19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.11.02 / EU geht in die Höhle des Löwen / In Bosnien herrscht noch immer Unsicherheit - das System ist zu kompliziert

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. November 2002


EU geht in die Höhle des Löwen
In Bosnien herrscht noch immer Unsicherheit - das System ist zu kompliziert
von Karl-Peter Gerigk

Srebrenica. Es ist der 11. Juli 1995, ein drückend heißer Tag. Frauen laufen kreischend, ihre Kinder auf dem Arm, zum Bus, der abfahrbereit dasteht. Sie sollen aus der Stadt in ein Lager gebracht werden. Hinter ihnen ein Serbischer Soldat von General Mladic, der sie antreibt. Eine Gruppe holländischer Blauhelmsoldaten steht dabei und schaut zu. Die Männer dieser Frauen sind schon einige Stunden auf dem Weg in die Wälder. Etwa 7.000 von ihnen unter Bewachung serbischen Militärs. Sie werden nicht zurückkommen. Es war einer der größten Massenmorde während des Krieges in Bosnien, dessen heiße Phase von 1992 bis 1995 dauerte. Das Schockierende: der Massenmord erfolgt unter den Augen der holländischen Blauhelmsoldaten.

Anfang kommenden Jahres wird das Mandat der UNO-Streitkräfte auf dem Balkan in die Hände der Europäischen Union übergeben. Dies bedeutet, daß die Nachfolgestaaten Jugoslawiens dann von der Organisation militärisch kontrolliert werden, die ein vitales Interesse am Frieden und Wiederaufbau in der Region hat, damit sich vor der Haustüre kein Krieg mehr abspielt.

Geplant ist eine schrittweise Heranführung dieser Staaten an die EU, mit dem Ziel, sie dann auch bald politisch und ökonomisch zu integrieren, denn Prosperität und Demokratie garantiert Frieden, so nicht zuletzt die deutsche Nachkrieggserfahrung. Es stellt sich hier die Frage, ob das militärische Engagement Deutschlands auf dem Balkan im Rahmen der EU gesteigert wird - ob es also mehr kostet, wenn sich Berlin im Rahmen der EU intensiver kümmert. Und vor allem, wenn es mehr kostet, wer soll das bezahlen? Bis 2001 beliefen sich die Kosten für die Verlegung und den Einsatz deutscher Truppen in Bosnien und Kroatien nach Angaben der FAZ auf 3,3 Milliarden Euro. Die Ausgaben dürften sich bis heute auf über vier Milliarden erhöht haben. Angesichts der aktuellen Löcher im Bundeshaushalt eine enorm hohe Zahl. Doch Hans Eichel will für die Sicherheit auf dem balkan keinen Cent mehr ausgeben. Und Sicherheit tut Not.

Nach den Anschlägen vom 11. September wurden vor allem die Verbindungen offizieller Stellen zu islamischen Netzwerken kritisiert. Bosnien aber, das aufgrund der fremden Truppen auf seinem Territorium potentielle Ziele für Anschläge bietet, kann sich eine auch nur angenommene Verbindung zum internationalen Terrorismus nicht leisten. Es ist immerhin auf internationale Hilfe angewiesen. Die Verbindungen gehen zurück auf die Partei Alija Izetbegovic, die SDA. Unter Beobachtung der internationalen Aufklärer steht auch die Agentur für Information und Dokumentation (AID).

Diese Agentur ist und war eine Parallelorganisation zur SDA und eine politische Organisation, die in den wilden Kriegsjahren in Bosnien die Dienste der zahlreichen Kriegsfreiwilligen aus islamischen Ländern in Anspruch nahm. Neben dieser offen auch militärisch agierenden Agentur ist es die Third World Relief Agency (TWRA), die Osama bin Laden zur finanziellen Unterstützung seiner Glaubensbrüder auf dem Balkan diente und wohlmöglich noch dient.

Eindeutige Aufgabe der TWRA war es nach 1992, Waffen nach Bosnien zu schmuggeln. Es ist naiv zu glauben, daß sich solche Strukturen nach der Beendigung der heißen Kampfhandlungen auf dem Balkan und speziell in Bosnien in Luft aufgelöst hätten. Der starke muslimische Anteil der Bevölkerung Bosniens macht ein weiteres lebendiges Interesse von Islamisten an dieser Region plausibel, und sei es nur zur Rekrutierung von Kämpfern in und für Europa. Stabile Sicherheitsstrukturen, die mögliche Anschläge in Mitteleuropa im Vorfeld verhindern wollen, können in Bosnien nicht allein auf militärische Präsenz gebaut sein.

Auch wenn die UNO mit ihren Truppen in der jüngsten Zeit scheinbare Ruhe etabliert hat, hat die EU es ab 2003 weiterhin mit den alten Problemen zu tun. Die Institutionen und staatlichen Organisationen sind zum Teil multiethnisch besetzt und "sind so kompliziert, daß sie gar nicht funktionieren können. Unter solchen Umständen ist es gar nicht verwunderlich, daß alle wichtigen Entscheidungen von der internationalen Gemeinschaft getroffen werden", sagt ein Jurist in Sarajevo mit Verbitterung. Die muslimisch-kroatische Föderation steht unter starkem Druck der kroatischen Nationalisten, die einen eigenen Staat wollen.

Bosnien hat heute noch knapp vier Millionen Einwohner, Serben, Kroaten und viele Muslime. Die EU steht ab nächstem Jahr vor der Problematik, Recht und Ordnung in Bosnien zu gewährleisten. Dies wird durch das Militär alleine jedoch nicht zu realisieren sein. Bosnien braucht vor allem ein funktionierendes Sicherheitssystem, das den Namen wirklich verdient.

 

Bosnien: Eine Frau in Srebrenica weint. Ihr Mann wurde in den Wald geführt und dort von serbischen Soldaten erschossen. Foto: reuters