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21.12.02 / Existenzgründer haben es immer schwerer

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Existenzgründer haben es immer schwerer
Basel II verteuert das Geld - Die Regierung hilft Unternehmen bei kurzfristigen Darlehen zu wenig
von Karl P. Gerigk

Daß der Mittelstand das Korsett der deutschen Wirtschaft ist, gilt als Binsenweisheit. Doch die Stangen dieses Gerüstes sind nicht mehr stabil. Zwar stel- len mittelständische Unternehmen 99,3 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Betriebe und tätigen 44,8 Prozent aller steuerpflichtigen Umsätze. Sie tragen mit 57 Pro- zent zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei, und bei den Investitionen werden knapp die Hälfte, nämlich 46 Prozent, von den mittelständischen Unternehmen getätigt.

Aber ein Großteil der neuen Arbeitslosen werden jetzt durch die stark gestiegene Zahl der Insolvenzen der kleineren und mittelständischen Betriebe, gerade im Einzelhandel und beim Handwerk, freigesetzt. Auch die jungen Leute, die zwar immer noch eine Ausbildungsstelle bekommen, werden nach ihrer Lehre nicht mehr übernommen. Die Perspektive für die Jugend ist Arbeitslosigkeit, die Perspektive für die Betriebe ist die Insolvenz. Die Zahl der Privatpleiten in Deutschland ist schon seit Jahren konstant hoch. Sie liegt bei über 45.000 in den letzten drei Jahren, und für 2003 ist die 50.000er Grenze angepeilt. Betrachtet man die Gesamtpleiten, haben diese im Vergleich zum Vorjahr um 66 Prozent auf 82.400 zugelegt.

Was nützt es da, daß es noch fast ebenso viele Neugründungen gibt, wenn diese nach kurzer Zeit wegen fehlenden Umsatzes, nicht zuletzt im Einzelhandel, wieder bankrott gehen. Doch die Unternehmenskultur in Deutschland, so weiß die Politik, braucht Persönlichkeiten mit dem Mut zum Risiko. Ein solcher Unternehmer und Existenzgründer ist Stefan Wolter in Hamburg-Bramfeld. Wolter, ehemaliger Kampfschwimmer bei der Bundeswehr, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

"Seitdem ich nach zwölf Dienstjahren und einem Volkswirtschaftsstudium aus der Bundeswehr ausgeschieden bin, reizt es mich, eine Firma zu gründen - als Existenzsicherung für meine Familie und mich. Dabei wollte ich meiner Linie treu bleiben und nie etwas Langweiliges machen. Darum entschloß ich mich, eine Existenz zu übernehmen: das Dive-Center im Bramfeld. Eine Tauchschule."

Daß dies nicht so einfach sein würde, dachte er sich schon. Denn mit der Abfindung vom Militär und dem Übergangsgeld kann er da nicht viel machen, bei einem Kaufpreis von 190.000 Euro für die Firma. Er braucht also Geld. Darum wendet er sich an die Bank. "Zögerlich wie Banker sind, haben die mich erst mal ganz durchleuchtet und dann gesagt, daß meine Eigenkapitaldecke noch zu gering sei. Außerdem sei der Kaufpreis für die Firma zu hoch. Also hab ich mich beraten lassen und auch noch Geld bekommen. Die Bank räumte mir einen Kontokorrent ein, dann gab es etwas von ,ERP', dem ,European-Recovering-Programm'- einem Nachfolge-Programm des Marshallplans - und eine Summe von der deutschen Ausgleichsbank sowie Eigenkapitalhilfe", erzählt Stefan.

Insgesamt kommen so 190.000 Euro zusammen. Aber das alles wird nur genehmigt, weil die Hamburger Bürgschaftsgemeinschaft (BG) dafür mit geradesteht, erklärt der Existenzgründer etwas be-drückt. Und das ist verständlich. Denn solch eine Summe ist schon eine finanzielle Last. Er rechnet mit Abzahlungen und einer Durststrecke von beinahe zehn Jahren. Und ganz einfach war das mit dem Bankkredit auch nicht. Denn die Bank verlangt einen gewissen Eigenkapitalanteil von den Kreditnehmern. Sonst läuft da gar nichts. Zum Glück hat Stefan da noch etwas von seiner Abfindung übrig gehabt. Den Hauptteil hatte er für einen Karibikurlaub ausgegeben. "Und wenn ich da nicht meine Übergangsgebührnisse von der Bundeswehr hätte einbringen könnte, wäre die Bank abgesprungen."

Stefan ist ein Beispiel dafür, daß eine Bank einen Existenzgründer fördert. Aber oft kneifen die Geldinstitute aus Angst, auf dem Kredit sitzenzubleiben. Damit das Risiko für die Bank klein bleibt, hat sich seit 1988 in Basel eine Gremium der Bankenaufsicht etabliert, das verbindliche Richtlinien für die Kreditvergabe auch bei Kleinkrediten verabredet und den Instituten diktiert. Die Vorschläge des Gremiums, genannt Basel II, fassen neue Kriterien für die Vergabe von Kleinkrediten zusammen. Diese erschweren, kurz gesagt, die Möglichkeit, Kredite mit kleinen Laufzeiten in angemessener Höhe zu bekommen. Ziel von Basel II ist es, die Eigenkapitalvorschriften der Banken an das kalkulierte Geschäftsrisiko anzupassen. Dazu hat dieser Baseler Ausschuß der Ban-kenaufsicht einen Entwurf vorgelegt, der den Banken vorschreibt, die Bonität ihrer Kunden, ebenso wie die Verwendbarkeit der Sicherheiten bei den Kreditkonditionen, stärker zu berücksichtigen. Diese Vorschrift trifft besonders die kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland, die ihren Finanzierungsbedarf laut Bundesbank zu 75 Prozent aus günstigen Fremdkapitalanleihen decken.

Für erstklassige Unternehmen - mit einer hohen Liquidität - werden sich die Anforderungen verringern - aber für Firmen mit geringer Bonität und gerade für Existenzgründer wird eine höhere Eigenkapitalunterlegung gefordert, die diese oft nicht leisten können. "So kommt es zu so vielen Insolvenzen, weil zu wenig Eigenkapital da ist, und man muß wegen Basel II auch mit weniger Neugründungen und länger laufenden Krediten rechnen", meint Stefan Wolters. "Wenn ich daran denke, selber noch mehr Geld aufbringen zu müssen, hätte ich den Schritt nicht gewagt. Es wird künftig schwerer werden, einen Kredit zu bekommen", sagt er.

Die Bundesregierung hat vor der Wahl versprochen, diese Einbußen an frei verfügbarem Kapital auf dem Markt durch die Schaffung einer Mittelstandsbank mit Kapital der deutschen Ausgleichsbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufzufangen. Zur Zeit scheint dieses Vorhaben wieder in den Schubladen der Ministerien verschwunden zu sein. Hier sollten Gelder bis 25.000 Euro, für Büroausstattung zum Beispiel, ohne Sicherheiten vergeben werden. War das Risiko zu groß?

Um die Risiken für die Banken zu minimieren, sieht der Baseler Entwurf eine qualitative Einschätzung der Unternehmen vor, von der deren notwendige Eigenkapitalausstattung bei einem Kredit abhängt. Diese Rangfolge gibt Auskunft darüber, wie die zukünftige Fähigkeit des möglichen Kreditnehmers zur vollständigen und termingerechten Tilgung seiner Schuld mit Zins und Zinseszins eingeschätzt wird. Es wird so die Ausfallwahrscheinlichkeit der jeweiligen Forderung geschätzt. Wesentliches Problem für Existenzgründer und den Mittelstand ist, daß auch bei höherer Eigenkapitalunterlegung langfristige Mittelstandskredite teurer werden. Zudem werden die üblichen Sicherheiten im Kreditgeschäft bei Basel II nicht mehr anerkannt, sondern sollen strikter gehandhabt werden. Auch werden Kreditgeber, die sich auf Kleinkredite konzentrieren, wie Spar- oder Raiffeisenkassen, eher Nachteile durch die Eigenkapitalanforderungen erhalten, denn ihr Geschäftsvolumen wird zwangsläufig abnehmen.

Summa summarum: Basel II schadet der mittelständischen Wirtschaftsstruktur Deutschlands und verängstigt die Existenzgründer, denen meist das Kapital fehlt. Zudem tut die Regierung zu wenig, um diesem Vorgang der strukturellen Schwächung Deutschlands entgegenzuwirken. Basel II soll 2006 in Kraft treten. Es ist also noch ein wenig Zeit, Einfluß zu nehmen und eine Korrektur herbeizuführen.