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30.11.02 / Wille zum Betrug

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. November 2002


Wille zum Betrug

Niemand anders als der Bundeskanzler selbst hat vor einer Woche bestätigt, wie nötig ein Untersuchungsausschuß zum Thema "vorsätzlicher Wahlbetrug" ist. Denn indem er bei der Vorstellung der neuesten - gewiß nicht letzten - Besteuerungsart einräumte, daß man "erst am Anfang" einer schmerzhaften Entwicklung bei der Neuordnung der Sozialsysteme stehe, gab er zu erkennen, daß er mehr weiß. Dieses Wissen ist nicht über Nacht über ihn hereingebrochen. Es ist seit Jahren mit den Händen greifbar. Dicke Bücher über die demographische Entwick-lung in Deutschland liegen vor, ihr Resümee lautet: es fehlen die Kinder. Auch die Vorgängerregierungen hatten dieses Wissen parat. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem mit mehreren Urteilen darauf hingewiesen. Dennoch beschwörten sie alle die Sicherheit der Renten und taten so, als seien die Alten alles Egoisten und an einer vernünftigen Lösung für ihre Enkel nicht interessiert. Das stimmt nicht. Die ältere Generation ist sehr wohl zum Verzicht bereit und hilft privat ja auch schon vielfach ihren Kindern. Man muß ihnen nur die Wahrheit sagen, dann kann man auch mit ihnen reden.

Der Unterschied zwischen RotGrün und den Bürgerlichen liegt in der Menge der Lügen und in ihrer Dreistigkeit. Kohl und Blüm haben immerhin versucht, strukturelle Reformen einzuführen - Stichwort demographischer Faktor - und die Kassen waren auch noch nicht so leer wie jetzt. Die jetzige rot-grüne Equipe hat diesen Faktor abgeschafft, hat eine neue Steuer eingeführt um die Rentenbeiträge zu drücken (die Belastung für den Bürger und insbesondere die Familien hat sich dadurch erhöht), und sie erhöht die Beiträge jetzt dennoch, weil die Wirklichkeit stärker ist als die Ideologie. Sie hat ferner das Ausmaß der Staatsverschuldung verschleiert und wenige Tage nach der Wahl den Blick in die leeren Kassen freigegeben. Es gibt sie, die Rentenlüge, die Steuerlüge, die Verschuldungslüge und bald vielleicht auch die Irak-Lüge.

Seit Augustinus wissen wir, was eine Lüge ist: eine Aussage mit dem Willen, Falsches mitzuteilen (mendacium est enuntiatio cum voluntate falsum enuntiandi). Von Thomas von Aquin haben wir einen Begriff der Wahrheit: Übereinstimmung des Denkens mit der Wirklichkeit (adaequatio intellectus et rei), Josef Pieper nannte sie "die Enthüllung der Wirklichkeit". Nun sehen wir sie. Ihr Inhalt ist die Leere der Kassen, und vor allem die Leere in den rot-grünen Köpfen. Mehr noch: Es ist die Leere hinter den ideologischen Barrieren. Und hier trifft man neben den Genossen gelegentlich auch manchen C-Politiker. Denn eine Wirklichkeit wird von fast allen verdrängt: Die Misere der Sozialsysteme hat zu tun mit der politisch verursachten Misere der Familie in Deutschland. Sie zu beseitigen, traut die Politik sich nicht. Deshalb werden die Probleme weiter wachsen.

Die Einführung des Untersuchungsausschusses ist zu begrüßen. Denn seit Max Weber wissen wir auch: Man muß die Wahrheit auch wollen. So wie man die Lüge wollte. Dieser Wille fehlt bei Rot-Grün, man wehrt sich und versucht, das Anliegen der Opposition lächerlich zu machen. Aber der Ausschuss ist schon berechtigt, wenn nur die jüngsten Lügen aufgedeckt werden. Das würde der Wahrheit wieder zu mehr Geltung in diesem Land verhelfen. Man kann sogar die Hoffnung damit verbinden, daß dadurch die Hysterieanfälligkeit der Deutschen vermindert und es nicht mehr so einfach sein wird, Wahlen mit Angstmache zu gewinnen. Von der Enthüllung der Wirklichkeit vor der Wahl bis zur Lösung der Probleme allerdings ist es noch ein weiter Weg. Er begänne mit der Erkenntnis, daß Wahrheit parteipolitisch nicht einzuordnen ist und daß man bei der Keimzelle der Gesellschaft ansetzen muß, der Familie. Jürgen Liminski