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25.01.03 / Pariser Doppelkopf

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Januar 2003


Pariser Doppelkopf
Sowie: Von verkannten Halunken, der "Sonne des Ostens" und ganz neuen Ländern / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Das ging nun wirklich zu weit: Auf der Jahresversammlnug der Deutsch-Arabischen Gesellschaft fauchte deren wiedergewählter Vorsitzender, der in der Reichsacht versunkene, unentwegte J. W. Möllemann: "Die USA haben sich immer übelste Halunken als Bündnispartner zur Seite gestellt, wenn es ihnen zweckmäßig erschien." Wie bitte? Zaires Mobutu, Panamas Noriega, die Saddam Husseins und Osama bin Ladens der 80er Jahre, das sollen allesamt Verbrecher gewesen sein? Eine ziemliche Instinktlosigkeit. Wir fanden Sie mal recht amüsant, Herr Möllemann, aber diese Sudelei ist unerträglich. Wärmen wir uns lieber an einem glaubwürdigeren Repräsentanten unserer aufgeklärten Gesellschaft:

Die Politik, d. h. die richtige mit dem Regieren und dem ganzen öden Kram, war seine Sache sowieso nicht. So schlug sich Berlins damaliger Wirtschaftssenator Gregor Gysi bei erster sich bietender Gelegenheit folgerichtig in die Büsche - und wendet sich demnächst seiner wahren Berufung als Feierabenddemagoge und kommunistischer Witzbold zu. Mit Lothar Späth darf der Ex-SED-Chef beim MDR eine Talk-show moderieren. In der ersten Sendung wird es darum gehen, was passieren muß, damit "im Osten die Sonne wieder scheint".

Die Sonne besang schon die alte DDR-Hymne. Erst als die ungestüm vorandrängende sozialistische Volkswirtschaft den Himmelskörper in weiten Teilen des Staates unsichtbar machte, wurde der Text verboten. Aber man brauchte sie auch nicht mehr, man hatte seine eigene Lichtquelle, die alles erhellte. Die Scheinwerfer der Staatssicherheit strahlten in jeden Winkel, und so war die Partei immer "ganz nah bei den Menschen" (Mielke 1989). Das will der MDR auch sein. Ein erster kompetenter Talkgast bietet sich an: Markus Wolf wurde gerade 80. Als Mielkes Stellvertreter bei der Stasi dürfte er bestens über alle Einzelheiten im Leben der "Menschen im Osten" informiert sein.

Die salomonische Lösung ist gefunden: Damit unsichere Kantonisten nicht in Verlegenheit kommen, zwischen einer deutschen Adjutanz bei Bushs Irak-Krieg und ihrem Gewissen entscheiden zu müssen, will die Bundesregierung die Abstimmung über diese Frage im Reichstag flugs abblasen. Damit würden SPD-Nörgler ebenso ihrer unerträglichen Last enthoben wie die Grünen, denen mittlerweile schwindelig wird über dem Abgrund zwischen ihrem Anspruch und ihrer wirklichen Politik. Nur ohne Abstimmung bleibt diese "gelebte Vielfalt" in der Koalition von der Wirklichkeit ungetrübt. Ginge uns diese Vielfalt verloren, wenn die stiernackigen Betonköpfe von der Union das Ruder an sich rissen? Keine Spur! Die Schwarzen haben sich entschieden, die kreuz und quer zueinander liegenden Meinungen der unterschiedlichen Lager bei Rotgrün einfach alle gleichzeitig zu vertreten. Die Losung der CDU/CSU liest sich ungefähr so: Wir stehen fest an der Seite der Amerikaner ... und werden ihnen in unverbrüchlicher Solidarität hinterherwinken, wenn sie in den Krieg ziehen.

Für Washington ist die Sache längst entschieden, obschon die ersehnten irakischen Massenvernichtungswaffen mit dem Packzettel "New York" partout nicht auftauchen wollen. US-Verteidigungsminister Rumsfeld hat die Logik der amerikanischen Irak-Politik bereits in der September/Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Foreign Affairs prägnant umrissen. Zitat: "Es gibt Dinge, von denen wir wissen, daß wir sie wissen. Es gibt Lücken in unserem Wissen, von denen wir wissen. Soll heißen: Es gibt Dinge, von denen wir wissen, daß wir sie nicht wissen. Aber es gibt auch Lücken in unserem Wissen, von denen wir nichts wissen: Es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, daß wir sie nicht wissen ... Und von denen entdecken wir jedes Jahr mehr." Soll heißen ... Aber das verstehen wir eben nicht. So sind sie halt, die Amerikaner: schnörkellos, geradeheraus und um Gründe nie verlegen.

Keine Frage: Zu den Vorzügen der Deutschen zählt ihr unermüdlicher Antrieb, ihr Land neu zu ordnen, zu planen und noch perfekter zu machen. Meist wird dabei alles auch ein wenig komplizierter, zugegeben. Aber sei's drum: Die Debatte um eine Länderneugliederung begeistert uns Deutsche genauso heftig wie die letzten dreißig Male, als wir darüber brüteten. Hohe Landesbeamte und -politiker der Kleinstaaten sind dem gegenüber jedesmal aus neue alarmiert - weil in höchster Sorge um die Zukunft ihrer gutdotierten Unentbehrlichkeit.

Gänzlich unbegründet! Wir kennen das Prozedere doch von 1990: Damals ward Bonn auch nicht wüst und leer, niemand wurde "runtergesetzt". Nein, jedes Bundesministerium machte statt dessen eine Zellteilung durch, und seitdem haben wir alles doppelt - teils am Rhein, teils an der Spree. So wird es auch nach einer Länderreform zugehen: Ein "Freistaat Plattdeutschland" der fünf alten Küstenländer etwa wird nicht einen, sondern fünf Regierungssitze haben, mit aller dazugehörigen Bürokratie. Ganz zu schweigen von den vielen, satt bezahlten Posten in zahllosen Überleitungskommissionen und Harmonisierungsausschüssen, denen - einmal eingesetzt - nach bundesrepublikanischer Tradition ein ewiges Leben gewiß ist. Sagt nicht schon der Volksmund: "Weniger ist mehr"?

Auch Europa wird neu gegliedert, ihm soll ein zweiter Kopf wachsen. So wollen es Kanzler Schröder und Präsident Chirac gemeinsam durchsetzen. Dem Kommissionspräsidenten wird ein weiterer Potentat zur Seite gestellt, den die Staats- und Regierungschefs höchstpersönlich auswählen. Natürlich wird der Kommissionschef in seinen Rechten nicht beschnitten, heißt es, nur "ergänzt". Jeder, der jemals eine Führungsaufgabe innehatte, weiß, wie beflügelnd solche "Ergänzungen" wirken. Vulgo: Mit dem Zweitkopf bekäme die EU endlich einen richtigen Superpräsidenten. Wetten, daß der Élysée-Palast auch schon eine ganz tolle Idee hat, aus welchem Land der neue starke Mann Europas natürlicherweise kommen sollte?