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31.08.02 / Nach der Flut: Nation und EU

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. August 2002


Gedanken zur Zeit: 
Nach der Flut: Nation und EU
von Wilfried Böhm

Plötzlich wie die Flut kommt das Wort "National" - ansonsten als "Unwort" politisch korrekt gemieden - locker aus Politikermund. "Nationale Solida- rität" (Gerhard Schröder) oder ein "nationaler Kraftakt" (Edmund Stoiber) seien notwendig, um die schrecklichen Folgen des Hochwassers zu bewältigen.

Wir nehmen zur Kenntnis, daß sich Schröder und Stoiber nicht an die "Bevölkerung im Geltungsbereich des Grundgesetzes" wenden, wenn es gilt, mit unerwarteter Not fertig zu werden. Nehmen wir zugunsten des Bundeskanzlers und des Kanzlerkandidaten an, daß ihre Formulierungen nicht taktischen oder gar wahltaktischen Überlegungen entspringen, dann wird deutlich, daß Not nicht nur Beten lehrt, sondern auch Erkenntnisse darüber vermitteln kann, was eigentlich eine Gesellschaft zusammenhält.

Es ist also doch nicht der "Verfassungspatriotismus" allein, der identitätsstiftend ist und der politisch korrekt an die Stelle des am Volk und seiner Geschichte orientierten Nationalbewußtseins gestellt werden kann. Allemal ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als deren Verfassung der "Kronjuwel" im Selbstverständnis der deutschen Demokratie und als solcher unübersehbar und gerechtfertigt. Aber dieses Grundgesetz darf nicht allein stehen, sonst bleibt nur steriler Verfassungspatriotismus. Die Zugehörigkeit zum Deutschen Volk, seiner Kultur, Sprache und Geschichte sind europäischer Tradition entsprechend unverzichtbar die Grundlage unseres demokratischen Nationalstaats, der wiederum mit anderen zusammen den Bund der Europäischen Nationalstaaten zu bilden in der Lage ist.

Die real existierenden Staaten Europas sind im Ergebnis ihrer Geschichte in der Gegenwart mehr als Gesellschaften von Bürgern, die sich theoretisch als Individuen eine Verfassung gegeben haben und sich ihr verpflichtet fühlen. Vielmehr ist man "Deutscher", "Franzose", "Spanier" oder "Schwede" nicht nur wegen seiner Staatsangehörigkeit, sondern wegen seiner komplexen ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Prägung. Jedes Staatsvolk in Europa, das dem jeweiligen Staat seinen Namen gibt, verkörpert eine Nation und damit eine Schicksalsgemeinschaft. Diese Feststellung hat mit der "Blut- und Boden"-Ideologie der Nationalsozialisten nichts zu tun, denn diese war gegen Volk und Nationalstaat gerichteter rassistischer Extremismus.

Wenn die beiden politisch führenden Politiker Deutschlands angesichts der Folgen einer schweren Naturkatastrophe von den Bürgerinnen und Bürgern zu Recht "nationale Solidarität" und einen "nationalen Kraftakt" verlangen, tragen sie der Erkenntnis Rechnung, daß nationales Handeln und Argumentieren eine wichtige Komponente politischen Handelns in Europa ist.

Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe geht der eine der beiden Politiker - Stoiber - im Blick auf die real existierende Brüsseler Umverteilungsmaschinerie, die Europäische Union (EU), sogar noch weiter: er erwarte von der EU, daß sie "mehr Hilfe als bisher geplant" für die Opfer der Katastrophe bereitstelle. In der Tat sind die bisher genannten Summen von bestenfalls ein bis anderthalb Milliarden Euro, also zwei bis drei Milliarden DM, ein Tropfen auf den heißen Stein, angesichts der Tatsache, daß Deutschland als Haupt-Nettozahler im letzten Jahrzehnt rund 240 Milliarden DM an die EU gezahlt hat. Wenn man bedenkt, daß "Europa" jetzt praktisch nur Geld zur Verfügung stellen will, das sowieso nach Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg geflossen wäre, dann wird diese sogenannte "Ka-tastrophenhilfe" in Höhe und Form zum Skandal. Deutschlands finanzielle Netto-Leistungen, mit denen unter anderem Parkplätze und Strandanlagen an Spaniens und Portugals Küsten ebenso wie innerstädtische Verkehrssysteme in Griechenland gebaut werden, wurden erbracht und werden noch zu erbringen sein, obwohl es selbst gewaltige nationale Aufgaben bei der Überwindung der Folgen des Sozialismus in der ,DDR' (fälschlicherweise "Kosten der Einheit" genannt) zu bewältigen hatte und haben wird. Ein "netto-beitragsfreies Jahr" für Deutschland wäre das Mindeste, was angesichts der Flutkatastrophe von den Freunden in Europa eingeräumt werden sollte. Frau Thatcher wäre sicher nicht zimperlich gewesen, ihre Handtasche auf den europäischen Tisch zu legen, wenn sie in vergleichbarer Lage wäre. Die Umgestaltung der EU in einen Ausgleichsfonds der europäischen Nationalstaaten für unvorhersehbare zivile und militä-rische Katastrophen- und Ver- teidigungsfälle wäre eine reizvolle Alternative zum gegenwärtigen System von Brüssel, weil so "nationale Solidarität" und "nationale Kraftakte" leichter zu realisieren wären.