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28.09.02 / Washington: Drohende Töne aus Übersee

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28.September 2002


Washington: Drohende Töne aus Übersee
US-Politiker nach der Wahl: Tiefes Zerwürfnis mit Deutschland
von Hans Heckel

Die Wiederwahl Gerhard Schröders hat die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf den tiefsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik gebracht. Schröders Festlegung, sich auch unter UN-Mandat nicht an einem Krieg gegen den Irak zu beteiligen, sowie der berichtete Vergleich der Politik Bushs mit der Hitlers durch seine Justizministerin Däubler-Gmelin hatten das Verhältnis bereits vor der Wahl "vergiftet", wie Bush-Beraterin Condoleeza Rice schäumte. Schröders Sieg und sein erneutes "Nein" zur Irak-Operation haben das Faß nunmehr endgültig zum Überlaufen gebracht. Das Ausmaß der Verärgerung jenseits des Atlantiks ist derart groß, daß sogar selbstverständliche diplomatische Gepflogenheiten über Bord geworfen werden.

So verzichtete das Weiße Haus auf ein promptes Glückwunschtelegramm für den Kanzler - die Gratulation unter Staats- und Regierungschefs nach gewonnenen Wahlen ist sonst absolut üblich und zählt zu den Grundlagen internationaler Umgangsformen.

In Warschau weigerte sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, seinen deutschen Kollegen Peter Struck zu sprechen. Er beabsichtige nicht, sich mit irgend jemand anderem zu treffen als mit denen, die auf seinem Terminplan stünden, so Rumsfeld grimmig: "Und der Deutsche steht nicht auf meinem Terminplan."

Schröders Entschuldigungsbrief an US-Präsident Bush wegen des Hitler-Vergleichs prallte an der Kaltfront in Washington ab: Der Brief "las sich nicht wie eine Entschuldigung. Er las sich eher wie der Versuch einer Erklärung", zitiert der britische Daily Telegraph den Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer.

Unterdessen mischen sich in die heftigen Verstimmungen drohende Untertöne an die Adresse der Deutschen insgesamt. Die Zeitung USA-today zitiert John Hulsman von der einflußreichen "Heritage Foundation", der meinte, es sei nun an Deutschland, die Dinge klarzustellen. Aber, so Hulsman weiter, "es bleibt ein dauerhafter Schaden aufgrund dessen, was die Wahl über die deutsche Wählerschaft enthüllt hat: Es hat sich gezeigt, daß sich Antiamerikanismus an der Urne auszahlt." Am Ende werde die kurzsichtige Schröder-Strategie den Deutschen selbst schaden: "Was dies heißt, ist, daß Deutschland keinen Platz am Tisch der Erwachsenen bekommen wird, wenn dort geopolitische Dinge verhandelt werden."

Der New York Times sagte Ronald Amus, früher Mitarbeiter des US-Außenministeriums und jetzt des "German Marshall Fund": "Wir dachten, daß Deutschland seine Vergangenheit überwunden hat. Doch jetzt gibt es da ein großes Fragezeichen." Freunde und Partner würden sich erneut fragen, ob Deutschland ein verläßlicher Partner sei. Damit will Amus offenbar in die Wunde der Verunsicherung der Deutschen ob ihrer Politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stechen. Zu erwarten scheint jedoch, daß der Amerikaner eher Trotz als Erschrecken unter den Deutschen auslöst. So wie auch die Drohgebärden der Bush-Regierung vor der Wahl Schröder eher genützt als geschadet haben. Was Amus nicht mitbekommen hat: Die Waffe der "Geschichtspolitik" ist stumpf geworden in den vergangenen Jahren. Die Deutschen fühlen sich nicht mehr als "Demokraten auf Bewährung", sondern als freie Bürger eines souveränen Landes, das aus eigenem Recht agiert. Dieser grundlegende Wandel vollzog sich offenbar so still und unspektakulär, daß man ihn jenseits des Atlantiks nicht registriert hat.

Mit Unverständnis und Sorge haben auch europäische Partner jedoch aufgenommen, daß Schröder nicht aus nationaler Verantwortung auf Kollisionskurs mit den USA gegangen ist, sondern ausschließlich, um an der Macht zu bleiben. So kommentierte die EU-Kommission die Wahl mit den vielsagenden Worten: "Es gibt absolut nichts zu befürchten!" Das klingt nach bangem Pfeifen im Walde. Offenbar traut man dem Kanzler in Brüssel zu, aus innenpolitisch-taktischen Gründen schier alles aufs Spiel zu setzen - am Ende gar auch eine EU, auf die in den nächsten Jahren ohnehin gewaltige Probleme zukommen.