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28.09.02 / Mohrungen: 675. Geburtstag

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28.September 2002


Mohrungen: 675. Geburtstag
Bereits vor 75 Jahren wurde groß gefeiert
von E. Vogelsang

In diesem Jahr wird Mohrungen, die kleine Stadt im preußischen Oberland, 675 Jahre alt. Zwar wissen wir außer der Jahresangabe 1327 nichts Näheres - die erste Handfeste ging schon sehr früh verloren -, doch hat man von jeher immer im Herbst des Gründungsjahres gedacht. So wird es auch beim diesjährigen Treffen der Kreisgemeinschaft Mohrungen am 28. und 29. September in Bad Nenndorf sein. Aus diesem Anlaß sei an die große 600-Jahr-Feier in Mohrungen im Jahre 1927 erinnert, die damals über zwei Tage ging und zu einem wirklich gelungenen Fest geriet, an dem die ganze Bürgerschaft teilgenommen hat.

Mohrungen hatte zu jener Zeit bereits seit fast einem Dutzend Jahren Arthur Weyde zum Bürgermeister. Zusammen mit den städtischen Körperschaften und dem Studienrat Fritz Gehrmann war er wesentlich an Planung und Durchführung der Jubiläumsfeier beteiligt. Nicht zu vergessen ist dabei, daß eben gerade gut drei Jahre seit der verheerenden Inflation vergangen waren und die Lasten des verlorenen Ersten Weltkrieges durch das Versailler Diktat alle Menschen in Stadt und Land bedrückten. Um so mehr muß man rückblickend anerkennen, mit welchem Elan und Optimismus an die Gestaltung dieser großen Gedenkfeier herangegangen worden ist.

Die Mohrunger Kreiszeitung hatte eine Jubiläumsausgabe herausgegeben, in der auf 29 Seiten neben obligaten Geleitworten von Persönlichkeiten der Provinzialverwaltung und des ehemaligen Landrats des Kreises auch eine Reihe von Aufsätzen zur Mohrunger Stadtgeschichte zu lesen war. Sie besitzen nach dem Verlust der Stadtakten heute geradezu den Rang von Primärquellen.

Zu ihrem Jubiläum war die Stadt geschmückt mit Girlanden und blaugelben Stadtfahnen, wobei der Marktplatz besonders hervorstach. Die Geschäfte hatten ihre Schaufenster besonders schön, teilweise geradezu künstlerisch dekoriert. Vor jedem der beiden Rathauspforten waren drei große Masten, umwunden von grünen Girlanden und blaugelben Bändern, aufgestellt. Der Chronist vermerkte eine erwartungsvolle, "festlich erregte Stimmung", die die Menschen ergriffen habe. Nun, einen 600jährigen Geburtstag zu feiern, war für das oberländische Landstädtchen durchaus etwas Besonderes.

Am Sonnabend, dem 24. September 1927, begann das für zwei Tage geplante Festprogramm um 16 Uhr mit einem Festkonzert der Stadtkapelle Ernst Thomas, die vor dem Rathaus in grünen Uniformen angetreten war. Daran schloß sich in der gleichfalls 600jährigen St. Peter-Paul-Kirche eine musikalische Vesper an. Mit dem Glockenläuten endete die Vesper, die Dämmerung brach ein, überall wurden in den Fenstern Kerzen entzündet, die Stadt illuminiert. Das Feierabendsingen um 18.30 Uhr lockte viele Einwohner zum Marktplatz, um dem Vortrag der vereinigten Mohrunger Chöre unter der Leitung des Oberschullehrers Fürstenberger zu lauschen. Reicher Beifall lohnte die Mühen vorangegangenen langen Übens.

Bald danach erlosch die Straßenbeleuchtung am Marktplatz, die Feueralarmsirene auf dem Rathausturm heulte, dann wurde Marschmusik hörbar. Die Freiwillige Feuerwehr marschierte mit brennenden Fackeln auf und zeigte in ihrem Umzug dabei die Entwicklung der Brandbekämpfung von den Anfängen bis zu dem damals neuesten Stand. Nach Beendigung des Fackelzuges und des Fackelreigens schloß die Kapelle mit dem Großen Zapfenstreich die offizielle Veranstaltung ab. Noch lange danach bewegten sich viele Menschen durch die illuminierte Altstadt.

Der eigentliche Festtag war Sonntag, der 25. September. Das Große Wecken mit der Kapelle Thomas ging mit "Freut Euch des Lebens" durch die Hauptstraßen. An die Festsitzung kirchlicher Körperschaften um 8.30 Uhr im Lutherhaus, dem 1912 gebauten evangelischen Gemeindehaus, schloß sich der Festgottesdienst in St. Peter-Paul an. Danach nahm Superintendent Schmadtke aus Mohrungen die Einweihung des Kirchenmuseums vor.

Ehrengäste und städtische Körperschaften versammelten sich hernach zur Festsitzung im Rathaus. Währenddessen waren nicht nur die Stafetten von Sportvereinen aus der west- und östlichen Kreishälfte mit Glückwunschadressen am Rathaus eingetroffen, sondern auch die Kapelle Thomas versammelt, die der dort zusammengeströmten Bevölkerung ein Promenadenkonzert darbrachte. An seine Bürger richtete Bürgermeister Weyde einige Worte, gedachte der Gefallenen und brachte ein dreifaches Hoch auf die alte Stadt aus, in das die Zuhörer lebhaft einstimmten.

Nach all den offiziellen Teilen der Jubiläumsfeier wurde für den frühen Nachmittag der Festzug mit Spannung erwartet. Geplant und organisiert war er vom Studienrat Fritz Gehrmann und dem Gutsbesitzer Teller aus Geßlersheim. Für 14 Uhr war das Antreten der Teilnehmer mit ihren Wagen in der Poststraße und Anger angesetzt worden, so daß der Festzug sich eine halbe Stunde später durch die Straßen in Bewegung setzen konnte, dicht gesäumt von den vielen Zuschauern.

Man hatte folgenden Marschweg festgelegt: Poststraße, Lange Reihe, Wasser-, Kirchen-, Herderstraße, Markt, Schmiede-, Töp-

fer-, Fleischerstraße, Markt (Nord-, Ost- und Südseite), Breite Straße, Brauhaus- und Pr. Holländerstraße, Schimmerlingweg, Bahnhofzufuhr-, Bahnhof-, Pr. Holländer- und Brauhausstraße, Langgasse, Markt (West- und Südseite), Krumme Grube, Osteroder- und Poststraße.

Dem Festzug voran ritt ein Herold, dahinter schritt das Stadtwappen: der heilige Jacobus d. J. in Sandalen, einem blauen, weißgesäumten Gewand, eine Tuchwalkerstange geschultert, gefolgt von vier, in farbenprächtige Gewänder gekleideten reitenden Fanfarenbläsern. Dahinter begann der geschichtliche Teil.

Die erste Gruppe stellte die ersten, vom Locator Peter von Sumpf geworbenen, aus Thüringen stammenden Ansiedler dar, die nach einem halben Jahrhundert schwerer Kämpfe des Ordens gegen die Prussen hier am Mohrung-See 1327 angesetzt wurden. Ein Ordensritter verlas die Handfeste der Stadt.

In der zweiten Gruppe wurde der Einzug des polnischen Königs Jagiello nach der für den Orden verlorenen Schlacht bei Tannenberg 1410 in die von den Bewohnern verlassene Stadt gezeigt. Sie waren aus Furcht vor Mord und Brand der Sieger geflohen.

Erheiternd für die Zuschauer war die folgende Gruppe. Ein wilder Eber hatte sich unter die Schweineherde der Stadt gemischt und wurde von mutigen Bürgern erlegt. Zum Dank erhielten sie in der Stadt gebrautes Bier, das nicht so sonderlich schmeckte. Es bekam den Namen "Ohne Dank" (wie auch in späteren Zeiten das Mohrunger Bier sogar mit "Krebsjauche" tituliert worden sein soll).

Den Einzug des kranken Hochmeisters Heinrich Reuß von Plauen 1469 in die Stadt, in der er einmal Komtur gewesen war, von Petrikau kommend, wo er dem polnischen König gezwungenermaßen den Lehnseid hatte leisten müssen, hatte die vierte Gruppe zum Thema. Ein Schlaganfall machte dem Leben des Hochmeisters am 2. Januar 1470 in Mohrungen ein Ende.

Den Sprung ins nächste Jahrhundert zeigte die nächste Gruppe: Herzog Albrecht, der als letzter Ordenshochmeister 1525 die Reformation im Ordensland eingeführt hatte, besuchte auf seinen Visitationsreisen 1540 auch Mohrungen, mehrfach dort auch seinen ihm ergebenen Amtshauptmann Peter von Dohna.

1627 überrumpelte Gustav II. Adolf von Schweden die Stadt, nachdem er bei Wiese gut 2.000 Mann brandenburgischer Truppen, die auf polnischer Seite gekämpft hatten, gefangengenommen hatte. Er schickte sie seinem Schwager, dem brandenburgischen Kurfürsten und Herzog in Preußen, mit der ironischen Bemerkung zurück, er möge seine Völker besser in acht nehmen. "Die Schweden in der Stadt" waren hier das Thema, die mit den Uniformen jener Epoche besonders eindrucksvoll wirkten.

Als 1650 die Pest Ostpreußen heimsuchte, blieb auch Mohrungen davon nicht verschont. Die wegen der großen Ansteckungsgefahr in großen, nur die Augen freilassenden Mänteln verhüllten Pestärzte konnten die Seuche nicht bekämpfen. Der Tod ritt hinterher, die unzähligen Leichen schaffte man auf dem Pestkarren aus der Stadt. Dieses makabre Ereignis spiegelte sich in der siebenten Gruppe wider.

Die Ämterpost war erst im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts für die Öffentlichkeit zugänglich geworden und nahm erst im Anfang des folgenden Jahrhunderts auch die Personenbeförderung auf. Es war bei den miserablen Wegen und der einfachen Konstruktion der Wagen für die Reisenden mehr Frust als Lust, was die achte Gruppe wirkungsvoll darstellte. Die neunte Gruppe thematisierte den mühsamen und schleppenden Wiederaufbau der Stadt nach dem großen Stadtbrand von 1697, bei dem die Bürger kaum etwas hatten retten können. Erst nach deutlichen Drohungen Friedrich Wilhelms I. beschleunigte er sich.

Als Kronprinz war Friedrich der Große schon mehrfach durch Mohrungen gekommen. Am 6. Juni 1750 führte ihn, nun als König, der Weg zu einer Revue nach Wehlau durch die Stadt, in der die Möllendorf'schen Dragoner in Garnison lagen. Dieser historische Augenblick stellte sich in friderizianischen Uniformen dar.

Dann folgte die Herder gewidmete Gruppe, der von dem Arzt Schwarz-Erlaß des 1752 in die Stadt einrückenden russischen Regiments gewissermaßen "entdeckt" worden ist. Er erkannte die ungewöhnliche Begabung des jungen Herder und beschloß, ihn zu weiterer Ausbildung nach Königsberg mitzunehmen.

Die nächsten Darstellungen waren der Geschichte und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts entnommen: Bernadotte und die Franzosen in Mohrungen. Beim Gefecht bei Pfarrsfeldchen 1807 hielt sich Marschall Bernadotte im Dohna'schen Schlößchen auf und wurde dort von einem Überfall auf die Bagage durch kurländische Dragoner und preußische Husaren überrascht, konnte sich aber verstecken. Nicht auszudenken, hätte man ihn gefangen. Was wäre aus Schweden ohne ihn geworden?

In den Freiheitskriegen 1813 war die Stadt Sitz einer Spezialkommission geworden. Sie stellte 34 Infanteristen und zwei Kavalleristen, die Bürger spendeten Geld, Verpflegung und Ausrüstung, was nach den schwierigen Jahren französischer Besetzung ein großes, aber selbstverständliches Opfer bedeutete.

Ein Buchdruckerwagen der Firma C. L. Rautenberg, deren Gründer sich 1825 selbständig gemacht hatte, der Wagen des Tabakskollegiums, ein in den 1870er Jahren gegründeter Zusammenschluß von Freunden des Tabakrauchens mit allwöchentlichen, humorvollen Sitzungen, und das neue Verkehrsmittel Eisenbahn, das ab 1882 auch Mohrungen erreichte, vermittelten Jahrzehnte einer friedlichen Periode.

Die beiden letzten der 18 Gruppen des historischen Teils spiegelten die Russennot 1914 mit den Flüchtlingen und Viehherden, sowie die gerade drei Jahre zuvor beendete Inflation mit dem bräsig im Auto sitzenden Inflationsgewinnler Raffke.

Den zweiten Teil des Festzuges eröffnete nach alter Sitte die Fleischer-Innung, beritten auf prächtigen Schimmeln. Hinter dem Wagen der Stadt folgten die Handwerks-Innungen, teilweise sogar mit ihren alten Laden, und die Vereine.

Der Vorbeimarsch des Zuges dauerte über eine Stunde. Die Menschen standen dicht gedrängt an den Straßen und ließen ihre Geschichte Revue passieren, deren schlechtester Teil allerdings den meisten noch bevorstand.