25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.10.02 / Wahlkampf in Österreich: Mit Preisen auf Stimmenfang

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Oktober 2002


Wahlkampf in Österreich: Mit Preisen auf Stimmenfang
Den Parteien fehlt Zeit für Eigenwerbung
von R. G. Kerschhofer

Nein, das Burgtheater wird nicht umgebaut." So klärt man Wien-Besucher auf, die sich über ein zweistöckiges Container-Gebilde auf dem Parkplatz neben dem Burgtheater wundern. Dort steht bloß das Wahlkampf-Hauptquartier der SPÖ für die Parlamentswahlen am 24. November. Die Lage an der Ringstraße - mit der SPÖ-Zentrale unmittelbar dahinter sowie Parlament und Rathaus praktisch gegenüber - ist ebenso günstig wie die Platzmiete von 2,90 Euro pro Quadratmeter und Monat. Die rote Stadtverwaltung weiß eben, was sie der Partei schuldig ist! In dem Großraum-Büro aus 70 Containern residiert auch der aus den USA eingeflogene Wahlberater Stanley Greenberg, über dessen Honorar nichts näheres bekannt wurde. Vielleicht ist er eine Spende an die verschuldete SPÖ.

Zum Leidwesen der Werbewirtschaft ist der Wahlkampf diesmal kurz. Er traf die Parteien unvorbereitet, denn ohne die unmittelbaren Auslöser - die Hochwasserschäden, die Querelen über deren Finanzierung und die FPÖ-Ministerrücktritte - wäre die Regierung noch bis Herbst 2003 im Amt geblieben.

Die ÖVP, in Umfragen knapp hinter der SPÖ, hat zwar den "Kanzler-Bonus" und dürfte eine Neuauflage von Schwarz/Blau bevorzugen, angesichts der FPÖ-Schwäche müßten dazu aber Wunder geschehen. (Ein "Nein" der Iren samt Aufschub der EU-Erweiterung wäre eine solche Chance gewesen, hätte es doch der FPÖ das Dilemma erspart, in Sachen Benesch-Dekrete entweder wortbrüchig zu werden oder mit einer Veto-Drohung die Ko-alition unmöglich zu machen.)

An Linksparteien treten neben SPÖ und Grünen auch die KPÖ und das sogenannte Liberale Forum an. Interessanterweise führt die KPÖ weiter das "K" im Namen: Einerseits weil sich die SPÖ das Wort "sozialistisch" reservieren ließ, als sie sich auf "sozialdemokratisch" umbenannte. Andererseits vielleicht in der Hoff- nung, von Ähnlichkeiten mit der "KJ" und der "KA" zu profitieren, bei denen das "K" allerdings für "katholisch" steht. Tatsächlich scheuten sich diese Organisationen ebensowenig wie Caritas und evangelische Diakonie, zusammen mit den übrigen Linken gegen die ÖVP/FPÖ-Regierung aufzutreten.

Sachfragen spielten bisher eine untergeordnete Rolle, denn jede der überfälligen Maßnahmen würde Stimmen kosten. Rot und Grün wollen selbst das wieder abschaffen, was die jetzige Regierung einführen konnte, etwa die Studiengebühren. (Die hatten jene Orchideenfächer getroffen, aus denen die Linke ihren Mittelbau rekrutiert. Bei wirtschaftlich-

technischen Fächern gibt es trotzdem neue Rekorde an Studentenzahlen.)

Themen-Blässe allerdings macht Unverschämtheiten um so deutlicher. Die Container sind ein Beispiel, die Verleihung des "Nestroy-Preises" an Claus Peymann ein anderes. Dieser Preis hat mit dem Dichter und Schauspieler Johann Nestroy (1801- 1862) ebenso viel gemeinsam wie Stalins Friedensbewegung mit dem Frieden, und auch der Gegensatz zwischen Nestroy und Peymann könnte nicht größer sein. Aber Preisverleihungen lassen sich instrumentalisieren - daher die Inflation an "Preisen". Im konkreten Fall nützte der Allerwelts-"Künstler" André Heller seine Festrede zu miesester Agitation. Peymann hatte die Frechheit, den Preis ein paar Tage später wieder zurückzugeben und die Österreicher als "Lemuren" zu beschimpfen - beste Garantie dafür, von einer SPÖ-Regierung aus dem Pleite-Standort Berlin ins Subventions-Schlaraffenland Österreich zurückgeholt zu werden.

Ein weiterer Eklat war die Nominierung des über Landesgrenzen hinaus bekannten ORF-Moderators Broukal auf der SPÖ-Liste. Eine angelaufene ORF-Werbekampagne, in der Broukal eine zentrale Rolle spielt, erscheint nun wie Schleichwerbung für die SPÖ und muß komplett umgestaltet werden. Broukal als "Quer- einsteiger" zu bezeichnen, ist aber irreführend, denn vor seiner ORF-Karriere war er Angestellter der SPÖ.

Auch "Antisemitismus"-Vorwürfe dürfen nicht fehlen. Die treffen eine grüne Abgeordnete, die offiziell außenpolitische Sprecherin ist, aber - grünem Selbstverständnis gemäß - sexuelle Minderheiten im Parlament vertritt. Sie hatte Ariel Scharon kritisiert, und das ist Antisemitismus. Aus gleichem Grund nahm die israelitische Kultusgemeinde (IKG) auch einige SPÖ-Leute unter Beschuß, was insofern erstaunt, als der IKG-Präsident Ariel Muzicant ein gutes Verhältnis zur Wiener SPÖ hat - das soll seinen Immobilien-Transaktionen und Bauprojekten keineswegs abträglich sein.

Bleibt abzuwarten, ob wie bei früheren Wahlen wieder Vorwürfe gegen die FPÖ inszeniert werden, die sich nachher als haltlos herausstellen. Die "Briefbomben" hatten bekanntlich ganz andere Urheber, und die "Spitzel-Affäre" war eine Seifenblase. Fest steht nur, daß erstmals Türken ins Parlament einziehen werden, denn vorausschauend - und frei nach Bert Brecht - ist die SPÖ seit Jahren dabei, sich ein neues Wahlvolk zu schaffen.