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21.09.02 / Österreich: Lehrstück für Konservative

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. September 2002


Österreich: Lehrstück für Konservative
R. G. Kerschhofer zur Wiener Regierungskrise

Die Ereignisse selber sind eigentlich von sekundärem Interesse. Auch zu den auf 24. November vorgezogenen Wahlen sind Befindlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten rasch erklärt: Die SPÖ kann nicht verhindern, daß Schwarz/Blau die Mehrheit verliert und daß sich ihr Vorsitzender Gusenbauer zur Karikatur eines Bundeskanzlers macht.

Da die FPÖ vor allem von Protestwählern profitierte, die nun eher Nichtwähler werden, sind ihre Verluste durch Zugewinne der ÖVP nicht auszugleichen. Die Koalitionsfrage bleibt aber offen: Trotz eines Linksrucks der SPÖ ist Rot/Grün keineswegs ausgemacht, denn bei den grünen Kernthemen Umwelt, Verkehr, Einwanderung und Osterweiterung ist die Interessenlage der Gewerkschaften meist konträr. Seit Kanzler Schüssel, der unter Haider erster sein konnte, klar ausschloß, unter Gusenbauer zweiter sein zu wollen, ist Rot/Schwarz wahrscheinlicher, denn viele ÖVP-Leute halten die zweite Geige in einer Regierung ohne Schüssel für weniger undankbar als die Oppositions-Trommel.

Was sich wirklich lohnt, ist ein Blick auf die politischen Mechanismen, die zum Tragen kamen, und auf jene Fehler grundsätzlicher Art, aus denen sich die Probleme zwangsläufig entwickeln mußten. "Viele Hunde sind des Hasen Tod", heißt es. Heute sagt man "Mobbing" zu dieser Methode indirekter Machtausübung, die nicht nur in Betrieben vorkommt, sondern auch in Organisationen und in der (Welt-)Politik: Durch systematische Ungerechtigkeiten, Informationsverweigerung und Falschinformation wird das Opfer dazu gebracht, genau jene Fehler zu machen, die es dann erlauben zu sagen: "Seht ihr, wir haben's immer schon gewußt!" Der Erfolg ist garantiert: Erstens finden sich stets reichlich Mitläufer, die damit vermeiden wollen, selber Opfer zu werden. Und zweitens glauben die Opfer, daß Wohlverhalten belohnt werde - doch die Drahtzieher nützen es bloß aus, um Keile zwischen die Opfer zu treiben.

Früher konnten FPÖ-Führung und Mitarbeiter die Anfeindungen durchstehen, weil sie durch Wahlergebnisse entschädigt wurden. (Wie massiv der Druck war, läßt sich daran ermessen, daß die FPÖ jeweils viel mehr Wähler als Bekenner hatte!) Aber mit dem Regierungseintritt wurde der Druck vervielfacht. Die "Sanktionen", die weltweite Medien-Hatz und die bis heute weiterlaufenden illegalen Demos richteten sich zwar formell gegen die Regierung, doch Ziel war immer nur die eine Partei: Teilen und Herrschen.

Der erste große Fehler lag bereits in der Regierungserklärung: Man ließ sich von fremden Mächten eine "Präambel" aufzwingen, die eine Selbstentmündigung der Regierung und eine Demütigung des einen Partners darstellte. Diesem Ungeist entsprechend wurde auch nichts gegen die unzähligen Gewalttaten und Rechtsbrüche linker Randalierer unternommen. Schuld trifft hier vor allem den ÖVP-Innenminister, der bekanntermaßen mit Rot/Schwarz liebäugelt. Doch eine Regierung, die sich vor Rechtsbrechern beugt, untergräbt ihre Autorität - der zweite Kardinalfehler. Die "Sanktionen" erwiesen sich für ihre Initiatoren bald als kontraproduktiv. Dennoch bemühte sich die Regierung um deren Aufhebung - der dritte große Fehler.

Ein Koalitionsvertrag mandatsgleicher Parteien sollte ausgewogene Chancen und Risiken vorsehen. Doch gegen einen tiefroten Apparat - etwa im Sozialministerium oder im Infrastrukturministerium mit Bahn und Post - standen FPÖ-Minister auf verlorenem Posten. Im Verteidigungsministerium hatte man zwar keine solchen Probleme, doch in dem chronisch unterdotierten Haus gibt es auch keine Lorbeeren zu holen. Ähnlich im Justizressort, denn nennenswerte Reformen brauchen die Zweidrittelmehrheit und werden von der SPÖ torpediert. Umgekehrt konnten der Bundeskanzler und einige ÖVP-Minister ständig im Rampenlicht stehen. Ob die Partner das Problem unterschätzt hatten oder ob man in der ÖVP besonders schlau sein wollte, ist da egal: Der Regierungsalltag mußte bei FPÖ-Anhängern die Überzeugung wachsen lassen, man sei übertölpelt worden. Und wenn sich jetzt noch ein ÖVP-Mann rühmt, die Regierungsbeteiligung sei der beste Weg gewesen, die FPÖ zu demontieren ...

Es rächten sich natürlich auch die FPÖ-internen Kardinalfehler: Die überstarke Bezogenheit auf Jörg Haider und dessen oft irrationale Personalpolitik hatten bewirkt, daß die Kader mit dem Wählerzustrom sowie den gewachsenen Anforderungen und Anfeindungen nicht Schritt halten konnten. Ans Tageslicht brachte es letztlich jene diffuse Machtteilung zwischen Wien und Kärnten, zwischen Regierungsmannschaft und Parteiführung, - die zwar aufgezwungen war wie die "Präambel", doch man darf eben nicht Bedingungen akzeptieren, die den eigenen Untergang besiegeln!

Rückblickend kann man nur sagen, das System - nämlich das wirkliche System, für welches Länder und Parteien bloß Schachfiguren sind - hat sich wieder einmal durchgesetzt.