26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.12.02 / Griechenland und die Türkei / Mit Athen hat Ankara einen überraschenden Befürworter für den Beitritt zur EU

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Dezember 2002


Griechenland und die Türkei
Mit Athen hat Ankara einen überraschenden Befürworter für den Beitritt zur EU
von Pierre Campguilhem

Griechenland, das am 1. Januar den EU-Vorsitz von Dänemark übernimmt, wollte während seiner Präsidentschaft die Bedeutung einer einvernehmlichen Regelung der derzeit bestrittenen gemeinsamen Agrarpolitik betonen. Das ist wenigstens die Kernaussage eines griechischen Diplomaten, mit dem wir persönlich für diese Zeitung unlängst in Paris gesprochen haben. Wichtig sei auch die türkische Frage, die sicherlich mit der von Zypern verbunden sei.

Die Republik Griechenland gehört seit 1981 zu den Europäischen Gemeinschaften und ist auch Mitglied der Euro-Zone. Seit 1994 sind in diesem Land die Sozialisten mit Herrn Kastos Simitis an der Macht, zur Zeit als Regierungschef. Im Gegensatz zu mehreren EU-Mitgliedern seien seine Finanzen derzeit ausgewogen. Kein Defizit der öffentlichen Hand sei 2002 zu verzeichnen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte betrage allerdings noch beinahe hundert Prozent des Bruttoinlandsprodukts statt der vom Maastrichter Vertrag zugelassenen Marke von 60 Prozent. Die Inflation liege bei 3,5 Prozent.

Gemäß verschiedenen Äußerungen sowohl des griechischen Premiers als seines Verteidigungsministers soll sich der europäische Aufbau in einem transatlantischen Rahmen verstehen. Insofern könnte ein etwaiger neu entflammter Streit unter den derzeitigen EU-Mitgliedern über die Agrarpolitik während des ersten Halbjahres 2003 von den Entwicklungen der internationalen außenpolitischen Lage überschattet werden. Nach Ansicht unseres Gesprächspartners, das heißt des Pressesprechers der griechischen Botschaft in Paris, werde der EU-Vorsitz durch sein Land stark von der Lage im Irak beeinflußt werden.

Die griechische Diplomatie, die der Türkei gegenüber ihre Position hinsichtlich des Zypern-Problems und desjenigen der Aegäis-Inseln gern behaupten möchte, wird nach Ansicht der Beobachter jedoch nicht als Friedensstörer gelten wollen. Auf jeden Fall befürwortet die Athener Regierung einen EU-Beitritt der Türkei, vorausgesetzt, daß Ankara sich zu einem festen Zeitplan hinsichtlich der von ihm auszuführenden Reformen verpflichtet. Schon in Kopenhagen Ende des Jahres sollte man, meint der Diplomat, der Türkei ein positives Zeichen geben, da auf jeden Fall schon in Helsinki im Dezember 1999 die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der damaligen türkischen Regierung gebilligt worden sei. In diesem Dossier folgt Athen offensichtlich der Position der amerikanischen Regierung, die seit mehreren Monaten Druck auf die Brüsseler Kommission und die jeweiligen europäischen Regierungen ausübt, damit die Türkei sobald wie möglich Vollmitglied der EU wird. Die Stellungnahmen griechischer diplomatischer Kreise scheinen vor dem Hintergrund der strategischen Probleme im östlichen Mittelmeer zu erklären zu sein.

Unter griechischem Vorsitz werden zwei EU-Gipfel stattfinden: der erste im Februar in Brüssel, der zweite, als Schlußgipfel vorgesehen, im Juni in Thessaloniki. In Brüssel werde man über Sozialpolitik reden, was selbstverständlich die Lage der Kleinbauern einschließt. Griechenland teile an und für sich die Meinung des Agrarkommissars Franz Fischler, wonach die Strukturfonds nicht angetastet werden müssen und die Aufrechterhaltung kleiner Agrarbetriebe eine Priorität bei den technischen Unterredungen sein müßte. Athen wünsche, die Finanzhilfe für die Bauern werde bis 2013 fortgesetzt.

Am 20. Juni in Thessaloniki dürfte es sich eher um "hohe" Politik handeln. Dann dürfte Valéry Giscard d'Estaing als Vorsitzender des Europäischen Konvents einen Bericht vorlegen, so daß eine Entscheidung über die Verteilung der Machtbefugnisse in der EU während des zweiten Halbjahres unter italienischem EU-Vorsitz gefällt würde. Die Griechen hoffen, auch in Thessaloniki die EU-Diplomatie in Richtung des Nahen Ostens festigen zu können und die Balkanpolitik des europäischen Gefüges zu bestimmen. Einen Tag nach diesem EU-Gipfel sei nämlich ein Treffen zwischen der EU und fünf Balkanländern geplant, was die eingeschlagene Richtung der griechischen Diplomatie unterstreicht. Wichtig wäre, daß die EU-Länder, die im Durchschnitt nur ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts der Verteidigung widmen, ihre Ausgaben hierfür erhöhen, denn mit 3,5 Prozent sei Griechenland noch eine Ausnahme.