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26.10.02 / "Ein Weg in die Seele des anderen Volkes"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Oktober 2002


"Ein Weg in die Seele des anderen Volkes"
von Ljudmilla Putina

Vor allem möchte ich mich bei der verehrten Jury bedanken, die mir den hohen Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache verliehen hat. Für mich ist es eine große Ehre. Dieser Preis ist Ergebnis intensiver Arbeit vieler Menschen sowohl in Deutschland als auch in Rußland.

Im vorigen Jahr sind Frau Schröder-Köpf und ich auf die Idee gekommen, das Deutsch-Russische Jugendforum "Gemeinsam ins XXI. Jahrhundert!" durchzuführen. Die Grundlage dieses Forums bildeten die Spracholympiaden und gemeinsame kreative Arbeit von Schülern und Studenten an Projekten. Das Ziel des Forums war, das Interesse der Jugendlichen in Rußland an der deutschen Sprache und Kultur zu erhöhen und die Kenntnisse der russischen Sprache und Kultur bei Jugendlichen in Deutschland zu vertiefen.

Ich freue mich, daß unsere gemeinsame Initiative erfolgreich war und von so vielen Menschen unterstützt wurde. Während des Forums wurde ich von dem hohen Niveau der Sprachkenntnisse, die russische Schüler und Studenten aufwiesen, beeindruckt. Auch beeindruckend war die Verantwortung, mit der sie Aufgaben erfüllten, wie schnell sie sich mit ihren deutschen Partnern anfreundeten und wie schwer es für sie war, von ihnen Abschied zu nehmen.

Vor kurzem habe ich einen Brief von einem Teilnehmer bekommen. In dem Brief war die Nachricht, daß die ehemaligen Teilnehmer eine Internetseite gestaltet haben, wo sie eine Möglichkeit haben, miteinander zu kommunizieren. Dieses Forum hat noch einmal bewiesen, daß die Sprache Goethes und Schillers in unserem Land auch wie früher große Popularität genießt und die Arbeit der Deutschlehrer und Germanisten geschätzt wird. Die Sprache ist nämlich "die Seele der Nation" und ein spannender Weg in die Welt eines anderen Volkes.

Unsere Länder haben viel Gemeinsames in unseren Kulturen und Traditionen, wie auch in Literatur. Aber besonders wichtig für mich ist unser gegenseitiger Respekt und gegenseitiges Interesse. Tausende russischer Studenten interessieren sich für Literatur, Kultur und Geschichte Deutschlands. Der Aufbau der Kontakte zwischen russischen und deutschen Wissenschaftlern zeugt davon, daß sie "ein breites Feld" für ihre Zusammenarbeit haben.

Ich weiß, daß auch in Deutschland russische Literatur bekannt und beliebt ist. Viele Deutsche lernen die russische Sprache gern und reisen nach Rußland. Rußland lockt sie nicht nur mit seiner Geschichte und Altertumsschätzen, sondern auch mit Möglichkeiten neuer Geschäfts- und kultureller Verbindungen.

Heute kann man sich die weitere Entwicklung unserer beiden Länder ohne enge Zusammenarbeit der Politiker, Geschäftsleute und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht vorstellen. In unserer gemeinsamen Geschichte gab es zwar verschiedene Phasen. Aber heute müssen wir, von den besten Traditionen der Vergangenheit ausgehend, vorurteilslos neue langwierige Partnerbeziehungen aufbauen.

Der Jacob-Grimm-Preis trägt den Namen eines der bedeutendsten deutschen Humanisten und Schriftsteller. Viele Generationen junger Leute sind mit den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm aufgewachsen. Sie wanderten durch die wunderbare Märchenwelt zusammen mit dem "tapferen Schneiderlein", "Hänsel und Gretel" und natürlich mit den "Bremer Stadtmusikanten". Ich hoffe, Sie würden meine Meinung teilen, daß gerade gemeinsame Kinderträume auch ähnliche Weltanschauungen prägen. Sie helfen die Welt entdecken und einander als Erwachsene besser verstehen.

Aber noch besser ist es, wenn Kinder Märchen in der Sprache des Volkes, von dem diese Märchen stammen, lesen. Gerade deshalb finde ich, daß gründliches Erlernen der Partnersprache der beste Weg zur Freundschaft ist. Und gerade deshalb ist die Pflege der deutschen Sprache in Rußland und der russischen Sprache in Deutschland eine reiche Quelle für die Entwicklung unserer Beziehungen auf allen Ebenen. Die sich entwickelnden internationalen Wechselbeziehungen, der Ausbau der Informationsströme - das ist das Gute, was die moderne Zivilisation mit sich bringt. Aber von ihr kann manchmal die Eigentümlichkeit ganzer Kulturen bedroht sein, den Kulturen und Sprachen ihre Eigentümlichkeit genommen werden.

Meine Tätigkeit zielt deshalb auch auf die Pflege und Förderung der Volkstraditionen unserer Staaten. Vor allem in Literatur, Sprache und Kunst. In den Werken der Schriftsteller, Maler und Wissenschaftler eröffnete sich nämlich die Tiefe des geistigen Reichtums jedes Volkes.

Zum Schluß möchte ich mich bei Ihnen noch einmal für die Verleihung dieses Preises bedanken.

Wir werden unsere Zusam-menarbeit fortsetzen und die Kenntnisse von Kultur und Sprache der zwei größten europäischen Länder vertiefen.

Ich bin sicher, daß das unsere Völker einander näher bringt, uns besser verstehen hilft und natürlich noch eine Unterstützung der ständigen Entwicklung und Festigung unserer Positionen in der Welt wird.