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23.11.02 / Stabilisierung in Schlesien / Autonomisten landen Achtungserfolg im Industriegebiet

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Polen: Kommunalwahl
Stabilisierung in Schlesien / Autonomisten landen Achtungserfolg im Industriegebiet
von Sebastian Wieczorek

Während die polnischen Kommunalwahlen am 27. Oktober bzw. 10. November landesweit gesehen die politischen Verhältnisse erheblich umkrempelten, brachten sie für Oberschlesien keine großen Veränderungen.

Sowohl die deutschen Wahlkomitees als auch die oberschlesischen Autonomisten (RAS) dürfen mit ihren Ergebnissen zufrieden sein, auch wenn man sie nicht zu den Siegern rechnen kann.

Die regionalen Kommentatoren bezeichneten den Ausgang der Wahlen zu den Sejmiks (Bezirksparlamenten), Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten als "Stabilisierung der Verhältnisse". Lediglich die erstmals durchgeführte Direktwahl der Stadtpräsidenten, Bürgermeister und Gemeindevorsteher sorgte in manchen Orten für Überraschungen.

Nach der enttäuschenden Sejmwahl des vergangenen Jahres war vor allem die im Deutschen Freundschaftskreis (DFK) organisierte deutsche Minderheit im Bezirk Oppeln bemüht, verlorenen Boden wiedergutzumachen. Zwar büßte sie gegenüber der überaus erfolgreichen Parlamentswahl von 1998 rund 13 000 Stimmen ein und stellt nur noch sieben Abgeordnete (von 30), bleibt aber mit 18,6 Prozent (1998: 21,1 Prozent) hinter dem Linksbündnis SLD-UP, das sein 98er Ergebnis halten konnte, zweitstärkste politische Kraft in der Region.

Zusammen verfügen beide über die absolute Mehrheit im Sejmik und wollen die bisherige Regierungskoalition fortführen. Zudem ist nach den ersten Koalitionsgesprächen davon auszugehen, daß der Deutsche Richard Galla das höchste politische Amt der Wojewodschaft, nämlich das des Marschalls des Bezirksparlaments, weiterführen wird. Zwar muß der DFK auch auf Kreisebene Einbußen verzeichnen, erreichte aber wie schon 1998 absolute Mehrheiten in den Landkreisen Oppeln, Groß Strehlitz und Krappitz.

Im Kreistag von Rosenberg fehlt ihm erneut ein Sitz zur Alleinregierung. Im Kreis Cosel-Kandrzin errang erstmals die SLD-UP die Mehrheit; hier wie auch im Kreistag von Neustadt O/S stellt der DFK jedoch die zweitstärkste Fraktion. Bei den Direktwahlen der Bürgermeister und Gemeindevorsteher konnten sich nur noch 25 DFK-Kandidaten (bisher 31) durchsetzen. Wegen der lokalen Spaltung vieler DFK-Gruppen liegt die tatsächliche Zahl der deutschen Amtsvorsteher aber höher - nämlich bei 31. Vor dem gleichen Hintergrund lassen sich einige erdrutschartige Verluste des DFK auf Gemeindeebene mit den Zugewinnen neuerer deutscher Wahlkomitees begründen.

Immerhin besetzt der DFK im Bezirk Oppeln 340 von 1400 zu vergebenen Mandaten zuzüglich etwa 40 weiteren deutschen Amtsträgern. Entsprechend zeigte sich die Führung um Heinrich Kroll nach der Wahl zufrieden. Man ließ verlauten, daß die politische Stabilisierung auf der kommunalen Ebene auf die erfolgreiche Arbeit in der Selbstverwaltung seit 1990 zurückzuführen sei, die auch in der polnischen Bevölkerung Anerkennung gefunden habe.

Darüber hinaus verwies die DFK-Führung im Wahlkampf ausdrücklich auf die Finanzhilfen, die sie in den vergangenen Jahren aus der Bundesrepublik erhalten und in Oppeln und Umgebung verteilen konnte. Kroll betonte wiederholt, daß ohne "die Bemühungen der Minderheit um weitere bundesdeutsche Hilfen (...), die seit Jahren konsequent zur Verbesserung unserer Lebenssituation geführt haben" die meisten Vorhaben im kommunalen Bereich nicht machbar gewesen wären und es auch künftig nicht anders sein werde.

Zweifellos stecken die Gemeinden im Bezirk Oppeln in einer tiefen Finanzkrise und können öffentlichkeitswirksame Infrastrukturprojekte nur mit westlicher Hilfe durchführen. Durch die Arbeitsmigration der Oberschlesier in die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande verzeichnen die heimatlichen Gemeinden herbe Steuerverluste und gelten deshalb als die ärmsten Gemeinden Polens, obgleich das Pro-Kopf-Einkommen mit das höchste ist.

Die im Bezirk Oppeln mit großen Erwartungen zum ersten Mal angetretenen oberschlesischen Autonomisten (RAS) mußten dort einen Dämpfer hinnehmen. Zwar hatte man mit dem Sejmikabgeordneten Hubert Beier, der kürzlich aus Protest über die Verbandsführung aus allen DFK-Gremien ausgetreten war, ein in der Öffentlichkeit bekanntes Zugpferd gefunden. Dennoch kam die RAS nicht über magere 1,2 Prozent hinaus. Nur in der Gemeinde Czissek im Kreis Cosel-Kandrzin gelang es, einen Ratssitz zu gewinnen.

Ohnehin liegt die traditionelle Hochburg der Autonomisten in Ost-Oberschlesien, das 1922 zu Polen kam und heute mit der größten Stadt Kattowitz das Herz der Wojewodschaft "Schlesien" bildet. Im Industrierevier und im südöstlichen Oberschlesien erreichte die Bewegung in den Städten und Kreisen bei der Wahl zum Kattowitzer Sejmik denn auch um die zehn Prozent. Im Kreis Rybnik kam sie sogar auf 25 Prozent. Würde die Wojewodschaft "Schlesien" nicht nur ihrem offiziellen Namen nach so heißen, sondern auch territorial rein schlesisch sein, hätte die RAS den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde locker geschafft. So bleibt es nur bei einem Achtungserfolg von 4,5 Prozent. Dennoch wird dieses Resultat den Autonomisten Auftrieb geben, um ihre Ziele - umfassende Selbstverwaltungsrechte und internationale Anerkennung als "oberschlesische Minderheit" - durchzusetzen.

Deprimierend verlief die Sejmikwahl dagegen für die Wahlliste "Deutsche des Oberschlesischen Landes" (DOL) des "Zentralrates der Deutschen in Oberschlesien". Die neue gemeinsame Interessenvertretung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft "Versöhnung und Zukunft" und des DFK-Bezirksverbands Kattowitz unterstützten gerade mal 20 000 Menschen (1,6 Prozent). Im Kreis Gleiwitz, der vor zehn Jahren noch eine Hochburg der deutschen Bewegung in Oberschlesien war, wird nur ein Kandidat in den Kreistag einziehen.

Den einzigen Lichtblick bilden die Gemeinden im Kreis Ratibor. Fünf der acht Gemeindevorsteher sind Deutsche, und gleich 21 von 23 Kreistagsmitgliedern gehören dem DFK an, obgleich sie auf drei verschiedenen Listen antraten.

Aber vom guten Ratiborer Abschneiden abgesehen, wird im Bezirk Kattowitz ein bedauerlicher Auflösungsprozeß des deutschen Oberschlesiertums deutlich, der seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachten ist.

Verantwortlich dafür sind strukturelle Verbandsprobleme, persönliche Feindschaften, Überalterung der DFK-Vorstände und die einfachen Losungen der oberschlesischen Autonomisten ("Wir sind weder polnisch noch deutsch, sondern oberschlesisch!").

Vor allen Dingen ist der Minderheit die Jugend abhanden gekommen, die sich für kommunale Belange entweder überhaupt nicht interessiert, weil sie ihr Heil in der Arbeitsmigration sucht, oder den überalterten deutschen Funktionären keine Kompetenz zutraut und andere Parteien wählt.