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24.08.02 / FPÖ-Politiker arbeiten an einer EU-weiten Kooperation demokratischer Rechtsparteien

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Spektakel um Treffen in Kärnten: "Äußerst gefährliche Kräfte"
FPÖ-Politiker arbeiten an einer EU-weiten Kooperation demokratischer Rechtsparteien
von Frank Philipp

Medien neigen zu Übertreibungen. Eine "Rechte Allianz für Europa" wollte kürzlich das Nachrichtenmagazin Focus ausgemacht haben. Hintergrund der Meldung war ein Treffen europäischer Rechtsparteien in Kärnten unter der Schirmherrschaft des FPÖ-Politikers Jörg Haider. Nicht nur in Österreich hat dies viel Staub aufgewirbelt.

Noch vor zwei Jahren, als vierzehn EU-Staaten zum Boykott der schwarz-blauen Koalition in Wien aufriefen, war Europas politische Landkarte überwiegend rot bis dunkelrot gefärbt. Seitdem purzelten ein halbes Dutzend sozialistische oder linksliberale Regierungen wie die Kegel um. "Rechtspopulisten" traten als Herausforderer der etablierten Parteien auf die Bühne.

In Italien sind Umberto Bossis Lega Nord (Lega) und Gianfranco Finis Alleanza Nazionale (AN) mit gemeinsam 16 Prozent der Wählerstimmen feste Größen im römischen Kabinett. In Dänemark holte die Dansk Folkeparti (DF) der resoluten Pia Kjaersgaard zwölf Prozent. In Portugal kam die rechte Partido Popular (PP) bei der jüngsten Wahl auf neun Prozent, ihr Chef Paolo Portas wurde neuer Verteidigungsminister. Die Fortschrittspartei des Norwegers Carl Hagen erhielt 15 Prozent der Stimmen und stützt heute eine konservative Minderheitsregierung in Oslo. Ja, selbst im permissiv-liberalen Holland trat ein bunter Protesthaufen unter dem Banner des kurz vor der Wahl ermordeten Pim Fortuyn an, kam mit einer Kampagne für einen Einwanderungsstop aus dem Stand auf sensationelle 17 Prozent der Stimmen.

Von Skandinavien bis Sizilien - Europa rückt nach rechts. Auf jeden Triumph der Rechtspopulisten folgte das Wehklagen von linksliberalen Intellektuellen, die Demokratie sei in Gefahr. Bis vor zwei, drei Jahren konnte eine tonangebende, linksliberale Medien-Elite mit dieser Masche die demokratische Rechte noch an den Rand drängen und ausgrenzen. Themen wie Einwanderung, Überfremdung und steigende Kriminalität, Werteverfall, Verwahrlosung der Städte oder der Brüsseler Zentralismus sollten nach dem Muster der political correctness tabuisiert werden. Aber die Rechtspopulisten, die "bösen Buben", erhielten immer stärkeren Zulauf. Den Anfang machte 1999 die FPÖ, die mit 27 Prozent bei den Nationalratswahlen gar den zweiten Platz eroberte. Haiders Name steht seitdem europaweit als Chiffre für einen neuen, polarisierenden Politikstil.

Es bleibt aber ein kurioses Phänomen, daß die verschiedenen "bösen Buben" sich von den jeweils anderen "bösen Buben" in anderen Ländern fleißig distanzierten. Pim Fortuyn, den die Medien als "holländischen Haider" bezeichneten, wollte mit dem echten Haider rein gar nichts zu tun haben - trotz ähnlicher politischer Vorstellungen. Ebenso der Hamburger Richter Ronald Schill, heute Innensenator der Hansestadt: Er schimpfte wüst in Richtung Kärnten, damit er nicht in die Nähe Haiders gestellt werde. Auch der Österreicher zeigte Berührungsängste: Vor Jahren suchte der Schweizer Milliardär und Volkstribun Christoph Blocher das Gespräch mit Haider, doch der lehnte ab. Im August 2000, auf dem Höhepunkt der EU-Sanktionen, reiste eine Delegation der dänischen Folkeparti nach Wien, um Solidarität mit den Österreichern zu demonstrieren. Sehr erstaunt waren die Dänen, als die damalige Wiener FPÖ-Funktionärin Helene Partik-Pablé sie nicht empfangen wollte. Heute ist die Parteichefin Kjaersgaard beleidigt.

"Die Ausgegrenzten grenzen sich gegeneinander aus", beklagt dieses Phänomen der Wiener Publizist und FPÖ-Berater Andreas Mölzer schon seit Jahren. Auf Initiative der von ihm geleiteten Wochenzeitung Zur Zeit kam es Ende Juli zum rechten Europa-Symposium. In vertraulicher Runde kamen dabei im Schloßhotel Seefels am Wörthersee führende FPÖ-Politiker wie Haider, der Volksanwalt Ewald Stadler oder der Wiener Vizeobmann Heinz Christian Strache mit dem Lega Nord-Europaabgeordneten Mario Borghezio, einem Vertrauten Umberto Bossis, und der Spitze des belgischen Vlaams Blok, Frank Vanhecke und Filip Dewinter, zusammen. Als weitere Teilnehmer begrüßten Haider und Mölzer Vertreter der portugiesischen Partido Popular sowie vom rechten Flügel der regierenden spanischen Konservativen. Aus Deutschland waren der frühere Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU), der ehe- malige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP) sowie Joachim Siegerist, Vorsitzender des Hamburger Vereins "Die Deutschen Konservativen" angereist.

Bei einem sechsgängigen Menü, dazu gab es kräftigen südsteirischen Weißen oder italienischen Rotwein, beschnupperten sich die verschiedenen Rechtspolitiker. Haider schleppte seine Gäste zu einer Party und über die Seepromenade. Hinterher zeigte sich der Italiener Borghezio, im ersten Kabinett Berlusconi immerhin Justizstaatssekretär, ganz begeistert: Er sei "beeindruckt", welche Sympathien Haider bei seinen Kärntner Landsleuten habe. Auch der Flame Dewinter beteuert, "mir tut es leid, daß wir aufgrund falscher Medienberichte bisher gegenseitige Berührungsängste gehabt haben". Inhaltlich sehe er bei den Themen "Überfremdung, Kriminalität, Familie und Europa" völlige Übereinstimmung.

Durch die Reihen der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) und der Grünen ging ein Aufschrei, als sich die Nachricht von der illustren Runde wie ein Lauffeuer verbreitete. Es sei ein "Skandal, daß Haider als Gastgeber rechtsextremer Kräfte agiert", polterte die SPÖ und warnte, Kärnten werde zum "Aufmarschgebiet äußerst gefährlicher Kräfte". Die mit der FPÖ gemeinsam regierende Volkspartei (ÖVP) von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel tat peinlich berührt über das Treffen mit dem Vlaams Blok, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Michael Spindelegger, außenpolitischer Sprecher der ÖVP, äußerte lediglich, Haider könne treffen, "wen er will".

Weniger locker nahmen die Freiheitlichen selbst das Treffen mit Politikern des Vlaams Blok auf. Umgehend eilte die nominelle FPÖ-Vorsitzende und österreichische Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer aus ihrem Urlaub zurück. Mehrere freiheitliche Politiker vom eher liberalen Flügel hatten sich zuvor schon mit scharfen Worten von den belgischen Separatisten abgegrenzt: Für die FPÖ kämen diese als Partner "nicht in Frage", bekräftigte Peter Sichrovsky, Generalsekretär der Partei. Seine Kollegin im EU-Parlament, Daniela Raschhofer, ereiferte sich über den "Rechtsextremismus des Vlaams Blok", worauf Haider sie als "ein Opfer der politischen Tugendgesellschaft in Brüssel" abkanzelte. Der jüngst durch seine Rede zum 8. Mai 1945 in die Schlagzeilen geratene Volksanwalt Ewald Stadler sprang Haider zur Seite. Die FPÖ, forderte er, müsse "in weltanschaulichen Fragen mehr Rückgrat" zeigen.

Der Konflikt zwischen Haider und Riess-Passer drohte zu eskalieren: Während Riess-Passer erklärte, es gebe "keinerlei Gemeinsamkeiten" mit dem Vlaams Blok, sah Haider, "daß die Positionen des Vlaams Blok in vielfältiger Weise mit dem identisch sind, was die FPÖ in Österreich will". Eine Zusammenarbeit sei deshalb "sehr vernünftig", fand der Kärntner Landeshauptmann. Unterstützung erhielt er von den FPÖ-Landesparteivorständen Wien, Salzburg, Vorarlberg und Tirol. Er sei "gegen jegliche Ausgrenzung von demokratisch gewählten Kräften", sagte der Tiroler Parteivorsitzende Willi Tilg. Um dem Streit die Schärfe zu nehmen, lenkte Riess-Passer schließlich ein. Es gebe "keinen Richtungsstreit, aber unterschiedliche Vorstellungen" erklärte die FPÖ-Chefin (Spitzname "Königskobra") auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Haider.

Nur wenige haben bislang erkannt, welche Chancen das Treffen der Rechtspopulisten eröffnet. Einer der Teilnehmer, der Wiener Historiker Lothar Höbelt, analysiert: "Hintergrund des Treffens ist das Dilemma der Parteien und Bewegungen außerhalb der christlich-demokratischen oder sozialdemokratischen Parteienfamilien." Die Kräfte, die sich "gegen eine europäische Integration à la Jacques Delors wenden, also gegen die Tendenz zu immer mehr Bürokratie und Zentralismus, sind im strategischen Nachteil", so der FPÖ-Berater. Bislang hätten die Rechten die europäische Bühne ihren Gegnern überlassen. "Die Linke", urteilt Höbelt, "ist in der Sozialistischen Internationalen bestens vernetzt, wie man bei den Sanktionen gegen Österreich erlebt hat."

Nach Höbelts Auffassung hat die Linke es "blendend verstanden, alle Instrumente ihrer Regulierungswut auf die Ebene der EU zu transferieren. Es wäre fatal, wenn nach dem Zusammenbruch des Ostblocks der Sozialismus durch die Hintertür der europäischen Bürokratie wieder eingeführt wird." Oberstes Ziel der rechtspopulistischen Gruppierungen müsse es sein, "die regionalen Identitäten zu fördern, die kulturelle Vielfalt Europas zu wahren und dazu die Zuwanderung zu begrenzen". Zwei kleine Fraktionen, die "Union für das Europa der Vaterländer" (UEN), sowie die Gruppe "Für das Europa der Demokratie und der Unterschiede" (EDD) schreiben sich diese Ziele auf die Fahnen. Bei der UEN finden sich neben der italienischen Alleanza Nazionale auch die Fianna Fail Partei des irischen Premiers Bertie Ahern.

Fast dreißig rechte Abgeordnete, darunter die von FPÖ, Lega Nord und Vlaams Blok, sind noch fraktionslos. Das bedeutet, sie erhalten weniger Geld, weniger technische Ausstattung und weniger Personal. Viel schwerer wiegt, daß sie laut Geschäftsordnung nicht das Recht haben, eigene Anträge einzubringen. Daher strebt die FPÖ-Chefin Riess-Passer im Europaparlament offenbar eine Annäherung an die UEN an. Im Herbst wird Italiens Vizepremier Gianfranco Fini sie in Wien besuchen, um Möglichkeiten einer engeren Kooperation zu beraten. Schon dämpft UEN-Präsident Charles Pasqua ihre Hoff- nung: "Eine Aufnahme der FPÖ ist nicht unsere Hauptpriorität, auch wenn wir in manchen Politikbereichen ähnliche Ansichten vertreten", erklärte der bekannte französische Altgaullist und frühere Innenminister auf Nachfrage.

Weiterhin haben die Rechtspopulisten Berührungsängste, doch Andreas Mölzer, FPÖ-Vordenker und Fädenspanner, gibt sich überzeugt, "wenn man das Weiße im Auge des anderen gesehen hat, schaut alles gleich ganz anders aus". Seine Zeitschrift Zur Zeit werde weitere Treffen organisieren, um die Leute an einen Tisch zu bringen. Daß es zur nächsten Europawahl 2004 eine gemeinsame Liste der Rechtspopulisten geben werde, ist bislang nur ein Gerücht. Dem stehen neben inhaltlichen Fragen auch die Hürden des europäischen Wahlrechts im Weg.

Ursprünglich wollte der EU-Konvent das Wahlsystems bis zum Frühjahr 2003 reformieren, nun aber sind die Beratungen ins Stocken geraten. "Der Siegeszug der europäischen Rechten hat die Debatte gebremst. Regierungen und Parlament wollen deren EU-Kandidatur verhindern", vermutet die Politologin Sonja Puntscher-Riekmann von der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaften. Eine europaweite "Liste Jörg Haider", wie sie FPÖ-General Sichrovsky jüngst angeregt hat, ist noch Zukunftsmusik. n

 

Der Konflikt innerhalb der österreichischen Freiheitlichen drohte zu eskalieren: FPÖ-Chefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer mit Kärntens Landeshauptmann (Ministerpräsident) Jörg Haider. Kurz nach dem Erdrutschsieg ihrer Partei im Oktober 1999 waren beide noch friedlich vereint. Foto: dpa