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24.08.02 / Das historische Kalenderblatt: 11. August - Dieser Tag wird im Jahre 1921 erstmals als staatlicher Nationalfeiertag begangen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Das historische Kalenderblatt: 11. August - Dieser Tag wird im Jahre 1921 erstmals als staatlicher Nationalfeiertag begangen
Weimars Verfassungstag
von Harry D. Schurdel

Der Anstoß, sich in der Weimarer Republik mit der Frage eines Nationalfeiertages näher zu beschäftigen, kam von außen. Im November des Jahres 1919 fragte das finnische Außenministerium, an, an welchem Tage die junge Republik ihren Festtag begehe. Daraufhin schrieb Reichsaußenminister Hermann Müller-Franken Reichskanzler Gustav Bauer mit Datum des 28. jenes Monats: "Die Erhebung eines Tages zum Nationalfeiertag, für die meines Erachtens der 11. August als Datum der Verfassung des Deutschen Reiches in erster Linie in Betracht kommt, wäre geeignet, die im Auslande bestehenden Zweifel an dem Bestand der demokratischen Staatsform des Deutschen Reiches zu zerstreuen." Das Kabinett schloß sich am 10. Dezember 1919 dieser Meinung an und beauftragte den Reichminister des Innern, das Weitere zu veranlassen.

Wie kam nun das Auswärtige Amt zu der "Erfindung" dieses Datums? Bis heute noch wird die irrige Ansicht vertreten, am 11. August 1919 sei die Weimarer Verfassung verabschiedet worden oder in Kraft getreten. Beides ist falsch. Die Nationalversammlung hatte die Reichsverfassung bereits am 31. Juli 1919 nach der dritten Lesung des Entwurfes mit 262 gegen 75 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Und Gültigkeit erlangte die Konstitution mit der Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt erst am 14. August 1919. Nein, das Datum des 11. August bezieht sich auf ein anderes Ereignis, auf einen ebenso denkwürdigen wie weitgehend unbekannt gebliebenen Staatsakt. Zu jenem 11. August 1919 ließ Reichspräsident Ebert das gesamte Reichskabinett ins thüringische Schwarzburg reisen, etwa 30 Kilometer südlich von Weimar gelegen, wo die Nationalversammlung wegen der unsicheren Sicherheitslage in Berlin tagte; daher auch der Name "Weimarer Republik". Ebert residierte während eines Erholungsurlaubs im Hotel "Weißer Hirsch". Dort nun fand die Unterzeichnung der Verfassungsurkunde durch das gesamte Reichskabinett statt.

Die Zeremonie war allem Anschein nach das Ergebnis hoher republikanischer Improvisationskunst: Auf der Titelseite der Urkunde wurden die vorgedruckte Worte "Entwurf einer" kurzerhand durchgestrichen und durch den Artikel "Die" (Verfassung des Deutschen Reiches) ersetzt. Auf der letzten Seite hatte Ebert vor Unterzeichnung das Datum augenscheinlich eigenhändig eingesetzt. Fortan wurde der unorganisierte Akt im "Weißen Hirschen" vom 11. August 1919 zur Grundlage für den "Verfassungstag" und damit für den zentralen republikanischen Feiertag im Staat von Weimar.

Froh geworden ist die Republik mit dem Tag nicht. So fiel gleich der erste anstehende Feiertag aus. Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 verlor die bisherige, die Proklamierung eines Nationalfeiertages zum 11. August befürwortende Koalition aus Sozialdemokraten, Zentrum und Deut- scher Demokratischer Partei (DDP) die Mehrheit. Diese sogenannte Weimarer Koalition, hinter der über drei Viertel der Wähler gestanden hatten, zerbrach infolge der Belastung durch den Versailler Vertrag und unter dem Eindruck des Kapp-Putsches bereits wenige Monate darauf. Die folgende, aus Zentrum, DDP und Deutscher Volkspartei (DVP) zusammengesetzte Regierung unter der Führung Reichskanzler Konstantin Fehrenbachs (Zentrum) weigerte sich, eine Verfassungsfeier zu veranstalten. Selbst eine Beflaggung der öffentlichen Gebäude ist mit der Begründung, man könne "in der Zeit der nationalen Erniedrigung nicht gut flaggen", abgelehnt worden.

So kam es erst 1921, nachdem im Mai wiederum eine Regierung der Weimarer Koalition, diesmal unter Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum), die Macht erlangt hatte, zum ersten staatlich begangenen nationalen Festtag. Die Ausgestaltung der Feier in der Berliner Staatsoper Unter den Linden wurde dem für die "Formgebung des Reiches" zuständigen Reichskunstwart Edwin Redslob, dem Ministerialdirektor Alfred Brecht aus dem Reichsministeriums des Innern und dem Schriftsteller Otto Grautoff anvertraut. Die Ansprache hielt der Reichskanzler selbst, nachdem es nicht gelungen war, einen geeigneten, renommierten Festredner zu finden. Wirth stellte in den Mittelpunkt seiner Rede die Frage der Gebietsabtretungen, womit er die Tradition begründete, den jeweiligen Verfassungstag unter ein bestimmtes historisches oder politisch-aktuelles Motto zu stellen. Die Veranstaltung selbst fand, trotz der sie ausrichtenden "Feierexperten", in einem recht bescheidenen Rahmen statt, insonderheit fiel die nur dezente Ausschmückung mit schwarz-rot-goldenen Fahnen auf. Angesichts der scharfen parlamentarischen Auseinandersetzung, die Ende Juni um die neue Flaggenverordnung ausgefochten worden war, wollte man jedes als Provokation auszulegende "Schwarzrotgold-Fest" vermeiden. So fanden sich denn auch jene zum Festakt ein, welche der jungen Republik nicht eben gerade wohlgesonnen waren. "Es war gewissermaßen der erste Erfolg des Unternehmens", vermerkte Arnold Brecht ironisch zur ersten Verfassungsfeier 1921, "als Leute, die sich sonst nicht gern zur Weimarer Republik bekannten, sich beschwerten, daß sie nicht eingeladen waren."

Doch nach der vorläufigen Vertagung der Nationalfeiertagsfrage und dem zögerlichen, aber immerhin hoffnungsvollen Auftakt des Jahres 1921 blieb der 11. August während der gesamten Weimarer Zeit, und man feierte ihn immerhin zwölfmal, "ein äußerst diffiziles und konfliktträchtiges Thema der deutschen Innenpolitik", um es mit den Worten des Historikers Fritz Schellack zu sagen. So kam es auch nie zu einer offiziellen Bestätigung des Feiertages durch die Legislative. Alle Versuche, eine Abstimmung im Reichstagsplenum zu erreichen, blieben im Rechtsausschuß des Parlaments hängen.

Vor 70 Jahren, am 11. August 1932, wurde der letzte Verfassungstag begangen, ein Jahr später regierten mit den Nationalsozialisten bereits erklärte Gegner des "Weimarer Systems".

Unterschriften des Reichspräsidenten und des Reichskabinetts: Sie bildeten den Anlaß für den Verfassungstag in der Weimarer Zeit.