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21.09.02 / Irak: Schröders letzter Trumpf

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. September 2002


Irak: Schröders letzter Trumpf
Die internationale Debatte um Saddam Hussein kam dem Kanzler wie gerufen

Selten ist ein altes Bonmot so deutlich bestätigt worden wie in diesen Tagen: Es wird nie so viel gelogen wie nach einer Jagd, wie während eines Kriegs oder wie vor einer Wahl. Das gilt nicht nur für den Vorderen Orient, wo das Regime des Saddam Hussein sich als Opfer einer ausländischen Aggression aufführt und dafür die deutsche Regierung als Kronzeugen anführt. Das gilt vor allem für Deutschland, wo ein fiktives Thema - die Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Bagdad - wirkliche Daten in den Computern der Umfrage-Institute schuf.

Die Umstände für die Angstmache waren günstig, es gab eine potentielle Bedrohung und viel Medienrummel um das Thema Irak. Hinzu kam: Der Angstpegel vor Anschlägen stieg. In Amerika und Europa häuften sich die Terrorwarnungen vor dem Jahrestag des 11. September. Damit hatten die Terroristen der Al Quaida schon den ersten Erfolg auf ihrer Seite, ohne einen einzigen Schuß abgegeben zu haben. Vor allem Länder mit Stätten hohen Symbolgehalts (Eiffelturm, Big Ben, Kölner Dom, Petersplatz, Golden Gate Bridge etc.) sind nach wie vor gefährdet. Die Angst wühlte auf, es bedurfte nur ein paar Sätze, um die Emotionen auf die Mühlen der SPD zu leiten. Stimmungen sind die offene Flanke der freien Gesellschaft: Alles ist möglich, absolute Sicherheit gibt es nicht. Die Besetzung der Gemüter durch Angst und Schrecken ist die erste Stufe der Unterwerfung - wenn es bei diesem Gemütszustand bleibt. In dieser Gefahr steht auch Deutschland. Sie kann aber auch zum Gegenteil führen, zum Wunsch nach einem Befreiungsschlag. In dieser Gefahr stehen die Vereinigten Staaten von Amerika. Terroristen sind Könige des Schreckens ohne Land. Sie sind überall und nirgends. Sie gilt es zu jagen und zu erlegen, und wenn Saddam Hussein dazu gehört, dann soll es ihn persönlich treffen, nicht ein ganzes Volk. Auch viele Europäer wollen sich wehren, dabei aber den Verstand nicht außer Kraft setzen. Natürlich geht es für alle Industrienationen um das Öl und seinen Preis. Das ist der gemeinsame Lebensnerv für Europa und Amerika. Für einen Präventivkrieg gegen Bagdad aber fehlen einigen Europäern noch hinreichende Beweise einer unmittelbaren Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen. Ohne Legitima-

tion bringt man die ganze Region gegen sich auf, und auch das gefährdet die Ölversorgung. Das Völkerrecht darf nicht aus Angst oder Rache mißachtet werden. Der Primat des Rechts ist die Grundlage der Freiheit, auch unter den Völkern. Wer aus Angst zuschlägt, um sich Genugtuung zu verschaffen, verhält sich wie derjenige, der zuschlägt, um Angst zu erzeugen. Eiskalte Vernunft ist jetzt gefragt. Eine zwingende, bündnisverpflichtende Bedrohungsanalyse verlangt kon-

krete Verdachtsmomente, jedenfalls mehr als Vermutungen, auch im Krieg gegen den Terror.

In dieser Situation sind nüchterne Konsultation und diskrete Abstimmung das Gebot der Stunde. Noch ist nichts entschieden in Washington. Die laute Aufkündigung der Solidarität ohne konkreten Anlaß ist ebenso emotional wie die bedingungslose Bereitschaft, überall mitzumarschieren. Schröder steht für die erste, Blair für die zweite Variante. Besonnenheit bei den Verbündeten hilft den US-Amerikanern jetzt am meisten. Die Franzosen, die auch vor Terroranschlägen warnen und bekanntlich eben-

falls gegen einen Krieg im Mittleren Osten sind, haben die Vereinten Nationen ins Spiel gebracht. Washington folgte. Bush stellte dem Irak Bedingungen, über deren Erfüllung die Uno wachen soll. Der Ball liegt im Sicherheitsrat. Und der Einfluß der Franzosen in den USA ist erheblich gewachsen.

Der Einfluß Deutschlands dagegen sinkt. Das um so mehr, als die Deutschen im irakischen Fernsehen zu den Helden Europas hochstilisiert werden, die sich gegen die Vorherrschaft der USA zur Wehr setzen. Eine merkwürdige Konstellation: Schröder Seite an Seite mit Saddam Hussein, Le Pen und Haider. Der außenpolitische Schaden ist schon groß. Denn ganz gleich, wer am 22. September als Sieger in Berlin dasteht, er wird in der Irak-Krise die Isolation zu überwinden haben, in die die rotgrüne Scherbenpolitik Schröders Deutschland geführt hat. Gewinnt Schröder, wird er erklären müssen, wie Berlin dem Terror begegnen will, und beharrt er auf der kategorischen Position, die er seit Wochen propagiert, dann riskiert er mit diesem deutschen Sonderweg und Alleingang 50 Jahre Friedenspolitik Deutschlands. Gewinnt Stoiber, wird er es außen leichter, innen aber mit den Pazifistengeistern zu tun haben, die Schröder und Fischer aus der alten 68-Flasche holten. Es sind die Geister, die nach Unterwerfung schreien, nicht nach Freiheit. Ihr Echo in Frankreich und den USA ist dünn. Das aber sind die Partner und Verbündeten, auf die es für die Zukunft Deutschlands ankommt.

Zur Sache selbst überlegt man in Paris und Washington anders als in Berlin. Es werden erst mal Informationen zusammengetragen. Zum Beispiel: Im Norden des Irak sollen sich Al-Quaida-Kämpfer sammeln zur Unterstützung von Saddam Hussein. Einige der Attentäter vom 11. Sep- tember sollen im Irak ausgebildet worden sein. Die Meldung liest sich wie bestellt. Es wäre, wie die Angelsachsen sagen, eine "smoking gun", eine noch rauchende Pistole. Im vornehmen Kontinentaleuropa heißt das: Auf frischer Tat ertappt. Trifft die Meldung zu, dürften in absehbarer Zeit die US-amerikanischen Kanonen rauchen. Sicher ist: Es rauchen schon die Köpfe der Militärstrategen, denn in Washington weiß man noch nicht, wie man Saddam Hussein stürzen soll. Von diesem "Wie" aber hängt nicht nur der Zeitpunkt - wahrscheinlich im Januar wegen der klimatisch günstigeren Bedingungen -, sondern auch der Umfang der Militäraktionen ab, sprich Feldzug oder Krieg.

Die Bandbreite der militärischen Möglichkeiten ist weit, das Feld der politischen Alternativen nach Hussein dagegen ziemlich begrenzt. Natürlich gibt es in der Politik immer eine Alternative. Das ist wie mit dem Wetter, Niederschlag oder ein schlechtes Klima ist auch eine Alternative zum Regen. Washington versucht derzeit, die irakische Opposition aufzubauen, sowohl im Exil als auch im Innern des Landes. Das wird noch dauern. Auch die Vorbereitungen zu einem Feldzug brauchen Zeit. Man bringt nicht mal gerade eben eine Armee einschließlich Logistik in eine andere Region der Welt. Von der Luft aus ist ein Umsturz jedenfalls nicht zu machen. Luftschläge schaden und zerstören, ihr Vernichtungspotential schafft keine Zukunft. Ohne Bodentruppen geht es nicht. Mit der Besetzung aber kommen zwei unkalkulierbare Faktoren ins Spiel: Verluste und Zeit. Die Verluste an Menschenleben beeinflussen die Zustimmung zum Krieg in der Heimat, die andauernde Präsenz US-amerikanischer Truppen auf arabischem Boden ermöglicht die Mobilisierung fanatisierter Massen in den Nachbarländern. Beide Faktoren machen einen Feldzug zum un- berechenbaren Risiko für die Regierung Bush, und sie drohen die Verbündeten Ägypten und Jordanien zu destabilisieren. Das ablehnende Votum Kairos und Ammans zu einem Angriff auf den Irak hat diesen Hintergrund. Mit einem Angriff auf Bagdad würde eine zweite Front eröffnet. Die erste, der arabisch-israelische Konflikt, würde zudem verschärft.

Auch für die Regierung Bush gilt: Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die Frage ist erlaubt: Welche Politik? Gibt es einen Masterplan für die Region? Der Sturz des Diktators von Bagdad ist nur eine Zwi-schenetappe. Ziel ist der Zugriff auf die Ölreserven des Irak, die größten nach denen in Saudi-Arabien. Ein US-freundliches Regime könnte die Ölförderung erhöhen und damit die Preise auf dem Weltmarkt senken. Ziel ist auch die Unabhängigkeit vom saudischen Öl und damit von einem Regime, das verdeckt mit den Islamisten sympathisiert, es vielleicht sogar mitfinanziert und damit auch alle Friedens- bemühungen in der Region hintertreibt. Ziel ist ferner der Schutz Israels und auch der eigenen Bevölkerung vor Massenvernichtungswaffen in der Hand von unberechenbaren Fanatikern. Man schätzt, daß Saddam frühestens in sechs Monaten und spätestens in drei Jahren die Atombombe hat. Angeblich soll ihm nur noch spaltbares Material fehlen. Aber das zu bekommen ist nur eine Frage der Zeit. Und Ziel, wenn auch nicht treibendes Motiv, ist sicher auch, den Menschenrechten in einer Region eine Gasse zu schlagen, die mehr von Tyrannei und Gewalt geprägt ist als von Toleranz und Freiheit der Völker. Schließlich ist es das Regime Saddam Hussein, das seit mehr als zehn Jahren die UN-Resolutionen permanent mißachtet und damit die Weltgemeinschaft an der Nase herumführt.

Ziele und Gefahren sind also klar, der Weg ist offen. Bush ist kein Abenteurer. Er wird Wohl und Wehe abwägen und versuchen, die Legitimation der Uno zu bekommen. Das dauert. Strategische Entscheidungen müssen reifen. Die Entscheidung in Wa-shington wird dann frühestens im November, nach den Wahlen zum Kongreß, fallen - zu spät, um die von Schröder in Deutschland geschürten Ängste und Reflexe mit Tatsachen als eine der größten Wahllügen in der Geschichte der Republik zu entlarven. Die Wähler müssen schon selbst darauf kommen. Am besten noch vor der Wahl. Jürgen Liminski