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23.11.02 / Informative Erinnerungen eines Fähnrichs der deutschen Kriegsmarine

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Klischees durchbrochen
Informative Erinnerungen eines Fähnrichs der deutschen Kriegsmarine

Nicht wenige Menschen haben nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben nicht nur das Bedürfnis, sondern nun auch endlich die Zeit niederzuschreiben, was sie erlebt haben, und das war in der Zeit des Krieges und der turbulenten Nachkriegsjahre nicht wenig. So schreiben sie sich frei, und so teilen sie ihrer Familie, zumal ihren Nachkommen mit, wie jene Zeit tatsächlich gewesen ist und wie sie sie erlebt haben. Endlich sollen die Jungen erfahren, wie es in Wahrheit gewesen ist - das ist ein Motiv, das in Vorworten zu vielen solcher Aufzeichnungen erwähnt wird. Zahlreiche heute 70- und 80jährige haben den Eindruck, daß sie sich in den heutigen, der politischen Korrektheit angepaßten Darstellungen jener Zeit nicht wiedererkennen. Sie haben die Ereignisse in Deutschland in den 30er und 40er Jahren ganz anders in Erinnerung und sind meist hilflos den verzerrten Darstellungen ausgeliefert, denen ihre Kinder und Enkel in den Schulen ausgesetzt waren und sind. Wenn die Zeitzeugen die Gabe haben, sich verständlich auszudrücken, dann haben sie sich niedergesetzt, um aus der Erinnerung oder mit Hilfe von Tagebüchern, Notizbüchern, Briefen Zeugnis abzulegen.

Es ist in der Regel kein literarischer Ehrgeiz mit solchen Erinnerungen verbunden, und das ist auch gut so. Am besten sind fast immer jene Broschüren und Bücher, in denen möglichst genau die selbst erlebten Tatsachen mitgeteilt werden. Wenn dann noch das Bemühen hinzukommt, die Zeit aus der damaligen Sicht darzustellen und nicht aus der heutigen Perspektive, dann können bemerkenswerte Dokumente entstehen, die sehr wohl Mosaiksteine für die Zeitgeschichtsforschung sein können.

Auch Gerhard Both stellt seinen "Erinnerungen eines Fähnrichs der Deutschen Kriegsmarine", denen er den Titel "Vertrauen bis zuletzt" gegeben hat, solche Überlegungen voran. Er bittet den Leser, sich vorzustellen, 2045 würde ein Deutscher versuchen, sich aufgrund der vorliegenden offiziellen Geschichtsliteratur ein Urteil zu bilden über die Generation seiner Vorfahren. Nach den Geschichtsbüchern müßten die damaligen Deutschen unintelligente und moralisch minderwertige Mitläufer oder Mittäter unter einem teuflischen System gewesen sein. Das aber stimmt nicht überein mit dem, was die Generation nach Ende des Krieges erreicht hat: Sie baute nicht nur ihre zerstörte Heimat wieder auf, sondern schuf eine Verfassung und eine demokratische Staatsform, die für viele Teile der Welt zum Vorbild wurden.

Der Autor bemüht sich erfolgreich, mit seinem Buch die nach 1945 geschaffenen Klischees zu durchbrechen.

Gerhard Both, geboren 1926 in einem Dorf in Brandenburg, schildert seine Schulzeit in einer Umgebung, in der das Leben hart und bescheiden war. In Potsdam besuchte er das Realgymnasium. Man erfährt, wie "normal" der Unterricht sowohl in der Volksschule als auch im Gymnasium war. Sachlich stellt er die Zeit in der Hitlerjugend dar. Both ist offenbar kein ausgesprochen politischer Mensch. So fließen auch keine politischen Werturteile in seine Schilderungen des Lebens in Deutschland jener Jahre ein. Er teilt lediglich sachlich mit, wie er damals durchs Leben gegangen ist.

Freiwillig meldet er sich zur Kriegsmarine. Er will Ingenieuroffizier werden. Die harte Ausbildung hat er mit Blick auf das Ziel in positiver Erinnerung. Kommandos auf zwei Zerstörern begeistern ihn sowohl für die Seefahrt als auch für die Technik. Immer wieder lobt er die Kameradschaft auf See. Als "eine der schönsten Zeiten meines Lebens" bezeichnet er den Offizierhauptlehrgang in Glücksburg und Flensburg-Mürwik.

Als sich der Krieg dem Ende zuneigte, wurden die Fähnriche abgestellt zur U-Boot-Waffe. Both wurde in Pillau zum Ingenieur ausgebildet, bis die Front herangerückt war. Mit seinen Kameraden beteiligte er sich an der Rettung der Bevölkerung. Das bisherige Wohnschiff "Pretoria" wurde zum Flüchtlingstransporter. Both wurde zur Mannschaft abkommandiert und gelangte so zusammen mit den Flüchtlingen in den Westen und damit in britische Gefangenschaft. Was er dort erlebte, ließ ihn "sehr kritisch und skeptisch gegenüber den Siegermächten" werden. Aus Mangel an anderen Möglichkeiten meldete er sich zunächst zu dem von den Briten aufgestellten deutschen Minensuchverband, aus dem er im März 1946 entlassen wurde.

Das Buch zeichnet sich durch Sachlichkeit und eine Fülle von Einzelheiten aus. Mit Liebe schildert er seine technische Ausbildung zum Ingenieuroffizier. Sicherlich wird gerade diese Darstellung auf lebhaftes Interesse von früheren wie heutigen Ingenieuroffizieren der Marine stoßen. Aber auch alle anderen Leser werden nach der Lektüre feststellen, daß das Leben in Deutschland damals viel normaler war, als man es uns heute darzustellen beliebt. Und daß die Deutschen sich auch kaum unterschieden von den Menschen der zivilisierten Nachbarvölker. H.-J. von Leesen

Gerhard Both: "Vertrauen bis zuletzt. Erinnerungen eines Fähnrichs der Deutschen Kriegsmarine", Reinhold Kolb Verlag, Mannheim 2002, Paperback, 284 Seiten, viele Abbildungen, 11,50 Euro