23.04.2024

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07.09.02 / Schaden und Entschädigung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. September 2002


Schaden und Entschädigung
Bei magischen Zahlenspielereien ist Vorsicht geboten / Von R. G. Kerschhofer

Zunächst ging es nur um Hilfe. Doch nach der Flut wird gerechnet: Die Worthäufigkeit von "Schaden" und "Entschädigung" ist deutlich gestiegen, große Versprechungen werden gemacht, und manches klingt nach wundersamer Geldvermehrung durch "Umschichtung" - Voodoo-Zauber. Umso wichtiger ist es daher, sich die Geldflüsse und die Auswirkungen auf das "BIP" näher anzusehen, auf jene magische Größe namens "Bruttoinlandsprodukt", von der soviel für uns abzuhängen scheint.

Wie groß ist eigentlich der Schaden? Aus den betroffenen Gebieten kommen hohe Summen, denn kein Lokalpolitiker kann sich Untertreibungen leisten. Die Zahlen, von denen Brüssel spricht, sind ungleich niedriger. Von großen Schäden sprechen natürlich auch die Versicherungen, wenngleich für sie "Schaden" nur das ist, was an versicherten Objekten entsteht. In absoluten Zahlen war der Schaden wohl in der Bundesrepublik Deutschland am größten, auf das BIP bezogen sicher in der Tschechei, pro Kopf der Bevölkerung vielleicht in Österreich - doch wieviel genau?

Zumeist werden Äpfel und Birnen addiert, denn wovon soll man ausgehen: Bei zerstörten Gütern vom Zeitwert, vom alten Anschaffungswert oder vom Neubeschaffungswert? Bei beschädigten Gütern nur von den Reparaturkosten oder auch von Wertminderungen? Wie steht es mit Entsorgungskosten aller Art? Oder mit Schäden, die sich erst später zeigen? Vieles läßt sich auch gar nicht berechnen: Nur wer je ein Haus gebaut oder einen Betrieb eingerichtet hat, kann voll ermessen, wieviel an Eigenleistung drin steckt.

Angesichts des Wahlkampfs in der Bundesrepublik und einer auch bei den Nachbarn steigenden EU-Skepsis schien es dem deutschen Kanzler als "Genie-Streich", EU-Chef Prodi nach Berlin einzuladen - und als Garnierung dazu noch die Amtskollegen aus Österreich, der Tschechei und der Slowakei. Mittlerweile zeichnet sich allerdings ab, worin die EU-Soforthilfe besteht: Die Bundesrepublik Deutschland und Österreich dürfen Vorschläge zur Genehmigung einreichen, um einen Teil jener "Strukturmittel", die ohnehin für ihre Zielgebiete bereitstanden, für die Hochwasseropfer umzuwidmen - in Sachsen etwa von Sachsen nach Sachsen. Natürlich wird die EU einen Katastrophenfonds einrichten - nächstes Jahr. Die Netto-Zahler Bundesrepublik Deutschland und Österreich werden sich also wie weiland Münchhausen selber aus dem Sumpf ziehen. Hauptsache für Erweiterungs-Kommissar Ver-heugen, daß gleich auch die Benesch-Dekrete vom Schreibtisch gespült wurden.

Von den fälligen Entschädigungen wird ein Teil an ausländische Versicherer überwälzt - so wie auch wir bei Schäden im Ausland indirekt mitzahlen. Dieses weltweite Rückversicherungssystem, das unterschiedliche Techniken nützt, ist also Kapitalismus pur, trotzdem aber viel effektiver als alles, was über staatliche oder multinationale Kanäle an "Solidarität" produziert wird.

Wenn sich manche freuen, daß ihre "alten DDR-Versicherungen" noch das Hochwasser-Risiko decken, so darf zwar bezweifelt werden, daß die DDR bei derartigen Katastrophen ihre Verpflichtungen hätte einhalten können. Dennoch ist auch hier ein wichtiger Fingerzeig: Zusätzlich zu allen künftigen Schutzbauten und Absiedelungen sollen möglichst viele Risiken versicherbar gemacht werden. Wo dies nicht durch Vorschriften allein möglich ist, müssen eben staatliche Prämienzuschüsse an versicherte Personen und Betriebe (nicht an die Versicherer) beschlossen werden. Denn jede Versicherung ist Eigenvorsorge und entlastet im Ernstfall die Öffentlichkeit.