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21.12.02 / Gedanken zur Zeit: Neuer Name für Königsberg

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Gedanken zur Zeit: Neuer Name für Königsberg
von Wilfried Böhm

Das christliche Weihnachtsfest ist in der deutschen Tradition fest verbunden mit Familie und Heimat. Wer Weihnachten in "X-Mas" umfunktioniert, zielt auf die Seele der Deutschen. Wer, wie große Kauf-hausketten und die Telekom, sein neues Rabattsystem "Happy Digits" nennt, zwingt Deutsche, in Deutschland in einer anderen Sprache zu sprechen als in ihrer Muttersprache.

Doch auch die deutsche Sprache wird manipuliert. Weil der Begriff "Heimat" dem amerikanischen Netzdienstleiter AOL nicht paßt, heißt es in seiner Rechtschreibprüfung: "Heimat: Nicht im Wörterbuch. Fehlmeldung: Gefühlsgeladener Ausdruck. Schreiben Sie den Satz um. Negativ belastete Ausdrücke, besonders solche, die mit Faschismus und Krieg assoziiert werden, sind in förmlichen Schriftstücken unangebracht. Sie könnten falsch ausgelegt werden."

Die Spekulation der "Globalisierer" lautet: Ist "Heimat" erst einmal aus dem Wörterbuch gestrichen, dann wird es auch bald mit der Erinnerung an die "Heimat" vorbei sein. Daß hingegen Heimat und mit ihr Geschichte und Tradition lebendige menschliche Werte und unverzichtbar für ein menschenwürdiges Leben sind, wird in diesen Tagen gerade in der "Heimat Königsberg" sichtbar.

Ist doch die Zeit, in der Königsberg den Namen "Kaliningrad" tragen muß, so oder so bald vorbei. Im Jahr 2005 wird die Stadt am Pregel 750 Jahre alt werden und ihrer Gründung als Burg des Deutschen Ordens im Jahr 1255 gedenken, die ihren Namen zu Ehren König Ottokars II. von Böhmen erhielt und in deren Schutz die drei Städte Altstadt Königsberg, Löbenicht und Kneiphof entstanden, die 1724 zu einer Stadtgemeinde vereinigt wurden. Bis zum großen Geburtstag in drei Jahren wird sie, so hoffen viele, wieder ihren alten Namen tragen.

Der Wunsch, der Stadt den alten traditionsreichen Namen Königsberg zurückzugeben, kommt heute auch aus der russischen Bevölkerung, in der sich dafür eine Bürgerinitiative gebildet hat. Sie will an die Geschichte der Stadt anknüpfen, die weltberühmte Persönlichkeiten und Entdeckungen hervorgebracht habe, und dadurch "neue Inspiration für zukünftige Generationen unserer Mitbürger ermöglichen", heißt es in einem Aufruf.

Michail Kalinin hingegen, dessen Namen die Stadt seit über fünfzig Jahren tragen muß, hatte sich als treu ergebener Genosse von Stalin an dessen Verbrechen mitschuldig gemacht. Darum heißt die Stadt Kalinin in Zentralrußland heute wieder Twer, und ein bei Moskau gelegenes "Kaliningrad" ist bereits umbenannt worden. In Moskau selbst ist der Name Kalinin von U-Bahnstationen und Straßenschildern wieder entfernt worden. Es gibt auch kein Kalinin-Museum in Moskau mehr. Der Name Kaliningrad für Königsberg ist ein nicht zu haltender Anachronismus.

Das Ansinnen zur Namensänderung für die Pregelstadt bereitet allerdings dem politischen Moskau einiges Kopfzerbrechen. Das berichtet der "Königsberger Express", der einmal im Monat mit "Nachrichten aus Kaliningrad" erscheint. Wolle doch Präsident Wladimir Putin im Falle seiner Wiederwahl eine neue russische Verfassung einsetzen, wie kürzlich im "Bulletin regionaler Informationen" zu lesen gewesen sei, das der Kreml für die russischen Nachrichtenagenturen herausgibt. Diese neue Verfassung sei auch als Instrument dazu auserkoren, die Namen von Gebietssubjekten zu ändern.

Der Königsberger Express zitiert aus diesem Bulletin: "Die Umbenennung solcher Subjekte der Föderation, deren ideologisch belastete Namen aus der kommunistischen Zeit stammen und in der jetzigen russischen Verfassung nur aus dem Grund beibehalten werden, weil das Verfahren einer Umbenennung äußerst aufwendig ist, würde im Zuge der Umwandlung eine der erstrangigen und einfachsten Maßnahmen sein."

Auf der Umbenennungsliste stünden ganz oben fünf Verfassungssubjekte an, und zwar die Gebiete Kirow, Uljanow, Leningrad, Swerdlowsk und Kaliningrad. Die beiden ersten sollten ihren früheren Namen wiederbekommen: nämlich Wjatka und Simbirsk. Doch, so heißt es, für Kaliningrad habe man noch keinen Namen gefunden, der allen gerecht werde.

Mit den Moskauer Veröffentlichungen, die prompt von der Komsomolskaja Prawda in Kaliningrad aufgegriffen wurden, verband diese Zeitung die Aufforderung an ihre Leser, Vorschläge für neue Namen einzureichen, wohl auch, um vom Wunsch der Bürgerinitiative nach einer Rückbenennung in "Königsberg" abzulenken.

Zu den häufigsten Vorschlägen gehörten dann jedoch Königsberg und Königgrad, aber auch Westburg, Westgrad, Eurograd, Euroberg, Russberg, Baltberg und Kantgrad. Der Königsberger Express zieht daraus den Schluß, fast alle Vorschläge hätten die Nähe zu Europa und zum Westen zum Ausdruck gebracht. Viele Leser hätten sich für den Namen Königsberg ausgesprochen, "da sie gar nicht auf die Idee kommen, die Rückumbenennung könnte ideo-logisch anfechtbar sein".

Tröstlich, daß zwischen den Mühlsteinen Globalisierung und postkommunistischer Reaktion für viele Menschen überall auf der Welt Werte und Begriffe wie Heimat, Geschichte und Tradition ihren guten alten Klang behalten und bewahren.