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07.12.02 / Faszination Leuchtturm: Eine Ausstellung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Dezember 2002


Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern
Faszination Leuchtturm: Eine Ausstellung
von Silke Osman

Einst warnten sie die Seeleute vor drohenden Gefahren wie Untiefen oder Riffs, heute sind sie oft stillgelegt, weil moderne Navigationssysteme sie überflüssig machen: Leuchttürme sind dennoch nicht aus unserem Bild von Küste und Seefahrt wegzudenken. Und so werden einige von ihnen in unseren Tagen auch gern zweckentfremdet genutzt, um sie zu erhalten. Ein beliebtes Ausflugsziel für Hamburger und ihre Gäste ist der Leuchtturm auf der zur Hansestadt gehörenden Elbinsel Neuwerk. Der 30 Meter hohe kantige Turm mit den zwei Metern mächtigen Mauern aus Backstein wurde 1286 errichtet und diente zum Schutz der Schiffahrt vor Seeräubern, als Seezeichen und als Zuflucht bei Sturmflut für die Bewohner der Insel.

Heute leben knapp 30 Menschen auf Neuwerk; allerdings sind im Sommer bis zu 2000 Tagesgäste zu verzeichnen, die mit dem Schiff oder bei Ebbe mit dem Wattwagen und zu Fuß herüberkommen. Diese Menschen müssen bewirtet werden, dachte man sich und schuf im Turm mit der Turmschänke und einer Unterkunft in drei Doppel- und zwei Einzelzimmern eine geeignete Gelegenheit. Seit drei Jahren gar ist die sogenannte Herren-Etage, die einst nur für Ratsherren oder später für Senatoren, Abgeordnete und hochrangige Staatsdiener als zeitweilige und entspannende Unterkunft diente, auch für Otto Normalurlauber geöffnet. Nun sucht die Stadt Hamburg als Eigentümerin neue Betreiber mit neuen zündenden Ideen, die der fast 700 Jahre alten Immobilie neues Leben einhauchen sollen. Gastronomie ja, aber vielleicht auch ein wenig Kultur ... Man darf gespannt sein.

An anderen Orten hat man Leuchttürme zu Standesämtern umfunktioniert oder zu kleinsten Hotels. Das wird dem nördlichsten Leuchtfeuer Deutschlands wohl nicht blühen, der muß eher um seine Standfestigkeit bangen. Der Leuchtturm List-Ost auf der Insel Sylt, 1852 erbaut und sechs Jahre später in Betrieb genommen, droht ein Opfer der Sturmfluten zu werden, die immer wieder die deutsche Nordseeküste und die Inseln heimsuchen. Vor allem Sylt ist in Gefahr. Der Leuchtturm List-Ost, inmitten des Naturschutzgebietes Ellenbogen gelegen, gehört mit seinem zwei Kilometer entfernten Schwester-Feuer List-West zu den Wahrzeichen Norddeutschlands und ist ein beliebtes Fotomotiv. Nun aber bedrohen Wind und Wellen diese Idylle. Als der Turm errichtet wurde, lag das Meer noch über 100 Meter entfernt; jetzt sind es nur noch 17 Meter. Falls der Fall der Fälle eintritt und der Turm ins Meer zu stürzen droht, müssen sechs überdimensionale Muttern, mit denen er im Erdreich befestigt ist, gelöst und der Turm auf sicheres Terrain versetzt werden. Eine kostspielige Lösung und eine Herausforderung an die Technik!

Erste Leuchttürme entstanden schon zu Zeiten der Hanse, um sich vor Seeräubern zu schützen und die Schiffahrt sicherer zu machen. - Allerdings nutzten räuberische Küstenbewohner die Angewohnheit der Seeleute, sich bei Nacht nach einem Lichtschein zu richten, für ihre dunk-len Absichten und löschten so manches Feuer, das die Schiffe in den sicheren Hafen geleiten sollten; statt dessen entfachten sie eigene Feuer, welche die Schiffe dann auf einen Felsen oder eine Sandbank führten, wo sie schließlich Schiffbruch erlitten und Mann und Maus ertranken. Das Treibgut und die Ladung wurde dann von den räuberischen Gesellen sicher gestellt. So manches spannende Abenteuerbuch berichtet über derartige Machenschaften.

Ein erstes Leuchtfeuer wurde nach Absprache mit dem dänischen König Waldemar Sejr 1220 bei Falsterbo errichtet. Sechs Jahre später folgte Travemünde, wo heute das Hotel Maritim als Leuchtturm fungiert: In seinem obersten Stockwerk wurde ein Leuchtfeuer installiert, da der Neubau den alten Leuchtturm teilweise verdeckte.

Im 13. und 14. Jahrhundert wurden immer mehr Leuchtfeuer errichtet: in der Wismarer Bucht auf der Insel Lieps 1266, Insel Neuwerk 1286, Stralsund auf der Südseite der Insel Hiddensee 1306, Warnemünde 1349. 1560 gab's ein Feuer auf Skagen, 1624 auf der Insel Wangerooge an der Jadeeinfahrt und der Wesermündung. Die nächste große Bauphase begann um 1800. So wurde 1804/05 in Cuxhaven ein Leuchtturm errichtet, der noch heute in Betrieb ist.

Allen Widrigkeiten der Zeit hat auch der Leuchtturm getrotzt, der 1813 nach Entwürfen aus der Werkstatt Karl Friedrich Schinkels in Pillau entstand. "Pillau trägt ganz den Charakter einer kleinen Seestadt, bei der sich alles nach dem Hafen drängt", liest man in einem Reiseführer durch das Samland aus dem Jahr 1926. - Seestadt durfte sich Pillau denn auch zehn Jahre später offiziell nennen. - "Dieser Hafen, für den die Regierung reiche Aufwendungen gemacht hat, bildet mit seinen verschiedenartigen Anlagen eine interessante Sehenswürdigkeit. Verschiedene mächtige Dämme schließen das Hafenbassin gegen das umgebende Haff ab und lassen nur zwei schmale Einfahrten übrig ... Ein nicht unwichtiger Bestandteil der Hafenanlagen ist auch der 1813 vollendete, im Südostwinkel der Stadt gelegene schlanke Leuchtturm, dessen Kuppel sich 33 Meter über dem Meer erhebt und ein Blinkfeuer mit zwei Unterbrechungsgruppen entsendet." Dort, wo seit 1913 ein Denkmal für den Großen Kurfürsten stand, ist heute eines für den russischen Zaren Peter den Großen zu sehen. Der Leuchtturm aber weist noch heute den Schiffen den Weg. Ein beliebtes Ausflugsziel war einst auch der Leuchtturm von Brüsterort, ein Motiv, das Maler wie Alfred Partikel reizte.

Seit jeher sind Menschen von Leuchttürmen fasziniert, sind sie doch Symbole für Stärke, aber auch für Einsamkeit, Abgeschiedenheit, für Unnahbarkeit. Sie rufen Fernweh ebenso wach wie Heimweh. Sie trotzen Unwettern, warnen vor Gefahr, vermitteln Geborgenheit. Gefährlich nah stehen sie an der Küste, auf Klippen, kleinsten Inselchen, auf Felsen in der Brandung. Einer von ihnen zählte gar zu den sieben Weltwundern der Antike: der Leuchtturm von Pharos bei Alexandria soll 130 Meter hoch gewesen sein, und sein Licht strahlte über 50 Kilometer weit. Er war das höchste Gebäude der damaligen Welt. Der Koloß von Rhodos, ein weiteres der sieben Weltwunder, soll übrigens auch ein Seezeichen gewesen sein ...

Wer einmal mit einem Schiff auf Reisen war und das Blinken eines Leuchtturmes nach langer Fahrt entdeckt hat, der wird diese Faszination nachempfinden können. Auch wenn Satelliten und Radar heute weitgehend die Navigation übernommen haben, so sind diese ältesten Seezeichen der Welt dennoch immer wieder beeindruckend. Das haben sich auch die Verantwortlichen einer Ausstellung gedacht, die noch bis zum 19. Januar im Altonaer Museum in Hamburg zu sehen ist (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr): Leuchttum modell + design. Entstanden ist diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Darstellung und Gestaltung/Architektur, Umwelt, Gesellschaft im Fachbereich Architektur der Technischen Universität Berlin unter der Leitung des Diplom-Designers Burk-hard Lüdtke.

Gezeigt werden detailgetreue Nachbildungen von 15 Leuchttürmen der Nord- und Ostseeküste, die nach alten Bauplänen der Wasser- und Schiffahrtsämter entstanden. Die weißen Modelle vor schwarzem Hintergrund zeigen eindrucksvoll die baulichen Eigenheiten der einzelnen Türme; viele von ihnen wurden im Laufe der Zeit baulich verändert. In diesem makellosen Weiß gleichen sie geradezu klassizistischen Skulpturen und leiten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die architektonischen Besonderheiten. Da gibt es wuchtige und kantige Formen, aber auch beschwingt-elegante, zierlich verspielte oder solche mit trutzigem Erker versehene. Aus dieser Formensprache sind letztlich auch Designobjekte hervorgegangen, die ebenfalls auf der Ausstellung zu sehen sind: Besen, Teeset, Taschenlampe und als Kuriosum eine WC-Bürste mit Halter. Das Produktdesign will so eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, immer allerdings mit einem Augenzwinkern.

Augenzwinkern war denn auch angesagt, als Prof. Dr. Peter Ehlers, Präsident des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie die Ausstellung eröffnete und zum Abschluß eine köstliche Anekdote erzählte, die alle Leuchtturm-Freunde erfreuen wird. Es handelt sich um einen Bericht über ein Seefunkgespräch, das ein paar Seemeilen vor der Küste Neufundlands stattfindet, wo ein Schiff der US-Marine navigiert:

"Kapitän: Bitte ändern Sie Ihren Kurs 15 Grad Nord, um eine Kollision zu vermeiden. - Kanadier: Empfehle, Sie ändern Ihren Kurs 15 Grad Süd, um Kollision zu vermeiden. - Kapitän: Dies ist der Kapitän eines Schiffes der U.S. Navy. Ich wiederhole, ändern Sie Ihren Kurs. - Kanadier: Nein, ich wiederhole, ändern Sie Ihren Kurs. - Kapitän: Hier ist der Flugzeugträger U.S.S. Lincoln, das zweitgrößte Schiff der Atlantikflotte der Vereinigten Staaten. Ändern Sie Ihren Kurs unverzüglich! - Kanadier: Dies ist ein Leuchtturm. Kommen."

Cuxhaven (links) oder Arkona: Die Schönheit der Leuchttürme kommt erst im Modell zur vollen Geltung, Fotos (2): Altonaer Museum

Pillau: Der alte Leuchtturm aus dem frühen 19. Jahrhundert hat die Zeiten überdauert. Heute steht anstelle des Großen Kurfürsten Zar Peter der Große in seiner Nähe Foto: Archiv

Alfred Partikel: Leuchtturm von Brüsterort (Öl, um 1931; im Besitz des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg). Der 1888 in Goldap geborene Künstler war Lehrer für Landschaftsmalerei an der Kunstakademie in Königsberg, Foto: Archiv