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21.12.02 / Eine Weihnachtsgeschichte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Eine Weihnachtsgeschichte
von Manuel Ruoff

Sowohl der Komponist als auch der Textdichter von "Stille Nacht, heilige Nacht" stammen aus einfachen Verhältnissen, beide waren bescheiden, und der Wert ihres Liedes wurde erst lange nach dessen Entstehen entdeckt. Diese Konstellation führte dazu, daß wir wenig Genaues über die Entstehungsgeschichte wissen. Dafür spinnen sich um so mehr Legenden um die Entstehung. Das ist in der Weihnachtszeit, einer Zeit, in der auch der aufgeklärte Mensch empfänglich ist für so unglaublich klingende Geschichten wie die vom Weihnachtsmann oder dem Nikolaus oder dem Knecht Ru-precht, zum Glück nur halb so schlimm.

Es war einmal vor 184 Jahren. Auch am 24. Dezember jenes Jahres 1818 sollte in Oberndorf im Salzburger Land eine Christmette stattfinden. Extra zu diesem Anlasse hatte Franz Xaver Gruber ein festliches Präludium komponiert, mit dem die Feierstunde eingeleittet werden sollte. Um die Vorbereitungen für den Abend zu treffen, machte sich der Lehrer bereits am Morgen von seinem Wohn- und Arbeitsort Arnsdorf aus auf den Weg nach Oberndorf, wo er zusätzlich das Amt des Organisten bekleidete. Als er Sankt Nicola, Oberndorfs Pfarrkirche, erreichte, war es dort bitterkalt. Als der Musiker am Spieltisch der Orgel Platz genommen hatte, mußte er zu seiner Überraschung feststellen, daß der Blasebalg des Instruments nicht mehr funktionierte. Vergeblich bemühte sich der ebenfalls anwesende Küster, den Orgelpfeifen die benötigte Luft zuzuführen. Die Eiseskälte - vielleicht auch eine Maus - hatte dem Blasebalg der alten Orgel Risse beziehungsweise Löcher zugefügt.

Gruber blieb nichts anderes übrig, als seine Vorbereitungen für die Christmette zu unterbrechen. Ratsuchend wandte er sich in dieser Situation an den im benachbarten Pfarrhaus wohnenden Kaplan Joseph Mohr. Der Geistliche war zwar überrascht, als er erfahren mußte, daß zum Gottesdienst kein Orgelspiel möglich sein würde, doch wußte er Rat. Er besaß eine Gitarre, und er wußte, daß Gruber außer singen auch komponieren konnte. So bat er seinen Freund, auf einen von ihm bereits zwei Jahre zuvor erstellten Text eine passende "Melodie für 2 Solo-Stimmen sammt Chor und für eine Guitarre-Begleitung" zu schreiben. Wieder zu Hause setzte sich Gruber an sein Klavier und machte sich daran, die von Mohr erhaltenen Verse zu vertonen.

Am Heiligabend war es dann in der Pfarrkirche soweit. Nach dem letzten Segen stimmte der Kaplan die in D-Dur komponierte Koproduktion mit seiner Tenor-Stimme an, wobei er sich selber auf der Gitarre begleitete. Grubers Baß gab die Unterstimme, und dessen Kinder sangen den Refrain.

Es gibt übrigens neben der geschilderten auch eine eher politische Begründung für die Entstehung des Liedes. Hier wird als Grund statt des Zufalls eines undichten Blasebalges die Volksnähe des Kaplans Joseph Mohr genannt. Entsprechend dieser Theorie wollte Mohr ganz bewußt eine sich von der lateinischen Liturgie absetzende Musik schaffen, die seiner einfachen Gemeinde verständlich war. Dazu muß man wissen, daß die Bevölkerung von Oberndorf zu jener Zeit überwiegend aus armen Schiffern bestand, die vom Salztransport auf der Salzach lebten und im Winter von Arbeitslosigkeit geplagt waren. Gemäß diesem Erklärungsversuch hat sich Mohr ganz bewußt um ein Lied bemüht, das auf Grund seines deutschsprachigen Textes für die Gemeinde verständlich war, und sich nicht gezwungenermaßen, sondern durchaus freiwillig für die Gitarrenbegleitung entschieden, in gezielter Abgrenzung zur Kirchenorgel als Musik- instrument der lateinischen Liturgie.

Wie bei der Entstehung ist auch bei der Verbreitung des Weihnachtsliedes vieles im unklaren. Gruber selber spricht in diesem Zusammen-

hang von einem "bekannten Zillerthaler", der das Lied nach Tirol gebracht habe. Hierbei wird es sich um den Orgelbauer Carl Mauracher handeln. Er war in den der Uraufführung folgenden Jahren diverse Male beruflich im Raum Arnsdorf/ Oberndorf und hatte dabei auch Kontakt mit Gruber und Gele- genheit, in das im Oberndorfer Pfarrhaus angesammelte Notenmaterial Einblick zu nehmen. So könnte das Lied in das Zillertal gelangt sein.

Die weitere Verbreitung über das Zillertal hinaus soll das Verdienst der Sängerfamilien Rainer aus Fügen und Strasser aus Laimach sein. 1822 soll die Familie Rainer das Lied vor dem österreichischen Kaiser Franz I. und dem russischen Zaren Alexander I. im Schloß des Grafen Dönhoff gesungen haben. Belegt ist die Aufführung des Weihnachtsliedes durch die Familie Strasser im Jahre 1832 in Leipzig. Weihnachten 1839 schließlich sang die Familie das Lied im Rahmen einer USA-Tournee in New York, wobei es sich wohl um die Amerika-Premiere handelte.

Zur weiteren Verbreitung über die Grenzen Europas hinaus trugen maßgeblich die katholischen und protestantischen Missionare bei, die das Lied auf allen Kontinenten bekanntmachten. Bis heute ist das wohl bekannteste deutsche Weihnachtslied in 300 verschiedene Sprachen und Dialekte übersetzt worden. Eine Auswahl findet man auf der Internetseite " www.silentnight.web.za  ".

 

Joseph Mohr: Im Jahre 1955 entstandenes Bildnis des von 1792 bis 1848 lebenden Textdichters aus der Pfarrkirche Hintersee Foto:Stille Nacht Gesellschaft

Franz Xaver Gruber: Gemälde des von 1787 bis 1863 lebenden Komponisten von Thomas Ploner Foto: Stille-Nacht- und Heimatmuseum Oberndorf