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14.12.02 / "Vorreiter bei Bildung, Sicherheit und Wirtschaft" / Exklusiv-Interview mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Dezember 2002


"Vorreiter bei Bildung, Sicherheit und Wirtschaft"
Exklusiv-Interview mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch

Herr Ministerpräsident, Ihre erste Legislaturperiode als Regierungschef in Hessen neigt sich dem Ende zu. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Welche Ziele haben Sie erreicht, wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Koch: Die von mir geführte Landesregierung hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren viel erreicht: So haben wir die von der Vorgängerregierung übernommenen 100.000 ausgefallenen Unterrichtsstunden abgebaut und als erstes Bundesland die Unterrichtsgarantie erfüllt. Die Stunden, die laut der Stundentafel des Kultusministeriums vorgesehen sind, finden sich jetzt auch auf den Stundenplänen der Kinder. Darüber hinaus haben wir beispielsweise mit der Einführung regelmäßiger Leistungstests die Qualität des Unterrichts maßgeblich verbessert und mit der Schaffung 2.900 zusätzlicher Lehrer- und 1.600 zusätzlicher Referendarstellen frischen Wind an Hessens Schulen gebracht. Dank der erfolgreichen Arbeit von Kultusministerin Karin Wolff konnten wir darüber hinaus erst kürzlich den Startschuß für 40 neue Ganztagsangebote geben; 40 weitere werden zum kommenden Schuljahr folgen. Ein weiterer wichtiger Erfolg unserer Politik ist die Tatsache, daß die Menschen in diesem Land heute sicherer leben können. So ist es dank der konsequenten Politik von Innenminister Volker Bouffier gelungen, die Kriminalitätsrate in Hessen entgegen dem Bundestrend zu senken. Die Einführung der Videoüberwachung, der elektronischen Fußfessel, des Freiwilligen Polizeidienstes und der Wachpolizei hat sich hierbei als besonders wirkungsvoll erwiesen. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch, daß wir die Arbeitsbedingungen der hessischen Polizei verbessert haben. So haben wir die größte Modernisierungsoffensive in der Geschichte des Landes gestartet und die Polizei mit 1.300 neuen Streifenwagen und 10.200 neuen Computern ausgestattet. Und - darauf bin ich in dieser aktuell schwierigen Lage besonders stolz: Uns ist es gelungen, in Hessen ein mehr als doppelt so hohes Wirtschaftswachstum zu erzielen als im Bundesdurchschnitt. Hessen ist heute Wirtschaftsland Nr.1 - noch vor den traditionellen Erfolgsländern Bayern und Baden-Württemberg! Insgesamt haben wir 90 Prozent der Koalitionsvereinbarungen bereits heute schon erfüllt - diese stolze Bilanz kann im Internet unter www.hessen.de nachgelesen werden. Dennoch gilt: Wir haben viel getan, doch es gibt noch viel zu tun!

Mit welchen Themenschwerpunkten wollen Sie diesmal den Wahlkampf bestreiten?

Koch: Wir werden uns im Rahmen des bevorstehenden kurzen, aber sehr intensiven Wahlkampfes darauf konzentrieren, unsere Erfolge verstärkt in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Das werden wir offensiv tun, schließlich haben wir es geschafft, Hessen insbesondere in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik sowie auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit deutschlandweit als Vorreiter zu etablieren. Zudem müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern unsere Ergebnisse vor Augen halten und sie fragen: Wollt Ihr, dass diese Erfolgsstory in Hessen fortgesetzt wird oder wollt ihr stattdessen zurück zur Mittelmäßigkeit, zurück zu der ideologiebelasteten Politik der rot-grünen Vorgängerregierung? Selbstverständlich werden wir die Menschen aber auch darauf hinweisen, dass nur mit einer Fortsetzung dieser CDU/FDP-Koalition in Hessen der rot-grünen Politik der gebrochenen Wahlversprechen in Berlin Einhalt geboten wird. Um es klar zu sagen: Steuererhöhungen zum Beispiel sind mit uns nicht zu machen! Daher gilt: Rot-Grün braucht Kontrolle und dieser Kontrollpflicht werden wir über den Bundesrat nachkommen.

Die rot-grüne Bundesregierung bietet ja derzeit genügend Ansatzpunkte zur massiven Kritik. Aber reicht das? Sollte die Union nicht noch stärker als bisher mit eigenen Konzeptionen und Perspektiven auf sich aufmerksam machen?

Koch: Mehr als 40 Steuererhöhungen, ständig steigende Staatsschulden, "blauer Brief" aus Brüssel, wachsende Renten- und Krankenkassenbeiträge - mit dieser Politik wird die wirtschaftliche Talfahrt Deutschlands immer weiter beschleunigt, wir sind mittlerweile das Land mit dem geringsten Wirtschaftswachstum in Europa. Das ist angesichts unserer Potenziale völlig unakzeptabel. Die CDU, aber auch die von mir geführte Landesregierung in Hessen, werden daher nicht stillhalten und jeden Tag aufs Neue den Bürgerinnen und Bürgern diese fatale Entwicklung vor Augen halten. Zumal wir die Alternativen, die Deutschland wieder nach vorne bringen werden, schon lange formuliert haben: Abbau der Bürokratie, Anhebung der Einkommensgrenze für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die Reform des Kündigungsschutzes für Ältere, Erleichterungen für Existenzgründer, die Ausweitung der Zeitarbeit, die eine wichtige Brückenfunktion zwischen Arbeitslosigkeit und dauerhafter Beschäftigung einnimmt, und eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Sinne von mehr Freiheit für Unternehmen und Betriebsräte. Diese Ansätze gilt es nun, verstärkt an die Öffentlichkeit zu bringen. Das gleiche gilt im Übrigen für eine rasche und durchgreifende Arbeitsmarktreform nach dem Vorbild des hessischen OFFENSIV-Gesetzes zu der es keinerlei Alternativen gibt, zumal das Hartz-Konzept der Bundesregierung durch den massiven Einfluss der Gewerkschaften völlig verwässert wurde und damit jegliche Effizienz verloren hat. Was wir so schnell wie möglich brauchen, ist eine Neustrukturierung der Jobvermittlung. Wir wollen durch optimales Fördern und Fordern mehr Menschen eine Beschäftigungschance eröffnen und Sie in Jobcentern intensiv betreuen. Auf diese Weise werden wir, ergänzt durch eine Neustrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, für mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sorgen und in der Konsequenz die s dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen.

Wie sehen Sie den künftigen programmatischen Weg der CDU - in Richtung der so genannten Mitte oder hin zu einer betont wertkonservativen, christlich und nationalliberal orientierten Alternative zu Rot-Grün?

Koch: Der CDU war es immer ein Anliegen, eine gute Politik zum Wohle der Menschen in diesem Land zu machen. Sich an klischeebehaftetem Schubladendenken zu orientieren, bringt uns in diesem Zusammenhang nicht weiter. Unser Ziel muss und wird es vielmehr sein, Deutschland wieder dorthin zu führen, wo es hin gehört: Zurück an die Spitze! Daher muss jetzt unsere volle Konzentration darauf gerichtet werden, diese völlig verfehlte Steuer- und Finanzpolitik sowie die ständig wachsende Belastung der Kranken- und Sozialsysteme von Schröder, Eichel & Co. zu stoppen. Wir in Hessen haben bewiesen, dass es eine moderne und erfolgreiche Alternative zur rückwärts gewandte Politik von Rot-Grün gibt. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind wir heute ein IT- und Pharmastandort erster Güte. Modern bedeutet jedoch nicht die Abkehr vom christlichen Wertesystem. So wird der besondere Schutz von Ehe und Familie immer ein Fixpunkt unserer Politik sein - diese Tradition hat sich bewährt, ihr fühlen wir uns verpflichtet.

Glauben Sie, dass die CDU inzwischen die Nachwirkungen des "Systems Kohl", insbesondere auch die Spendenaffäre, überwunden hat?

Koch: Der Union hat es nach Ihrer Wahlniederlage 1998 bundesweit, schneller als von den vermeintlichen Experten erwartet, geschafft, wieder ihre Position als Volkspartei Nr. 1 zurück zu erlangen. Dazu hat natürlich die Geschlossenheit sowie die konzentrierte Arbeit der Partei und ihrer Führungsspitze ebenso beigetragen wie der konsequente Umgang der Hessen-CDU mit der Spendenaffäre. Dank unserer Entschlossenheit ist es uns gelungen, in kürzester Zeit alle Geldbewegungen bis auf 0,0016 Prozent lückenlos aufzuklären. Damit konnten wir rasch zur Sachpolitik zurückkehren und unsere Versprechen von der Schulpolitik über die Verbrechensbekämpfung bis hin zur Wirtschaftspolitik einlösen.

Darf man davon ausgehen, dass Sie im Falle eines Wahlsieges im Februar auch in der Führungsriege der CDU eine deutlich stärkere Position einnehmen, d.h. auch bei inhaltlichen Positionen eigene Akzente setzen?

Koch: Als Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und natürlich auch in meiner Funktion als Hessischer Ministerpräsident und Vorsitzender der Hessen-CDU habe ich die Möglichkeit, in der Führung der CDU mitzusprechen. Wir werden auch in Zukunft - unabhängig von dem Ausgang der Landtagswahlen - unsere Entscheidungen immer gemeinsam und demokratisch treffen. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Wir ziehen innerhalb der CDU an einem Strang. Das unterscheidet uns übrigens von den Sozialdemokraten, in deren Reihen im Zusammenhang mit der Einführung der Vermögenssteuer zurzeit intern chaotische Zustände herrschen: So hat Bundeskanzler Schröder noch in der ZDF-Sendung "Was nun Herr Schröder?" am 5. Dezember 2002 betont, die Vermögenssteuer sei "aus guten Gründen" abgeschafft worden, dabei solle es auch bleiben und am gleichen Tag tönen die SPD-Ministerpräsidenten Gabriel und Steinbrück unisono in Hannover und im Handelsblatt, sie wollten an deren Einführung festhalten. Gleiches gilt im Übrigen für die Grünen, die zurzeit nur durch interne Streitereien aufmerksam machen wie der jüngste Parteitag in Hannover gezeigt hat. Dieses Tohuwabohu in Berlin muss ein Ende haben, dafür wird sich die Hessische Landesregierung einsetzen. Wir werden Rot-Grün über den Bundesrat kontrollieren. Dazu brauchen wir am 2. Februar den Auftrag der hessischen Wählerinnen und Wähler. Wenn wir konzentriert weiterarbeiten und unsere Erfolge noch stärker kommunizieren werden wir auch gewinnen und dieser Bundesregierung einen Denkzettel verpassen, davon bin ich überzeugt.

Der Bundeskanzler und der Außenminister haben - aus rein wahltaktischen Gründen - die Beziehungen zu den USA empfindlich beschädigt. Aber glauben Sie, dass die Union und Ihr Kanzlerkandidat die Gegenposition in der Irak-Frage, den Bürgern hinreichend klar machen können? Wie sieht ihre persönliche Haltung in Sachen Irak aus?

Koch: Schröder und Fischer sind in der Irak-Frage nicht nur einen unseriösen, sondern einen ausgesprochen gefährlichen politischen Kurs gefahren. Sie haben Wahlkampf mit der Kriegsangst der Deutschen gemacht, um von ihren desaströsen Ergebnissen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik abzulenken. Das fatale Ergebnis dieses "deutschen Sonderweges", vor dem ich gemeinsam mit Edmund Stoiber, Angela Merkel und vielen meiner Parteikollegen vor der Bundestagswahl immer und immer wieder gewarnt habe, ist eingetreten: die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Deutschland, das vor allem den USA seinen heutigen Wohlstand und seinen Einfluss im internationalen System zu verdanken hat, hat in außenpolitischer Hinsicht massiv an Ansehen verloren. Dies werden wir immer und immer wieder zur Sprache bringen, schließlich darf eine Tatsache nicht aus den Augen verloren werden: Von Iraks Diktator Saddam Hussein geht die Gefahr aus, nicht von US-Präsident Bush. Daher müssen wir unsere amerikanischen Freunde im Kampf gegen den Terrorismus unterstützen und dürfen uns nicht aus der internationalen Verantwortung stehlen, wie dies Schröder und Fischer getan haben.

Herr Koch; SPD und Grüne haben auf Bundesebene und in den von ihnen regierten Bundesländern die Förderung der Vertriebenen stark reduziert, offenbar auch aus politischen und ideologischen Motiven. Was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt getan, um dieser Entwicklung gegenzusteuern? Und welche Vorstellungen haben Sie für die nächst Legislaturperiode, was die materielle und ideelle Unterstützung der Vertriebenen betrifft?

Koch: Die Hessische Landesregierung hat sich seit ihrem Amtsantritt immer für die Integration von Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern eingesetzt, schließlich sind sie eine Bereicherung für unser Land und haben in der Geschichte Hessens hervorragende Arbeit für unser Gemeinwesen geleistet. Aus diesem Grund haben wir als Zeichen der Anerkennung und Unterstützung dieser Menschen und dieser Arbeit in Hessen seit 1998 die finanziellen Mittel für Heimatvertriebene und Spätaussiedler von rund 258.000 Euro auf 630.000 Euro mehr als verdoppelt und als Anwalt für die Bevölkerungsgruppe mit Rudi Friedrich offiziell einen Landesbeauftragten eingesetzt, der sich unermüdlich - auch im Rahmen des Integrationsbeirates - für die Rechte der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler einsetzt. Dieser Arbeit macht Herr Friedrich so hervorragend, dass ich ihm erst kürzlich im Namen des Bundespräsidenten das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreichen durfte.

Unterstützen Sie die Auffassung der Landsmannschaften, dass die fortbestehenden Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete in Tschechien (Benesch), als zum Teil auch in Polen einem EU-Beitritt entgegenstehen? Muss man nicht, unabhängig von dieser Frage, die anstehende EU-Osterweiterung auch wegen der finanziellen Belastungen mit einigen Fragezeichen versehen?

Koch: Wenn wir in Europa langfristig friedliche und stabile demokratische Verhältnisse schaffen wollen, gibt es zur EU-Osterweiterung, die ich ausdrücklich begrüße, keinerlei Alternativen. Schließlich gehören Länder wie die Tschechische Republik oder auch Polen historisch zu Europa. Doch gleichzeitig gilt: Ihre Integration unter dem Dach der EU kann nur erfolgreich sein, wenn sich insbesondere Tschechien von den Benesch-Dekreten distanziert, denn sie sind verantwortlich dafür, dass viele Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden und noch heute massiv unter diesem Verlust leiden. Wenn diese Hürde überwunden werden kann, hat die EU alle Chancen, den so dringend benötigten Reformprozess zu beschleunigen, um insbesondere die überbordende Bürokratie abzubauen und durch die Erweiterung ihrer Märkte nach Osten ihre Stellung als Wirtschaftsmacht zu festigen.

Halten Sie die Türkei längerfristig für einen Beitrittskandidaten?

Koch: Nein, denn die Türkei ist zwar ein Freund und Partner Europas, aber kein Teil Europas. Die europäischen Staaten und die Türkei sind in kultureller Hinsicht grundverschieden, zudem gehört der überwiegende Teil der Türkei nicht einmal in geografischer Hinsicht zum europäischen Kontinent. Ich persönlich fühle mich nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass so viele türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen leben und das gesellschaftliche Leben bereichern, der Türkei freundschaftlich verbunden. Eine Aufnahme der Türkei halte ich jedoch für falsch, da sie die Grundidee der EU als ein Staatenverbund der europäischen Nationalstaaten ad absurdum führen und das traditionelle Gefüge der EU sprengen würde.

Die Fragen stellten Hans-Jürgen Mahlitz und Karl-Peter Gerigk