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31.08.02 / "Arbeitskreis Deutsche Zwangsarbeiter" appelliert an Regierung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. August 2002


Berlin: Die Würde wiederherstellen
"Arbeitskreis Deutsche Zwangsarbeiter" appelliert an Regierung
von Hans Heckel

Es sei für ihn "ein Stich ins Herz, daß man über deutsche Zwangsarbeiter nicht spricht", gesteht Rudi Pawelka zu Beginn der Pressekonferenz des "Arbeitskreises Deutsche Zwangsarbeiter" (AKDZ) vergangene Woche in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits bekannt, daß Bundeskanzler Schröder (SPD) die Resolution der Opfervertreter nicht persönlich entgegennimmt. Daß nicht einmal ein untergeordneter Kanzleramtsbediensteter für sie zu sprechen sein wird, das kann sich zu diesem Zeitpunkt wohl auch Pawelka nicht vorstellen.

Die deutschen Zwangsarbeiter sind es gewohnt, nur leise oder gar nicht von ihrem Schicksal zu reden. Sie haben erfahren, wie sie von Nachgeborenen beschimpft wurden, sie wollten das NS-Unrecht "relativieren". Die alten Menschen haben erlebt, wie sie, die Opfer, auf diese Weise naßforsch zu Tätern umdefiniert wurden. Sie haben gelernt zu schweigen.

Aber sie wollen jetzt nicht mehr schweigen. Für viele der angereisten Medienvertreter dürften die Berichte über deutsches Leid ziemlich neu gewesen sein. Sie waren für eine Pressekonferenz vorrangig von Vertriebenenverbänden erstaunlich zahlreich erschienen. Bernhard Knapstein, Pressereferent der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), hatte die Veranstaltung mit viel Engagement vorbereitet.

Die LO dient auch als Erfassungsstelle für Betroffene aus Ost- und Westpreußen sowie Pommern. Darüber hinaus haben sich viele Ostpreußenblatt-Leser aus anderen Gebieten, etwa Rußlanddeutsche oder Sudetendeutsche, die einst zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren, bei der LO in Hamburg gemeldet.

Die Zahlen lassen das Ausmaß des Leidens erahnen. Allein eine halbe Million Opfer sind nach Schätzung des AKDZ bis dato nicht angemessen entschädigt worden. Die genaue Zahl der einst Verschleppten läßt sich kaum ermitteln. Laut Untersuchungen sind von den Deportierten 50 Prozent in den Lagern, den Fabriken und Kohlegruben umgekommen, so der AKDZ. Das übersteige sogar die Mortalität in den berüchtigten NS-Einrichtungen. Auch seien die deutschen Zwangsarbeiter jünger als die NS-Deportierten, zahllose waren noch Mädchen und Jungen vor der Pubertät.

Der AKDZ will nun erreichen, daß die vergessenen, verdrängten Opfer eine Entschädigung erhalten. Berlin solle die für die Zwangsarbeit verantwortlichen Staaten "anhalten, ihrer moralischen Verpflichtung gegenüber den Betroffenen nachzukommen", wie es in der Resolution heißt, zu deren Unterzeichnern auch der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, zählt. Gegebenenfalls solle die Bundesregierung selbst schnelle Hilfe leisten. LO-Pressereferent Knapstein mahnt vor allem eine rasche Überarbeitung des "Häftlingshilfegesetzes" an. Bei der derzeitigen Rechtslage würden gleiche Schicksale ganz unterschiedlich behandelt: "Bei manchen Opfern bekommt die eine Insassin desselben Lagers bereits Entschädigung, während ihre Lagergenossin leer ausgeht", so Knapstein. Obwohl man die verantwortlichen Regierungen in Osteuropa nicht aus ihrer moralischen Pflicht entlassen will, bleibt gerade wegen solcher Gesetzeslücken Berlin Hauptadressat der Forderungen ehemaliger deutscher Zwangsarbeiter.

Der Arbeitskreis legt Wert darauf, daß die Altersversorgung der Opfer ohne Rücksicht auf ihr damaliges Alter ergänzt wird. Sonst würden jene, die damals noch Kinder waren, womöglich gerade aufgrund dessen leer ausgehen - da sie noch nicht alt genug gewesen sind, um Rentenansprüche zu erwerben. Überdies seien Kriegsgefangene, die wegen ihres Wohnsitzes (SBZ/DDR, Vertreibungsgebiete) keine Leistungen aus dem "Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz" erhalten hatten, so zu entschädigen wie ihre Leidensgenossen in der alten Bundesrepublik.

Es gelte, so die Sprecher des AKDZ, sowohl eine sozialgesetzgeberische Lücke wie eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Die Würde der Menschen müsse durch die Debatte über ihr Schicksal wiederhergestellt werden. In der DDR etwa galten heimgekehrte Zwangsarbeiter als Straftäter. Wer heute noch in den Vertreibungsgebieten wohnt, erlebt, wie beispielsweise polnische ehemalige Zwangsarbeiter in seiner Nachbarschaft Entschädigung aus Deutschland erhalten, während sein Leidensweg in Berlin niemanden zu rühren scheint. Die Ausrede der Bundesregierung, solche Opfer würden ja auch von den allgemeinen Hilfen Deutschlands für die osteuropäischen Staaten profitieren, kann hier nur als kalte Mißachtung aufgefaßt werden.

Nach Berlin gekommen war auch eine Reihe Betroffener. Sie berichteten den Medienvertretern von den Lagern, vom Hungern, vom Sterben - und von der Angst. Nicht alle wurden in ferne Regionen deportiert. Hunderttausende erlebten ihr Martyrium in den Lagern Pommerns, Schlesiens oder Ostpreußens. Für Zahllose verwandelten die neuen Herren die eigene Heimat in eine Hölle.

Die ehemaligen Zwangsarbeiter erzählten aber auch von der Enttäuschung. Zum Skelett abgemagert kamen sie nach Westen, wo sich niemand sonderlich für ihr Schicksal interessierte. Andere kehrten in ihre östlichen Heimatgebiete zurück und erlebten die Enteignung und Entrechtung der Deutschen bis heute. Und viel zu viele, die all das überlebt haben, sind mittlerweile tot.

Dem AKDZ gehören neben der Landsmannschaft Ostpreußen auch die Landsmannschaften der Banater Schwaben, der Donau-schwaben, der Schlesier, Oberschlesier, Pommern, Sudetendeutschen, die Landsmannschaft Weichsel-Warthe und der Bund stalinistisch Verfolgter an.

 

"Stich ins Herz": AKDZ-Sprecher Rudi Pawelka (rechts, neben Sibylle Dreher/BdV) durfte die Zwangsarbeiter-Resolution nicht einmal einem untergeordneten Kanzleramtsbediensteten übergeben