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14.12.02 / Quer zur "Bush-Doktrin" / Neuer Block in Asien?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Dezember 2002


Quer zur "Bush-Doktrin" / Neuer Block in Asien? 
von Hans Heckel und Manuela Rosenthal-Kappi

Sie bleibt der Albtraum amerikanischer Geostrategen: eine gewaltige Allianz der drei eurasischen Riesen China, Indien und Rußland. Die jüngsten Aktivitäten des russischen Präsidenten Putin dürften somit einige Besorgnis in Washington ausgelöst haben.

Auf einer Rundreise besuchte der Kremlchef zunächst den indischen Premierminister Atal Behari Vajpa-yee in Neu-Delhi und anschließend die beiden starken Männer von Peking, Staatspräsident Jiang Zemin und den erst frisch gekürten neuen KP-Generalsekretär Hu Jintao. Beide Visiten werden von russischen Beobachtern als Erfolg gewertet in dem Bemühen, die drei Giganten einander näherzubringen.

Beschwichtigend betonte Putin, daß es ihm nicht um Blockbildung gehe und daß sich die angestrebten engeren Beziehungen zu beiden Ländern nicht gegen Dritte richteten - gemeint waren natürlich die USA. Gleichwohl wenden sich die Staats- und Regierungschefs in gemeinsamen Erklärungen sowohl in Peking wie auch in Neu-Delhi zwar gegen den internationalen Terror - aber ausdrücklich verurteilen sie auch einen möglichen Alleingang Wa- shingtons in der Irak-Frage und pochen auf die Stärkung der Rolle der UN, über die sich die US-Regierung nicht hinwegsetzen möge.

In Peking ging es darüber hinaus um sehr handfeste wirtschaftliche Interessen. Der Handel beider Länder, so gab der chinesische Premierminister nach Moskauer Presseberichten anläßlich des Treffens bekannt, übersteige 2002 den Umfang von umgerechnet zwölf Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatte er erst 10,7 Milliarden Euro erreicht. Dieser Wert wurde 2002 bereits Ende Oktober überschritten. Die Handelsbilanz ist indessen unausgeglichen. Rußland importiert weit mehr aus China, als es dorthin ausführt. Daher hat Peking die Kreditlinie der Russen auf umgerechnet 500 Millionen Euro erhöht. Rußland will für die Darlehen vor allem chinesische Produkte aus dem Bereich der Telekommunikation einkaufen, um der eigenen Infrastruktur auf die Beine zu helfen. Im Gegenzug liefern russische Firmen insbesondere Öl und Gas für die florierende Wirtschaft des bevölkerungsreichsten Landes der Welt, um die Handelsbilanz aufzubessern. Darüber hinaus sind zu diesem Zweck Waffengeschäfte geplant.Wladimir Putin gab sich in Peking optimistisch, daß das Volumen des russisch-chinesischen Handels noch weit über die erreichten zwölf Milliarden wachsen könne. Dafür spreche auch die dynamische Entwicklung der russischen Wirtschaft. Seien für dieses Jahr zunächst 3,5 Prozent Wachstum vorhergesagt worden, so rechne man tatsächlich mit vier Prozent. Nach rasantem Verfall, bestenfalls Stagnation und schließlich der Rubelkrise in den 90er Jahren erlebt die Wirtschaft der Russischen Föderation seit Jahren eine Phase der Erholung.

Doch Moskaus Ambitionen sind keineswegs nur wirtschaftlicher Natur. Schnell gelernt hat Putin von den USA, wie man den "Kampf gegen den Terror" virtuos als Hebel zur Erweiterung des nationalen Einflußgebietes in der Welt nutzen kann. Mit eben jenem Kampf wird dieser Tage die Errichtung einer großen russischen Luftwaffenbasis im kirgisischen Ort Kant nahe der Hauptstadt Bischkek gegründet. Wie ein hochrangiger Offizier der russischen Luftwaffe der Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gasjeta (Unabhängige Zeitung) mitteilte, sei die neue Basis nur der erste Schritt, um an der Stelle einen ständigen Luftwaffenstützpunkt einzurichten. Der Bestand des Flugparks zeuge davon, so zitiert das Blatt, daß sich Rußland "ernsthaft und für lange Zeit" dort niederlassen wolle. Bis zum 4. Dezember wurden laut Nesawissimaja Gasjeta die ersten 20 Maschinen nach Kant verlegt. Darunter fünf Su-25-Jagdbomber und fünf Su-27-Abfangjäger.

Wie Interfax meldet, sollen überdies zwei An-26-Transportmaschinen, fünf L-39-Trainingsmaschinen, zwei Hubschrauber, Typ Mi-8, sowie zwei Il-76-Transporter in der Kirgisensteppe stationiert werden. Insbesondere die Trainingsflugzeuge deuten auf einen permanenten Aufent- halt der Truppe hin, heißt es. Die Jagdbomber haben einen Radius von 300 Kilometern. Bislang hatte Rußland lediglich einen Stützpunkt im tadschikischen Duschanbe, den Transporter aus Rußland nur mit Zwischenstopp erreichen konnten. Dies sei im Falle des kirgisischen Kant überflüssig, da die Distanz zu Rußland 600 Kilometer kürzer sei.

Die russische Militärpräsenz erfolgt auf ausdrücklichen Wunsch des kirgisischen Präsidenten Askar Akajew, der sich von der Opposition bedrängt sieht und Moskauer Beistand erhofft. In unmittelbarer Nähe zur neuen russischen Luftwaffengarnison, die (mit einer vermutlichen Stammbesatzung von 700 Mann) auch als Stützpunkt der "Schnellen Eingreiftruppe" Mos-kaus (geschätzte 5.000 bis 6.000 Mann) dienen soll, liegt der internationale Flughafen Manas, der von einem europäischen Kontingent genutzt wird. Nach Georgien ist Kirgisien nun das zweite GUS-Land, in dem russische und Nato-Truppen gleichzeitig stationiert sind. Beides, die Truppenstationierung sowie insbesondere die fortgesetzte, demonstrative Annäherung an China und Indien, wird in Washington offiziell mit Schweigen übergangen. Die eigentliche Haltung der Amerikaner hat die Weltöffentlichkeit dennoch gleichsam schriftlich. In der unlängst publizierten sogenannten "Bush-Doktrin" machte der US-Präsident die Leitlinien seiner Politik glasklar. Die USA würden, steht dort sinngemäß, keinem Land erlauben, zu einer Macht aufzuwachsen, die die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten nachhaltig stören könnte. In seinem Buch "Die einzige Weltmacht" stellte bereits Ex-Präsidentenberater Zbigniew Brzezynski Ende der 90er Jahre heraus: Vor allem dürften die USA das Entstehen "regionaler Hegemonialmächte" auf keinen Fall dulden.

Vor diesem Hintergrund wird die ganze Brisanz der jüngsten Putin-Vorstöße erkennbar. Ein riesiger Block auf der eurasischen Landmasse ist zur Zeit so ziemlich das Schlimmste, was der amerikanischen Weltmacht-Strategie in den Weg geraten könnte. Viel wird aus Moskauer Sicht davon abhängen, ob es dem geschickten Strategen Putin gelingt, die traditionellen Animositäten zwischen China und Indien zu überwinden. Die bestehen fort - schon deshalb war es nicht bloß Diplomatie, als der Kreml-Chef vom Entstehen eines neuen "Blocks" noch nicht reden wollte. Daß sich die eurasischen Bemühungen Mos-kaus unmittelbar gegen die globalen Vorherrschaftsbestrebungen der USA richten, daran besteht kaum Zweifel.