bis fünf Jahren auszustellen, wies Rogosin zurück. Statt dessen drohte er Antanas Valenis wieder einmal, daß der Vertrag über die Grenze mit Litauen von Rußland nicht ratifiziert werde, solange die "Königsberger Frage" nicht entschieden sei. Die Gültigkeit heutiger Grenzen mit Ländern, die zur ehemaligen Sowjetunion gehörten, wird seit längerem auch von der Kommunistischen Partei Rußlands thematisiert, indem sie die Rückgabe Memels an Rußland fordert, sprich eine Angliederung an die Region Königsberg.

Rogosin macht unter anderem das "schlechte Image Kaliningrads" für die Probleme mit der EU verantwortlich, da im Westen über Königsberg nur als Brutstätte von Aids und Tuberkulose, von Drogenabhängigen und des Verbrechens berichtet werde. Dies seien aber alles Märchen, die nur dazu führten, in der öffentlichen Meinung im Westen die Region zu diskriminieren. Es existiere nur ein einziges ernsthaftes Problem im Gebiet, und dies sei die illegale Migration vorwiegend von Menschen aus der Dritten Welt, die versuchten, via Königsberger Gebiet in den Westen zu gelangen. Diese unerwünschte Erscheinung sei allerdings leicht zu lösen durch verschärfte Kontrollen bei der Einreise nichtrussischer Bürger.

Ironie des Schicksals: Die Nachrichtenagentur "Interfax" berichtete, vier russischen Bürgern tsche-tschenischer Herkunft sei es in der vorvergangenen Woche gelungen, in Kaunas aus dem Zug Königsberg - Moskau zu springen, um in Litauen politisches Asyl zu beantragen. Als kürzlich über die Einrichtung eines Eisenbahn-Korridors in die Exklave diskutiert wurde, bestritt Moskau noch eine solche Vorstellung vehement als diskriminierende Provokation, daß russische Bürger aus Eisenbahnwaggons springen würden, um in den Westen zu gelangen. Manuela Rosenthal-Kappi