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19.10.02 / Neueste historische Forschungen zu Erik dem Roten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Oktober 2002


Die wahren Entdecker
Neueste historische Forschungen zu Erik dem Roten

Immer noch glauben die meisten Zeitgenossen, daß Christoph Kolumbus Amerika entdeckte. Dabei steht längst fest, daß bereits um das Jahr 1000 Wikinger in Labrador amerikanischen Boden betraten. Der norwegische Journalist und Autor Knut Lindh erzählt die dramatischen Entdeckungsreisen jener Seefahrer, die lange vor 1492 das stürmische Nordmeer gen Westen erkundeten.

Zwei "Sagas", die Grönlandsaga und die Saga Eriks des Roten, beide erst 200 Jahre nach den Ereignissen geschrieben, verarbeiten mündliche Berichte dieser fernen Epoche. 1949 fanden Archäologen an der Nordspitze Labradors Reste altnormannischer Behausungen. "Leifs Buden" gehören heute zum Weltkulturerbe und beweisen, daß die Sagas keine Legenden enthalten, sondern auf Tatsachen beruhen.

Alles begann mit Erik dem Roten, der Ende des 10. Jahrhunderts wegen Mordes von Norwegen nach Island flüchtete. Dort schlug er wieder jemanden tot und verließ, um der Sippenrache zu entgehen, die Insel der Geysire. Diesmal segelten er und seine Familie nach Grönland, wo bis dahin nur Eskimos gelebt hatten. Allein am Küstensaum gab es eisfreies Land. Später kamen weitere Isländer, und zwei Dörfer entstanden, die während des Hochmittelalters mehrere tausend Wikinger beherbergten.

Noch zu Lebzeiten Eriks sichtete der Wikinger Bjarni Herjolfssohn westlich von Grönland unbekannte Küsten. Leif, ein Sohn des roten Erik, hörte Bjarnis Geschichte, rüstete Schiffe und Mannschaften aus und ging in See. Nicht erobern wollten sie, behauptet Lindh, sondern fruchtbares Land und milderes Klima suchen. Ohne Kompaß und Seekarte, dazu außerstande, den Längengrad zu bestimmen, fuhr Leif Erikson westlichen Gefilden entgegen.

Im heutigen Labrador bewahrheiteten sich ihre Träume; sie erblickten unermeßliche Wälder, ergiebiges Weideland, große Fischbestände und sogar Weintrauben. Das neue Arkadien nannte Leif "Vinland", also "Weinland". Die Wikinger bauten Hütten, kehrten jedoch bald nach Grönland zurück. Drei weitere Expeditionen, ohne Leif Erikson, folgten. Nun trafen die Invasoren auf Indianer vom Stamm der Beothuk und töteten etliche der Ureinwohner. Schon jetzt begann, die "Entdeckung" Amerikas mit Totschlag. Aber die Indianer, hochmütig als "Skrälinger", das heißt Schwächlinge, bezeichnet, kämpften verzweifelt. Ihr hartnäckiger Widerstand nötigte die Wikinger, die, im Gegensatz zu Kolumbus, keine Feuerwaffen hatten, Labrador zu verlassen.

So lautet zumindest die gängige Forschungsmeinung, denn die Sagas verdunkeln das Ende der amerikanischen Wikinger. Gab es weitere Expeditionen? Blieben manche Wikinger in Amerika, erreichten sie gar Mexiko? Eine aztekische Legende kreist um "weiße Götter". Im 18. Jahrhundert sahen kanadische Franzosen "weiße Indianer"; sie ähnelten Skandinaviern. Auch (vermeintliche) Runen, die man in Amerika fand, geben den verschiedensten Hypothesen Nahrung. Denkbar ist sogar, daß lange vor den Wikingern nichtindianische Menschen nach Amerika gelangten. Sie könnten, schreibt Lindh, nicht nur über den Atlantik gekommen sein. Auch eine Herkunft von jenseits des Pazifiks, so legen jüngste archäologische Funde nahe, ist zu erörtern. In jedem Fall hat Knut Lindh ein ungemein spannendes, lesenswertes Buch verfaßt. Rolf Helfert

Knut Lindh, "Wikinger. Die Entdecker Amerikas", Piper Verlag, München 2002, 230 Seiten, 18,90 Euro