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11.01.03 / Heizkissen-Rhetorik

© Das Ostpreußenblatt Ausgabe / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Januar 2003


Heizkissen-Rhetorik
In Dreikönigs Namen: Möllemann, du fehlst uns! Sowie: Der Krieg kommt, der Krieg kommt nicht, der Krieg ... / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es wird wieder spannend im Land. Vergangenen Sonntag inszenierte die niedersächsische SPD den Beginn ihrer "heißen Wahlkampfphase". "Deutschland in der Krise? So ein Quatsch!" waberte als unausgesprochene Parole durch den genossenvollen Saal. Sigmar Gabriel fordert uns auf, "die positiven Seiten des Lebens" endlich einmal wieder zu würdigen und so weiter. Rocker-Zwerg Peter Maffay schnulzte dazu und Kabarettist Ingo Appelt steuerte seine gewohnt stilsicheren Sprüchlein bei. Kurz: Es gab "Wellness"-Rhetorik zwischen Tri, Tra und Trullala. Ein voller Erfolg: Das Publikum fühlte sich laut Stichproben-Interviews kritischer Journalisten nach der Gute-Laune-Show viel wohler als vorher. Es ging zu wie auf den handelsüblichen Verkaufsveranstaltungen: Zu Anfang schwören alle, sich auf keinen Fall von dem Geschnatter leimen zu lassen. Man ist ja nicht blöd. Am Ende hat dann doch fast jeder sein Heizkissen an der Backe.

Wer das Wort "liberal" öfter als dreimal pro Minute nicht ertragen kann, mußte sowieso gleich wieder wegzappen. Wer tapfer dabeiblieb beim Dreikönigstreffen der FDP, mußte bald gegen den Schlaf kämpfen. Kein Richtungsstreit, nicht einmal ein klitzekleines Personalkarussell, null. Wenn eine Partei schon keine Inhalte mehr hat, soll sie uns wenigstens unterhalten. Möllemann, der konnte das! Was haben wir gelacht! In Anspielung auf den versenkten Fallschirmspringer lobte ein Parteioberer die Teilnehmer, weil sie alle auf "konventionelle Weise" mit Bus, Bahn oder Auto angereist seien. Du liebe Zeit! Hoffentlich ist wenigstens jemand schwarz gefahren.

Britanniens Innenminister Jack Straw sieht die Möglichkeit eines Irakkrieges von 60 Prozent vor Weihnachten auf jetzt nur noch 40 Prozent geschrumpft. Der Mann sieht keine Nachrichten. Während hastige Uno-Inspektoren kurz davor stehen, Saddams Mülltonnen nach massenvernichtenden Speiseresten zu durchwühlen, wächst bei Iraks potentiellen Kriegsgegnern der Appetit auf die Beute von Tag zu Tag. Ankara kramt in seinen Truhen in der Hoffnung, Ansprüche auf das irakische Öl aus der Zeit des Osmanischen Reiches (!) aufzustöbern. Eine tolle Idee. Wie wäre es, wenn Berlin Windhuks Menschenrechtsverächter Sam Nujoma angreift und sich damit die kaiserzeitlichen Ansprüche auf die namibischen Diamanten hinter der Lüderitzbucht sichert? Apropos sichern: Die New York Times meldet, daß sich die USA nach dem Sturz des Bagdader Despoten als erstes der dortigen Ölfelder annehmen wollen - selbstverständlich nur zu dem Zweck, diese zu "schützen"! Später soll der Wiederaufbau des Landes mit den Petrodollars bezahlt werden, heißt es aus Washington. Irak sitzt auf den zweitgrößten Ölreserven der Welt. Wenn die komplett nötig sind, um das Land "wiederaufzubauen", hat die US-Luftwaffe offenbar nicht vor, halbe Sachen zu machen.

In einer Geschichte der Augsburger Puppenkiste begegnen Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, in der Wüste einem seltsamen Wesen. Von Ferne betrachtet erscheint es wie ein Riese, je näher es aber kommt, desto kleiner wird es - ganz entgegen den Naturgesetzen. Wir hatten vergessen, wie der Wicht heißt. Jetzt wissen wir es wieder: er heißt Aufschwung. Noch im Sommer wurden uns sagenhafte Zahlen von zwei Prozent Wirtschaftswachstum und mehr für 2003 vorhergesagt. Je näher das Jahr kam, umso mehr verkümmerten die Werte. Am Dienstag hat das erste Forschungsinstitut seine Prognose auf nur noch 0,6 Prozent gedrückt. Die Bundesregierung läßt sich davon nicht irre machen und bleibt bei 1,5 Prozent. Es sei denn, schränkt Wolfgang Clement verschmitzt ein, der Irak-Krieg werfe alles über den Haufen. Und wenn der nun nicht kommt? Womit dann die nächste Steuererhöhung rechtfertigen? Es wird Zeit, daß Rot-Grün seine Anti-Kriegs-Haltung gründlich überdenkt.

Anti-Kriegs-Haltung? Wenn wir uns da mal nicht täuschen. Kanzler Schröder hat jetzt erklärt, Vorhersagen über das deutsche Abstimmungsverhalten im Weltsicherheitsrat zum Angriff auf den Irak seien zur Zeit "reine Spekulation". Damit hat er en passant auch all die Lügen gestraft, die seiner Regierung ständig "mangelnde Flexibilität" unterjubeln wollen: Die Schröder-Administration ist dermaßen flexibel, daß sie sogar selber heute nur darüber "spekulieren" kann, was sie morgen tun wird. Das hatten wir auch noch nicht.

Eine Gruppe deutscher Künstler, Ärzte und Journalisten um den Liedermacher Konstantin Wecker ist in den Irak aufgebrochen, um den Frieden zu retten. Im Gepäck der elfköpfigen Delegation befinden sich Gitarren und Spielzeug. Man eifert dem Vorbild amerikanischer Schauspieler nach, die auch schon am Tigris waren, um gut Wetter zu machen - vermutlich frisch vom Drehort irgendeines neuen Hollywood-Kriegsmassakers, in dem abermals amerikanische Lichtgestalten deutsche, arabische oder koreanische "Bastarde" von der Leinwand tilgen durften.

Der Spiegel hat mal wieder eine Debatte über "die 68er" angetrieben. In einem feinsinnigen Aufsatz, Titel: "Die erschöpfte Generation", macht sich ein bekennender Alt-Revoluzzer über das Elend seiner Altersgenossen her, die schließlich heute die Regierung stellen. Einst waren sie aufgebrochen, den deutschen Staat, die deutsche Wirtschaft und das deutsche Militär totzuhetzen, um sich später in den verhaßten Institutionen prächtig ein- zurichten. Ausgerechnet jetzt, da sie endlich an der Macht sind, gehen alle diese von ihnen solange verachteten Einrichtungen reihenweise in die Knie. Ja, grausam spielt sie, die Natur: Kaum, daß die Parasiten die vollständige Kontrolle über das Wirtstier erlangt haben, stirbt's ihnen weg. Was soll nur aus ihnen werden?