24.04.2024

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09.11.02 / Die ostpreußische Familie extra

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. November 2002


Die ostpreußische Familie extra
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied und Freunde unserer Ostpreußischen Familie,

es ist nun wirklich höchste Zeit für eine neue Familie EXTRA, denn es sind vor allem die großen Suchwünsche, die sich angesammelt haben. Die benötigen Platz - aber auch Zeit, denn oft muß nachgefragt werden, weil Angaben unvollständig sind. Und manchmal lassen sich auch die Ungenauigkeiten nicht klären, weil selbst amtliche Bestätigungen widersprüchlich oder gar falsch sind. Das betrifft vor allem jene Fragen, die sich auf Verschleppung und Verbleib in Litauen beziehen.

Also auch die sogenannten "Wolfskinder", zu denen Betty Eleonore Sablinskiene gehört. Zwar lebt sie seit vier Jahren in Deutschland, aber - wie ihr heutiger Name besagt - sie hat fast ein halbes Jahrhundert in Litauen gelebt und auch dort geheiratet. Geboren wurde sie aber am 18. Juli 1935 als Tochter von Otto Czepluch und seiner Ehefrau Martha geborene Nikolaus in Althöfen (Alt Bagnoven), Kreis Sensburg. So steht es in dem Auszug aus dem Taufregister der Evangelischen Kirchgemeinde - in ihrem neuen Personalausweis aber Althöfen/Polen! "Ich bin aber nicht in Polen geboren, sondern in Ostpreußen, in Deutschland!" entrüstet sich Frau Sablinskiene zu Recht. Das ist ein Problem, unter dem viele Landsleute leiden und das wir gesondert behandeln werden.

Hier geht es darum, daß Eleonore - so der Rufname - Sablinskiene wissen möchte, ob noch Verwandte leben. Dazu muß man aber ihre Lebens- und Leidensgeschichte erklären. Die Familie wohnte bei Kriegsende in Klein Poleiken, Kreis Gerdauen, die Schule war in Karpauen. Um nicht zu verhungern, ging die Mutter mit ihren Kindern 1947 nach Litauen. Die Söhne Horst und Günter waren gefallen, Lothar auf der Flucht umgekommen, Alfred vermißt, der Vater gestorben. Die Mutter ist in Litauen verschollen, ebenso ihre Töchter Adelheid und Gisela. Eleonore und ihre Schwester Mirjam blieben als Waisenkinder in Litauen. Um nicht von den Russen verschleppt zu werden, gab sich Eleonore als Litauerin, Mirjam als Ukrainerin aus. Die blieben in Litauen, arbeiteten, heirateten ...

... bis Litauen ein selbständiger Staat wurde. Da begann Eleonore nach Geschwistern zu suchen und fand tatsächlich ihren vermißten Bruder Alfred in Deutschland. Er holte sie 1998 nach Wittlich, verstarb aber vor einem Jahr. Nun lebt Eleonore allein und fühlt sich sehr einsam. Sie erinnert sich noch an die Großmutter (Nikolaus) und zwei Schwestern ihrer Mutter, die sie auf der - wohl mißglückten - Flucht trafen, eine hieß Klara. Leben noch irgendwo Verwandte? Vielleicht melden sich auch Landsleute und Bekannte der Familie aus der Heimat? Für jede Zuschrift wäre Frau Eleonore, die übrigens gut deutsch spricht, dankbar. (Eleonore Sablinskiene, Petrusstraße 4 in 54516 Wittlich-Wengerohr, Telefon 0 65 71/26 00 06)

Auch ein "Wolfskind" ist Elzbieta Sobliene aus Tauroggen. Sie wurde als Elisabeth Korolkow am 15. Januar 1932 in Tilsit geboren. Die kinderreiche katholische Familie wohnte am Schloßplatz 8. Die Eltern wurden verschleppt, der Vater war fünf, die Mutter elf Jahre in Sibirien! Nun fragt Frau Sobliene, ob es noch Verwandte, Bekannte oder Nachbarn gibt, die sich an Theodor und Ida Korolkow, geborene Betge und ihre neun Kinder erinnern? Deren Namen: Irena, Siegfried * 1925, Feodor Eitel * 1929, Elisabeth * 1932, Walter Werner * 1933, Feodora Franziska * 1934, Alexandria * 1937, Angelika * 1939 und Hansi. Wer ist mit Siegfried, der Soldat wurde, und Feodor Eitel zusammen zur Schule gegangen, können sich noch Mitschülerinnen an Elisabeth Korolkow erinnern? Ganz besonders liegt Frau Sobliene das Schicksal ihrer 1946 in Schlesien verschollenen Schwester Feodora Franziska am Herzen. Die gebürtige Tilsiterin, die in sehr gutem Deutsch schreibt, hat noch einen besonderen Wunsch: Sie möchte, daß ihre Tochter Rita eine Beschäftigung in Deutschland findet, vielleicht im Haushalt eines älteren Ehepaares. (Elzbieta Sobliene, Dariaus ir Gireno 28-6, in 5900 Taurage, Litauen. Übermittelt hat uns diese Wünsche Frau Brigitta Kasten, Bachstraße 10 in 30989 Gehrden.)

Ein weiterer Wunsch aus Litauen, übermittelt von unserer Leserin Erika Haering. Die in Kaunas lebende Valenija Venslovaitis sucht ihren Halbbruder Willy Brasys, der nachweisbar in der Bundesrepublik Deutschland lebt oder gelebt hat. Das beweist ein Schreiben des DRK-Suchdienstes in München vom September 1959, das an die in Litauen lebende Mutter Tony Wisotzky gerichtet ist. Darin wird bekundet, daß der am 18. März 1922 in Schillfelde/Ostpreußen geborene Willy Brasys bis 1948 in Puls/Holstein bei einer Familie Glindemann gewohnt hat und von dort in die damalige Ostzone verzogen ist. Der neue Wohnort blieb unbekannt. Als Vater von Willy Brasys wird Albert Hoffmann aus Schillfelde (Schillehnen) genannt. Die gemeinsame Mutter von Willy Brasys und Valenija Venslovaitis ist die Litauerin Tony Wisotzky. Von 1943 an war der Gesuchte bei der deutschen Wehrmacht. Die Halbschwester hofft, daß sich jetzt durch uns ein Hinweis ergibt, ob und wo Willy Brasys lebt. Auch Frau Haering würde sich freuen, wenn ihre Heimatfreundin in Litauen endlich etwas über das Schicksal ihres Halbbruders erfährt. (Anschriften: Valenija Venslovaitis, Pramones Prosp. 87-36, Lt 3041 Kaunas, Litauen/Erika Haering, Wiedensaehler Straße 16 in 31547 Rehburg/Loccum.)

Der nächste Wunsch ist kurz und knapp zu formulieren, er kommt von Vaclovas Grikas aus Heydekrug (heute Silute). Dort wurde er 1949 als Sohn von Simonas Grikschas (Griksas) und Anastasija (Naste) Schedies (Sediene) geboren. Die Mutter ist eine geborene Schilinski und stammt aus Deguten (Deguciai). Vaclovas älterer Bruder Helmuth Grikschas - Nachname vielleicht auch Schilinski - wurde 1943/1944 geboren. Alles, was der Fragesteller weiß, ist, daß der Bruder nach dem Krieg von seiner Tante Anna Schilinski-Lessing in einem Kinderheim bei Berlin abgegeben wurde. Was ist aus Helmuth Grikschas (bzw. Schilinski) geworden, lebt er und wo? "ich danke für jede Nachricht!" endet das kurze Schreiben des Mannes aus Heydekrug. Anschrift: Dariaus ir Girona 20-410, LT - 5730 Siluta, Litauen. (Zum besseren Verständnis: die heutigen litauischen Namen sind in Klammern gesetzt)

Im Memelland lebte auch der Großvater von Franziska Thompson, der Fischer Adam Plewe, * 31. Januar 1860, vermutlich in Windenburg. Er war in zweiter Ehe mit Anna Plewe, verwitwe- te Waitschies, geborene Grinnus (* 20. Juli 1881 in Suwehnen) verheiratet. In Windenburg wurde auch der Vater von Frau Thompson, Willy Plewe, am 7. Juni 1924 geboren. Adam Plewe gab seine Fischwirtschaft in Windenburg auf und zog Mitte/Ende der 20er Jahre nach Auritten (Mankuslauken) auf einen Bauernhof, der vermutlich seiner Frau gehörte. Dort verstarb Adam Plewe irgendwann in den Kriegsjahren. Die heute 98jährige Großtante von Frau Thompson erinnert sich, daß der Verstorbene von dem Pfarrer aus Wieschen (Wilschen?) bestattet wurde, aber das Datum kann sie auch nicht nennen. Wer kann hier Hinweise geben, wo dieses Datum zu erfahren ist - alle Nachforschungen verliefen bisher im Sande. (Franziska Thompson, Südstraße 178 in 33161 Hövelhof.)

Es gibt Schicksale, die gehen einem schon beim Lesen des Briefes unter die Haut. So erging es mir mit dem Schreiben, mit dem sich die in Puck/Polen lebende Maria Stalke an mich wendet. "Ich bin ein Kind des Krieges" - so beginnt der Brief, der mit der Bitte endet: "Helfen Sie mir!" Aber wie, wenn die Angaben nicht einmal Daten und Ortsnamen enthalten. Bis auf einen: Putzig! Das ist der einzige Anhaltspunkt des Schreibens, das ich weitgehend im Wortlaut bringen muß, um dieses Schicksal unseren Lesern zu verdeutlichen.

Es muß also in oder bei Putzig geschehen sein, was Ende Februar/Anfang März 1945 in der Danziger Bucht geschah. Frau Stalke schreibt: "Ein deutscher Transport hat versucht, nach Hela zu kommen. Da waren viele Menschen und Militär von Ostpreußen, vor allem aus der Umgebung von Königsberg. Ich war in einem Kinderwagen neben einer jungen Frau und einem deutschen Feldwebel. Er war am Arm verwundet. Vielleicht war es meine Familie, vielleicht Bekannte oder Freunde. Mit den Leuten ging auch ein junges Mädchen, etwa 13 Jahre alt, vielleicht meine Schwester? Hinter uns waren die Russen. Was ist mit den Flüchtlingen passiert, wo sind sie geblieben, wurden sie verletzt, sind sie in ein Lager gekommen. Nachher hat niemand die Leute mehr gesehen. Mich haben sie im Kinderwagen auf einem Friedhof vor einem Haus gelassen. Ich war krank und schwach und ohne Information. (Wahrscheinlich ist damit gemeint, daß das Kind keinerlei Hinweis auf seine Herkunft bei sich hatte.) Die Russen wollten mich mit einem Transport in ein Kinderheim nach Rußland bringen. Gott sei Dank hat mich eine Frau aus Putzig genommen. Wir haben drei Jahre lang durch das Rote Kreuz meine Eltern gesucht, aber es hat sich keiner gemeldet, da hat die Frau mich adoptiert. Das hat meine "Mutter" mir erzählt, und das ist alles, was sie weiß. Jetzt habe ich schon erwachsene Kinder und mehr Zeit zum Nachdenken, und manchmal gibt es ja Zufälle oder vielleicht endlich wieder ein Glück."

Das ist also der Brief von Maria Stalke. Ich brauche wohl nichts mehr hinzufügen, er spricht für sich. Vielleicht erinnern sich doch noch Vertriebene, die von Hela aus die Flucht auf See antreten wollten, an jene Stunden in der Danziger Bucht. Eine ganz, ganz vage Hoffnung - aber was wäre unsere Ostpreußische Familie ohne sie? Zuschriften an Maria Stalke, 84-100 Puck. ul. Armie Woj.-Polskiego 4.)

Ein Satz aus dem Brief von Frau Stalke könnte für viele Leserinnen und Leser gelten, die sich an uns wenden: "Ich habe jetzt mehr Zeit zum Nachdenken ...!" Das gilt für diejenigen, die aus dem Berufsleben ausscheiden, deren Familien kleiner geworden sind, für die es nun mehr Selbstbesinnung gibt und damit ein verstärktes Erinnern an die Kindheit. Hinzu kommt, daß viele Menschen erst jetzt von den großen Erfolgen der "Ostpreußischen Familie" - auch über das Internet - Kenntnis erhalten und nun noch einmal nach jahrzehntelangen, erfolglosen Versuchen hoffen, doch etwas über die vermißten Angehörigen zu erfahren.

So schreibt Renate Mittelstaedt aus Thale: "Ich muß es einfach noch einmal versuchen, das bin ich meinem Vati schuldig! Eine andere Möglichkeit gibt es überhaupt nicht mehr ...!" Ihr Vater war Otto Dowidat, geboren in Stallupönen (Ebenrode), zuletzt in Königsberg-Ponarth wohnhaft. Er wurde erst im Januar 1944 eingezogen und kam zur Stabsbatterie III/Art.Reg. 249, einer Beobachtungs-Ersatzabteilung. "Er hat dem Stabsarzt geholfen", erinnert sich die Tochter. Seit den Kämpfen im Raum Schloßberg-Ebenrode im Januar 1945 gilt er als vermißt. Gibt es noch Jemanden, der etwas über Otto Dowidat und sein Schicksal aussagen kann? (Renate Mittelstaedt, Georg-Büchner-Straße 26 in 06502 Thale.)

Auch der Großvater von Elke Göckeritz gilt seit Kriegsende als verschollen und wurde in den 60er Jahren für tot erklärt. Ernst Emil Samlenski wurde am 21.04.1887 in Mohrungen geboren. Seine Eltern waren der Gärtner Wilhelm Samlenski und Ehefrau Auguste geborene Aumüller. Der Sohn trat in die Fußstapfen seines Vaters und besaß in seinem Heimatort am Hinteranger eine Gärtnerei. Ernst Emil Samlenski zog zu Beginn der 30er Jahre nach Lauth bei Königsberg, wo er ebenfalls eine Gärtnerei besaß. Das ist so ziemlich alles, was Elke Göckeritz über ihren Großvater weiß. Sie ist deshalb für jeden Hinweis über sein Leben, seine Tätigkeit und vor allem über sein Schicksal dankbar. Erinnern sich noch alte Mohrunger Samlenski und besonders an "Dorchen" - die Mutter von Frau Göckeritz? Da die Gärtnerei in Mohrungen sicher sehr bekannt war, dürfte dies durchaus möglich sein. (Zuschriften an Elke Göckeritz, Blumenstraße 13 in 74379 Ingersheim.)

Mit Begeisterung liest Brigitte Havertz unsere "Ostpreußische Familie" und wendet sich nun an uns, um etwas über ihre ostpreußische Familie zu erfahren. Frau Havertz wurde in Silkeborg/Dänemark geboren und war noch im Lager Oksböl. Ihre Familie mütterlicherseits stammt aus Sutzken (Sutzen), Gemeinde Raudischken (Raudingen), Kreis Gerdauen. Die Mutter der Schreiberin, Lydia Kowitz, (* 30. August 1924) ist die Tochter des Landwirts Max Kowitz (* 27. Mai 1891) und seiner Ehefrau Ida, geborene Luszig (* 18. Oktober 1890). Dieser Großvater hatte zwei Brüder und eine Schwester, die Großmutter zwei Schwestern. Mit deren möglichen Nachfahren möchte Frau Havertz gerne Kontakt aufnehmen. Ebenfalls mit den Nachkommen der Geschwister ihre Urgroßvaters August Kowitz † 1927), der aus Klonofken (Dreimühl) stammte. Weitere Namen, die in der Familiengeschichte auftauchen: Bieleit, Luszig und Gröning. Frau Havertz würde sich über jede Meldung oder Vermittlung freuen, weil sie ihre Familiengeschichte für Kinder und Enkelkinder aufschreiben will. (Brigitte Havertz, Burgtal 12 in 42659 Solingen.)

Und zum Abschluß kurz und bündig: Unser Leser Dietmar Preuß sucht seine Kusine Gisela Preuß (* 17. Juni 1937) in Marienburg. Sie ist die Tochter von Ewald Preuß und Susanne Preuß, geborene Witt aus Marienburg. (Dietmar Preuß, Röntgenstraße 3 in 49328 Melle-Buer.)

Ich hoffe wieder auf viele informative Antworten und vielleicht auch auf das, was von unseren Leserinnen und Lesern als "Familienwunder" bezeichnet wird.

Eure

Ruth Geede

 

Blasse Erinnerung an eine vergangene Existenz: Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die die auf der Flucht von ihren Familien getrennten Kinder an ihre Angehörigen und ihr ehemaliges Zuhause erinnern. Noch heute suchen die verlorenen Kinder des Krieges nach ihren Familien. Foto: Archiv